Welche Veränderungen verursacht der Klimawandel in den Naturschutzgebieten der Erde? Das haben die Forscher Severin Irl (Goethe-Universität Frankfurt), Samuel Hoffmann und Carl Beierkuhnlein (beide Universität Bayreuth) gemeinsam untersucht. Die Autoren geben darin Denkanstöße für die Umweltpolitik und das Management von Schutzgebieten.
Für fast 140.000 terrestrische Schutzgebiete – das sind 99% der Schutzgebiete an Land – wurden detaillierte Klimaprognosen berechnet. Besonders signifikante Klimaänderungen sind demnach in gemäßigten Zonen oder in polaren Zonen auf der Nordhalbkugel zu erwarten. Sie sind relativ klein, bieten räumlich wenig abwechslungsreiche Umweltbedingungen und liegen nicht sehr hoch. Sie sind durch Eingriffe durch den Menschen bedroht und haben hinsichtlich ihrer Pflanzen- und Tierwelt viel mit anderen Schutzgebieten gemeinsam. Um möglichst belastbare Prognosen zu erzielen, haben die Autoren der neuen Studie mit zehn verschiedenen Klimamodellen gearbeitet. Zugleich wurde in allen Berechnungen zwischen lokalen, regionalen und globalen Klimaänderungen unterschieden.
Veränderungen in den Schutzgebieten
Die modelgestützten Klimaprognosen helfen zu untersuchen, welche Schutzgebiete in welchem Maße zum Schutz und Erhalt der globalen Biodiversität beitragen. Wenn der Klimawandel aber dafür sorgt, dass sich die Lebensräume und deren Bedingungen für die Tiere und Pflanzen ändert, dann sind die Schutzgebiete möglicherweise nicht mehr in der Lage, ihr Aufgabe in vollem Umfang zu erfüllen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass viele Arten auf andere Gebiete, möglicherweise sogar außerhalb der Schutzgebiete, ausweichen werden. Dort stehen sie aber nicht mehr unter dem rechtlichen Schutz, der innerhalb von Schutzgebieten gegeben sind, sondern sind viel stärker dem Einfluss des Menschen ausgesetzt.
„Mit unseren Berechnungen wollen wir einen Anstoß dafür geben, die Folgen des Klimawandels künftig systematisch in das Management von Schutzgebieten einzubeziehen. Wenn sich die klimatischen Verhältnisse ändern, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass bestehende Schutzgebiete aufgegeben und andere Regionen neu als Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen. Aber intensiver als bisher sollte gerade auch in Europa darüber nachgedacht werden, was die vorhandenen Schutzgebiete künftig zur Bewahrung der Artenvielfalt leisten können und sollen. Unsere neuen Berechnungen bieten hierfür wissenschaftliche Anhaltspunkte. Sie sind damit eine Grundlage für ein proaktives Biodiversitäts-Management. Die neue Studie zeigt, dass Big-Data-Technologien mittlerweile auch in der Umweltforschung unverzichtbar sind“, sagt der Erstautor der Studie Samuel Hoffmann M.Sc., Doktorand an der Universität Bayreuth.
Prof. Dr. Severin Irl vom Institut für Physische Geographie der Goethe Universität weist ausdrücklich darauf hin, dass „Schutzgebiete nicht als losgelöste Einzeleinheiten zu sehen sind, sondern sie sollten noch mehr als bisher in ihrem wechselseitigen Zusammenhang betrachtet werden.“ Dabei gelte die Faustregel, dass sowohl weiträumig angelegte Schutzgebiete als auch Gebiete mit sehr unterschiedlichen Lebensbedingungen für den Erhalt der Biodiversität besonders vorteilhaft sind. Dies biete Arten in einer sich verändernden Welt die Möglichkeit, in günstigere Gebiete innerhalb eines Schutzgebiets zu wandern. Daher sei es unter Umständen von Vorteil, dass mehrere, kleinere Schutzgebiete zu größeren Verbünden zusammengeschlossen werden.