Wie Pflanzen sich zwischen Wachstum und Verteidigung entscheiden

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Um zu überleben, müssen Pflanzen jeden Tag erneut einen Kompromiss zwischen Wachstum und Verteidigung finden. Sie benötigen beide Funktionen, um sich erfolgreich zu vermehren. Jedoch können die meisten Pflanzen nicht beides gleichzeitig tun. Die Mechanismen dieses ungewöhnlichen Arrangements lagen lange Zeit im Dunkeln und es wurde vermutet, dass die Limitierung von Energie die Abwägung zwischen Wachstum und Verteidigung, den sogenannten „growth-defense trade-off“, verursacht.

Wachsen oder wehren – eine Entscheidung, welche Pflanzen täglich fällen müssen, da sie nicht in der Lage sind, beides gleichzeitig zu tun. Lange wurde vermutet, dass der Grund des sogenannten „Growth-defense trade-off“ eine Frage der verfügbaren Energieressourcen ist. So könnte eine Pflanze, welche sich gegen Pathogene verteidigen muss, einfach ungenügend Energie übrighaben, um gleichzeitig noch zu wachsen – und umgekehrt. Eine kürzlich im Fachmagazin „Cell Reports“ erschienene Studie zeigt nun, dass der eigentliche Grund eine Inkompatibilität zwischen den molekularen Signalwegen, welche Wachstum und Abwehr regulieren, ist.

 

Zusätzlich zum „growth-defense trade-off“ benötigen Wachstum und Abwehr scheinbar widersprüchliche Grundbedingungen. Um zu wachsen, müssen die Zellwände aufgelockert werden. Nur so haben die Zellen genug Platz, um sich zu vergrößern. Um sich zu verteidigen, müssen Pflanzen jedoch oft ihre Zellwände verstärken. So bilden die Zellen eine solidere Barriere, welche schwerer von Pathogenen durchdrungen werden kann. In ihrer Veröffentlichung zeigen die Wissenschaftler, dass der Transkriptionsfaktor HBl1 (Homolog of Bee2 Interacting with lBH 1) beide Vorgänge in Pflanzen kontrolliert.

Durch die differenzierte Expression von NADPH Oxidasen (NOXs) und Peroxidasen (POXs), reguliert HBl1 die ROS-Homöostase im Apoplast (der Raum zwischen den Zellwänden). Wenn eine Pflanze wachsen muss, ist HBl1 aktiv und stellt den apoplastischen ROS-Gehalt so ein, dass spezifische NOX-Gene aktiviert und spezifische POX-Gene unterdrückt werden – somit wird der Wachstumsvorgang unterstützt. Wenn Pathogene angreifen, wird HBl1 deaktiviert. Das löst einen Anstieg des apoplastischen ROS-Gehalts aus, da ein NOX-Gen und mehrere POX-Gene aktiviert werden, wodurch das Wachstum unterdrückt und eine erhöhte Krankheitsresistenz bewirkt werden.

Aufgrund der widersprüchlichen Natur der zwei Vorgänge – beide werden vom selben Transkriptionsfaktor reguliert, benötigen jedoch gegensätzliche ROS-Gehalte – konnten die Forscher belegen, dass der „growth-defense trade-off“ an der Inkompatibilität der Signalwege liegt und nicht an den begrenzten Energieressourcen.

Dr. Schippers Forschungsgruppe „Samenentwicklung” am IPK wird weiterhin die verschiedenen Signalwege in Pflanzensamen erforschen. Dr. Schippers: „Nach dem gegenwärtigen Stand gibt es über 70 Peroxidasen und 10 NADPH Oxidasen in Pflanzen und wir wissen nicht, was sie alle tun. Ich finde, sie sind von besonderem Interesse, da Peroxidasen und Oxidasen ähnlich in Pflanzen und Tieren wirken. Das deutet darauf hin, dass ihre Funktionsweise evolutionär betrachtet deutlich älter ist, als die einer hormonellen Steuerung. Die hormonellen Signalwege haben sich in Pflanzen und Tieren unterschiedlich entwickelt. Unser Ziel ist es, all diese verschiedenen Signalwege auf der Zellebene zu entwirren. So werden wir hoffentlich eines Tages all ihre Regulierungs- und Funktionsweisen bei der pflanzlichen Samenentwicklung entschlüsseln.“

Das Projekt, welches vor vier Jahren als Bachelor Thesis begann, wurde in Aachen durchgeführt. Aufgrund des Umzugs des Gruppenleiters, Dr. Schipper, an das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben, wurde die Arbeit teilweise am Gaterslebener Institut ausgewertet und zu Papier gebracht. Dr. Schippers teilte uns mit: „Dank der neuen Erkenntnisse fangen wir langsam an, die Mechanismen hinter dem „growth-defense trade-off“ zu verstehen. Dieses Verständnis ist dringend erforderlich, wenn wir die Produktion pflanzlicher Biomasse verbessern wollen, ohne das Risiko einzugehen, die Abwehrfähigkeit gegenüber Pathogenen zu verlieren.“