Die Landesregierung will die Nutztierhaltung in Nordrhein-Westfalen fit für die Zukunft machen. Deshalb hat das Landwirtschaftsministerium einen Prozess für eine nachhaltige Verbesserung der Nutztierhaltung initiiert und erarbeitet derzeit eine Nutztierstrategie. „Eine zukunftsfähige Nutztierhaltung muss allen Interessen gerecht werden: Dem Tierwohl, dem Umweltschutz, den Bedürfnissen der Verbraucherinnen und Verbraucher und nicht zuletzt der ökonomischen Überlebensfähigkeit der Tierhalterinnen und Tierhalter“, sagte Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser.
Ministerin Heinen-Esser nutzt die parlamentsfreie Zeit für eine Sommertour, um sich vor Ort exemplarisch über Anregungen für eine zukunftsfähige Nutztierhaltung zu informieren: „Nordrhein-Westfalen soll bei der Gestaltung einer zukunftsfähigen Tierhaltung zu einer Modellregion werden. Unser Leitbild berücksichtigt gesellschaftliche Anforderungen nach mehr Tierwohl und nach Transparenz in der Lebensmittelkette ebenso wie Umweltfaktoren. Es gilt dabei, den Betrieben ein angemessenes Einkommen und sozialverträgliche Arbeitsverhältnisse zu sichern.“ Zum Start der Sommertour besuchte die Ministerin heute die Lehr- und Forschungsstation Frankenforst der Universität Bonn. Staatssekretär Dr. Heinrich Bottermann besuchte den Schweinemastbetrieb Pötterhof in Brüggen.
Ein erster Schwerpunkt der Strategie ist die Zukunft der Schweinehaltung
Die Nutztierstrategie dient als Grundlage für einen Dialogprozess mit der Landwirtschaft, Umwelt-, Tierschutz- und Verbraucherverbänden sowie dem Lebensmitteleinzelhandel. Ein erster Schwerpunkt der Strategie ist die Zukunft der Schweinehaltung. Ziel sind tierwohlgerechtere Ställe mit Außenklima, mehr Platz, mehr Licht und mehr Beschäftigungsmöglichkeiten. Umweltbeeinträchtigungen müssen dabei für konsequenten Klimaschutz so gering wie möglich gehalten werden. Sukzessiv soll der Prozess auf andere Nutztierarten ausgeweitet werden.
Landwirtschaftsministerin Heinen-Esser: „Eine tier- und umweltgerechte Schweinehaltung ist nicht nur das Ziel der Landesregierung, sondern auch der Tierhalterinnen und Tierhalter. Fehlende Planungssicherheit und ungünstige Rahmenbedingungen hemmen die positive Fortentwicklung. Mit unserer Nutztierstrategie wollen wir zukunftsfähige Tierhaltung ermöglichen und dazu auch die erforderlichen ökonomischen Rahmenbedingungen entwickeln.“
Das Landwirtschaftsministerium entwickelt außerdem eine Tiergesundheitsdatenbank. Dieses Informationssystem soll vorhandene Daten aus der Überwachung sowie Informationen zu Schlachtbefunden zusammenführen und als Frühwarnsystem zur Verbesserung der Tiergesundheit dienen. „Das Informationssystem soll ermöglichen, jederzeit und aktuell ein umfassendes Bild über die Tiergesundheit der Nutztiere in Nordrhein-Westfalen zu erhalten. Das dient nicht nur der amtlichen Überwachung: Auch die Tierhalterinnen und Tierhalter sollen sich mit Hilfe dieser Daten frühzeitig über mögliche Fehlentwicklungen informieren können und die Risikobeurteilung der Behörden über ihren Betrieb kennen“, erklärte Ministerin Heinen-Esser.
Erste Station der Sommertour war die Lehr- und Forschungsstation Frankenforst der Universität Bonn
Die Infrastruktur des Außenlabors ist auf Grundlagenforschung auf den Gebieten Tierzüchtung, Biotechnik, Tierhaltung, Verhaltensforschung, Tierernährung und deren praktischer Anwendung in der Tierproduktion ausgerichtet. Ministerin Heinen-Esser: „Wissenschaftlich fundierte Kriterien sind unverzichtbar für die zukunftsfeste Ausrichtung der Nutztierhaltung und dienen uns als Leitfaden.“
Prof. Dr. Karl-Heinz Südekum, geschäftsführender Direktor des Instituts für Tierwissenschaften an der Uni Bonn, stellte Ministerin Heinen-Esser die Arbeit auf Frankenforst vor: „Wir freuen uns sehr über die Würdigung der kontinuierlichen und langfristigen Forschung am Nutztier auf der Lehr- und Forschungsstation Frankenforst der Universität Bonn. Mit einem einzigartigen Methoden-Mix verfolgen wir in einem interdisziplinären Team innovative Forschungsansätze – von erkenntnisgetriebener Grundlagenforschung bis zu praxisreifen Anwendungen. Im Zentrum stehen dabei tiergerechte und ressourcenschonende Haltungsverfahren bei Hühnergeflügel, Schwein und Rind, mit denen auch ein Beitrag zu einer zukunftsfähigen, gesellschaftlich akzeptierten Erzeugung von Lebensmitteln tierischer Herkunft geleistet wird.“ Die Landwirtschaftsministerin informierte sich unter anderem über die Stabilisierung der Gesundheit von Milchkühen durch alternatives Melken und Versuche zur Geflügelhaltung. Auf Frankenforst konnten Bruteier der englischen Zweinutzungshuhn-Rasse Ixworth ausgebrütet werden. Zweinutzungshühner sollen sowohl Fleisch als auch Eier liefern und stellen neben der Geschlechtsbestimmung im Ei insbesondere für die Direktvermarktung oder den Ökolandbau eine mögliche Alternative zur Tötung von männlichen Küken dar. In einem Praxistext soll nun ermittelt werden, wie viele Eier die Hennen legen und wie gut die Söhne mästbar sind.
„Dieser Versuch ist ein wichtiger Baustein der zukunftsorientierten Nutztierhaltung. Es ist inakzeptabel, dass jedes Jahr 45 Millionen männliche Küken in Deutschland getötet werden. Daher wird mein Ministerium den Versuch der Uni Bonn finanziell fördern“, erklärte Ministerin Heinen-Esser.
An der zweiten Station machte Staatssekretär Dr. Heinrich Bottermann Halt beim Schweinemastbetrieb Pötterhof der Familie Steffens in Brüggen. Hier werden in Außenklimaställen mit Stroheinstreu und Auslauf über 1.500 Tiere gehalten, deren Schwänze nicht kupiert werden. Die Vermarktung des Fleisches erfolgt in Zusammenarbeit mit Metzgereien, Hofläden und größeren Supermarktfilialen in der Region.
„Auf dem Pötterhof ist die Familie Steffens vorangegangen und betreibt eine Schweinehaltung, die unserem Leitbild einer nachhaltigen Tierhaltung gerecht wird. Ob zukünftig alle Schweine so gehalten werden können, ist allerdings offen. Hier wird der Konflikt zwischen Tierwohl und Vorgaben des Umweltrechts sichtbar, denn artgerechtere Haltung bedeutet in der Regel auch mehr Emissionen, die nicht in die Atmosphäre gelangen sollen. Mit unserer Projektgruppe Nutztierstrategie wollen wir hierfür Lösungen finden“, sagte der Staatssekretär bei seinem Besuch in Brüggen.