Trockenheit bedeutet für Pflanzen eine Gratwanderung: Sie müssen sich abschotten, um nicht zu viel Wasser zu verlieren, bekommen dann aber kaum Kohlendioxid ab. Ein Sensor-Netzwerk sorgt hier für die richtige Balance. Bei Wassermangel können Pflanzen mit verschließbaren Poren verhindern, dass aus ihren Blättern zu viel Wasser entweicht. So überstehen sie selbst längere Dürreperioden. Allerdings können sie nicht besonders viel Kohlendioxid aufnehmen, wenn die Poren überwiegend geschlossen sind – das beeinträchtigt ihre Photosynthese-Leistung und damit das Wachstum und den Ertrag. Bei Trockenheit zwischen Verdursten und Verhungern zu navigieren: Das schaffen Pflanzen mit einem ausgefeilten Netz von Sensoren. Ein internationales Team von Pflanzenwissenschaftlern um den Biophysiker Rainer Hedrich von der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg hat diese Sensoren jetzt ausfindig gemacht.
Ist genügend Licht da, öffnen Pflanzen die Poren in ihren Blättern, um Kohlendioxid (CO2) aufzunehmen, das sie dann mittels Photosynthese in Kohlenhydrate umwandeln. Gleichzeitig entweicht durch die Mikroventile etwa hundertmal mehr Wasser als Kohlendioxid nach innen strömt. Bei guter Wasserversorgung ist das kein Problem. Wenn aber, wie im Hochsommer, der Boden austrocknet, heißt es „Wasser sparen“. Die Pflanzen öffnen ihre Poren dann nur solange für die Photosynthese, wie es zum Überleben gerade notwendig ist. Das Öffnen und Schließen der Poren übernehmen dabei spezialisierte Schließzellen, die jede Pore paarweise umgeben. Die Einheiten aus Poren und Schließzellen werden als Stomata bezeichnet.
Schließzellen haben Sensoren für CO2 und ABA
Die Schließzellen müssen die Photosynthese und die Wasserversorgung messen können, um passend auf die jeweilige Umweltbedingung zu reagieren. Das tun sie zum einen mit Rezeptoren für die CO2-Konzentration, die im Blatt herrscht. Steigt der CO2-Wert stark an, ist das ein Zeichen dafür, dass die Photosynthese nicht optimal läuft. Dann werden die Poren geschlossen, um nicht unnötig Wasser zu verdunsten. Fällt der CO2-Spiegel ab, öffnen sich die Poren wieder. Die Wasserversorgung wird über ein Hormon gemessen. Bei Wassermangel bilden Pflanzen das Welkehormon Abscisinsäure (ABA) und versetzen ihren CO2-Regelkreis in den Wassersparmodus. Das läuft ebenfalls über die Schließzellen, die auch Rezeptoren für ABA haben. Steigt die Hormonkonzentration im Blatt an, gehen die Poren zu.
Das CO2-ABA-Netzwerk wird analysiert
Das Forschungsteam um Professor Hedrich wollte den Komponenten der Schließzell-Regelkreise auf die Spur kommen. Dazu wurden Arabidopsis-Pflanzen erhöhten Konzentrationen von CO2 oder ABA ausgesetzt. Das geschah über mehrere Stunden, um Reaktionen auf Ebene der Gene auszulösen. Danach wurden die Stomata aus den Blättern isoliert und die jeweiligen Genexpressionsprofile der Schließzellen mit Methoden der Bioinformatik analysiert. Für diese Aufgabe gab es Unterstützung durch die JMU-Bioinformatiker Dr. Tobias Müller und Dr. Marcus Dietrich.
Die beiden Experten stellten fest, dass sich die Muster der Genexpression unter hohen CO2- oder ABA-Konzentrationen stark voneinander unterscheiden. Ihnen fiel außerdem auf, dass sich bei viel CO2 auch die Expression von einigen ABA-Genen änderte. Das veranlasste das Forschungsteam, den ABA-Signalweg genauer unter die Lupe zu nehmen. Das besondere Interesse galt dabei den ABA-Rezeptoren der PYR/PYL-Familie (Pyrabactin-Receptor und Pyrabactin-like). Davon gibt es in Arabidopsis 14, sechs davon exprimieren in den Schließzellen.
Die ABA-Rezeptoren im Fokus
„Warum braucht eine Schließzelle gleich sechs Rezeptoren für ein einziges Hormon? Zur Beantwortung dieser Frage haben wir uns mit dem ABA-Rezeptorexperten Professor Pedro Luis Rodriguez von der Universität Madrid zusammengeschlossen“, so Hedrich. Rodriguez‘ Team erzeugte Arabidopsis-Varianten, in denen sich die ABA-Rezeptoren einzeln studieren ließen. „Auf diese Weise konnten wir jedem der sechs ABA-Rezeptoren eine Zuständigkeit im Netzwerk zuordnen und einzelne Rezeptoren identifizieren, die für den ABA- und CO2-induzierten Stomaschluss zuständig sind“, erklärt Hedrichs Kollege Dr. Peter Ache.
Schließzellen rechnen mit ABA als Währung
„Aus den Ergebnissen folgern wir, dass die Schließzelle die aktuelle photosynthetische CO2-Fixierungsleistung mit dem Zustand des Wasserhaushalts über ABA als Währung verrechnet“, so Hedrich. „Wir nehmen an, dass bei guter Wasserversorgung die ABA-Rezeptoren den Basishormongehalt quasi als ‚stressfrei‘ bewerten und die Stomata für die CO2-Versorgung offenhalten. Bei Dürre erkennen die Trockenstress-Rezeptoren den erhöhten ABA-Gehalt und versetzen dann die Schließzellen in den Stomaschlussmodus, um das Verdursten zu verhindern.“