Chronische Unterfinanzierung, Personalengpässe, Unterauslastung von Infrastrukturen und Lücken in der Nahversorgung: Der demographische Wandel beeinträchtigt die Lebensqualität in vielen ländlichen Regionen. Eine verstärkte Zusammenarbeit von Kommunen kann dazu beitragen, Infrastrukturen der Daseinsvorsorge aufrecht zu erhalten und damit Lebensqualität zu sichern. Ein Forschungsteam entwickelte nun einen Leitfaden für Kommunen, der zeigt, wie verstärkte Kooperation zu einem nachhaltigen regionalen Management der Daseinsvorsorge beitragen kann. Er entstand unter Leitung des ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung – in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsprojekts „LebensWert“. Wenn die Bevölkerung altert, die Jüngeren wegziehen und Wohnungsleerstand das Gesicht einer Gemeinde ebenso prägen wie fehlende Einkaufsmöglichkeiten und Arbeitsplätze vor Ort, dann sinkt die Lebensqualität. Kommunen geraten unter Druck, denn die Sicherung der Daseinsvorsorge wird zur Herausforderung. Zur Daseinsvorsorge gehören grundlegende Leistungen für das Gemeinwesen.
Daseinsvorsorge ist auch eine angemessene Versorgung mit Wohnraum und Einkaufsmöglichkeiten
Diese sollten einen gleichberechtigten Zugang ermöglichen, akzeptable Preise haben und kontinuierlich und gleichbleibend in Qualität und Umfang in den folgenden Sektoren erbracht werden: Energie, Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung, Gesundheit, Pflege, Bildung, Jugend- und Altenhilfe. Die Daseinsvorsorge umfasst auch eine angemessene Versorgung mit Wohnraum und Einkaufsmöglichkeiten. Um all diese notwendigen Versorgungsleistungen weiterhin zu gewährleisten, empfiehlt das Forschungsteam, die Zusammenarbeit unter Kommunen auszubauen und zu intensivieren. In der Siedlungswasserwirtschaft kann zum Beispiel ein gemeinsam getragener Dienstleistungspool mit adäquater personeller wie technischer Ausstattung eine Antwort auf wasserwirtschaftliche Herausforderungen in Kommunen sein.
„Interkommunale Kooperation kann Akteure in kleinen Kommunen im Alltag in ihren vielfältigen praktischen Aufgaben der Daseinsvorsorge entlasten und so Freiräume und Anlässe für den Blick auf strategische Fragen schaffen,“ sagt Jutta Deffner vom ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung und Leiterin des Forschungsprojekts LebensWert. Denn häufig seien Entscheidungsträger*innen mit dringlichen Aufgaben im Alltagsgeschäft konfrontiert. „Momente, sich mit etwas Abstand den strategischen Zukunftsfragen der Gemeinde zu widmen, sind selten und wären aber wichtig, um die Kommunen in einer Region gemeinsam zukunftsfähig zu machen.“
Gemeinsam zukunftsfähig bleiben: Leitfaden für die kommunale Praxis
Dörfer und Kleinstädte wie im Werra-Meißner-Kreis kooperieren bereits heute miteinander, um die Auswirkungen des demographischen Wandels abzufedern und die Lebensqualität aufrechtzuerhalten und zu verbessern. „Wir haben im Rahmen des Forschungsprojekts „Lebenswert“, an dem die Stadt Eschwege und umliegende Gemeinden beteiligt waren, gesehen, wie groß das Potenzial zur Weiterentwicklung der regionalen Zusammenarbeit ist“, sagt Projektleiter Martin Zimmermann vom ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung.
Leitfaden für kooperatives Entwicklungsmanagement erstellt
Das Projektteam hat gemeinsam mit den Verantwortlichen in der Region Kooperationsmöglichkeiten in den Bereichen Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung, Wohnen und Nahraum untersucht und einen Leitfaden erstellt, der Wege für ein kooperatives Entwicklungsmanagement sowie entsprechende organisatorische Strukturen und konkrete Maßnahmen aufzeigt. Der neue Leitfaden bietet Kommunen eine umfassende Orientierung, wie bestehende Kooperationen vertieft, gestärkt und verstetigt werden können. Verantwortliche in Kommunen erhalten damit konkrete Anregungen und Hilfestellungen, wenn es zum Beispiel darum geht, Lösungen für Leerstandsimmobilien zu finden oder das Wohnungsangebot einer Kommune alters- und einkommensgerecht zu gestalten bzw. energetische Sanierungen im Wohnbereich umzusetzen. „Die Bereiche Wasser, Wohnen und Nahraum stehen beispielhaft für die Potenziale interkommunaler Zusammenarbeit“, sagt Difu-Wissenschaftler Jan Hendrik Trapp. Die möglichen Formate und Organisationsformen dafür reichen von Austauschforen und informellen Netzwerken über Zweckverbände und öffentliche Körperschaften bis hin zu privatrechtlichen Unternehmensformen.
Die Zusammenarbeit zwischen Kommunen ist ein wichtiger Baustein
Der Leitfaden hält für Kommunen viele Beispiele bereit, die zeigen, welche Organisationsform sich für welches Aufgabengebiet eignet und gibt Anregungen, die Kooperationen nicht nur aufgabenbezogen und sektoral anzulegen. Er zeigt auch Möglichkeiten auf, wie eine räumlich integrierte, handlungsfeldübergreifende kommunale Zusammenarbeit strukturiert und umgesetzt werden kann. „Eine Zusammenarbeit zwischen Kommunen, die die unterschiedlichen Handlungsfelder einschließt, ist ein wichtiger Baustein zur langfristigen Gewährleistung der Daseinsvorsorge. Denn so können Zukunftsthemen besser identifiziert und die regionale Entwicklung insgesamt in den Blick genommen werden,“ so Difu-Wissenschaftler Jan Hendrik Trapp.