Welche Faktoren führen dazu, dass Insekten Phytoplasmen übertragen, also jene zellwandlosen Bakterien, die zahlreiche Pflanzenkrankheiten wie etwa den Besenwuchs verursachen? Das ist Thema eines dreijährigen Forschungsprojektes, das als erstes gemeinsam finanziertes Projekt der Autonomen Provinz Bozen und des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF von der Freien Universität Bozen und der Universität für Bodenkultur in Wien durchgeführt wird. Kollaborationspartner sind das Versuchszentrum Laimburg, das Landwirtschaftsinstitut von San Michele sowie die Universität Turin.
Joint Project von unibz und BOKU Wien
Seit einiger Zeit ist sie wieder aus den Schlagzeilen verschwunden. Doch in zwei großen Wellen führte die Apfeltriebsucht, besser bekannt unter dem Namen Besenwuchs, Ende der Neunzigerjahre und in der Mitte der Nullerjahre zur Rodung von Millionen von Apfelbäumen. Ein dreijähriges Forschungsprojekt der Freien Universität Bozen und der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien eröffnet nun neue Möglichkeiten bei der Bekämpfung dieser bedrohlichen Pflanzenkrankheit. Ziel der Forschenden ist es, neue Einblicke in die komplexe Biologie der Übertragung von Phytoplasmen zu erhalten. „Zur Übertragung dieser Bakterien gibt es gerade bei der Apfeltriebsucht noch zahlreiche offene Fragen“, sagt Hannes Schuler, Forscher an der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik und Leiter des länderübergreifenden Forschungsprojekts auf Seiten der unibz. „So ist beispielsweise bis heute nicht vollständig geklärt, ob der Weissdornblattsauger, eine der beiden Insektenspezies, die für die Übertragung von Besenwuchs verantwortlich gemacht werden, tatsächlich Vektor, also Überträger, dieser Pflanzenkrankheit ist.“ Im Nordwesten Italiens sei dies zwar mittlerweile wissenschaftlich belegt. „Gleichzeitig gibt es aber Studien aus Deutschland, die nachweisen, dass der Weissdornblattsauger ein schlechter Überträger ist“, so Schuler. Deshalb liege nahe, dass es bei der Übertragungseffizienz von Phytoplasmen regionale Unterschiede gibt.
Welcher Faktor diese Unterschiede beeinflusst, ist derzeit jedoch unklar
Solche und andere Fragen will das länderübergreifende Forschungsteam in den kommenden drei Jahren mit Hilfe populationsgenetischer Methoden klären. Dazu wird einerseits das Genom verschiedener Insektenpopulationen sequenziert und charakterisiert. „Gleichzeitig werden wir aber auch die Genome unterschiedlicher Bakterien sequenzieren, die mit dem Insekt assoziiert sind“, sagt Schuler. Denn diese könnten eine entscheidende Rolle spielen, die Aufnahme und Übertragung von Phytoplasmen zu hemmen. „Zudem werden wir auch Phytoplasmen aus den unterschiedlichen Regionen genetisch charakterisieren, um zu verstehen, ob Veränderungen in deren Erbgut die Übertragung beeinflussen.“ In einer experimentellen Phase wollen die Wissenschaftler schließlich Insekten aus unterschiedlichen geographischen Regionen auf Phytoplasma-infizierten Bäumen aussetzen. So soll getestet werden, welche Tiere in der Lage sind, Phytoplasmen aufzunehmen und auf gesunde Pflanzen zu übertragen. „Ziel ist es, herauszufinden, ob die Übertragung von Phytoplasmen vom Genotyp des Insekts, seinen Bakterien oder vom Phytoplasma-Stamm abhängt“, so Hannes Schuler.
Möglich wurde das Projekt dank eines Abkommens, das die Autonome Provinz Bozen mit dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), Österreichs zentraler Einrichtung zur Förderung der Grundlagenforschung, abgeschlossen hat. Demnach können die Provinz und der FWF sogenannte Joint Projects, also internationale Kooperationsprojekte zwischen Österreich und Südtirol, gemeinsam fördern. Voraussetzung dafür ist eine hohe wissenschaftliche Qualität der Projekte auf internationalem Niveau. Dies zu gewährleisten ist Aufgabe des FWF, der alle Anträge von internationalen Experten bewerten lässt. „Es ist sicherlich eine Auszeichnung für die unibz, dass unser Projekt als exzellent evaluiert wurde“, freut sich Hannes Schuler. Insgesamt stehen dem österreichisch-Südtiroler Forschungsteam für die kommenden drei Jahre fast 600.000 Euro zur Verfügung, die je zur Hälfte von der Provinz Bozen und dem FWF zur Verfügung gestellt werden. Als wissenschaftliche Kollaborationspartner konnten dagegen das Versuchszentrum Laimburg, das Landwirtschaftsinstitut der Fondazione Edmund Mach in San Michele sowie die Universität Turin gewonnen werden.