Gesunde Luft im Bienenstock?

50 verschiedene Substanzen konnten die Forscher der TU Dresden bislang in der Bienenstockluft identifizieren, der heilende Kräfte zugeschrieben werden.

red. Chemiker der TU Dresden haben die chemische Grundlage der Bienenstocklufttherapie untersucht:  Honig und Propolis sind seit Jahrtausenden für ihre heilende Wirkung bekannt – aber auch die Bienenstockluft? In den letzten Jahren wird vielfach über das therapeutische Potenzial der Luft aus dem Bienenstock für Bronchitis- und Asthmapatienten berichtet; auch soll die Bienenstockluft bei Migräne, Infektanfälligkeit, Neurodermitis, Depressionen und weiteren Beschwerden positiv wirken. Bisher liegen allerdings nur Erfahrungsberichte einzelner Patienten vor, auch Angaben zur chemischen Zusammensetzung der Bienenstockluft waren noch nicht verfügbar. Daher stand nun die Stockluft im Mittelpunkt einer wissenschaftlichen Studie durch Forscher der TU Dresden: Professor Karl Speer, DLC Kristin Recklies sowie Diplomandin Franziska Kuhn von der Fakultät Chemie und Lebensmittelchemie.

 

Bei der Bienenstocklufttherapie inhaliert der Patient, der neben dem Bienenstock entweder im Freien oder in einem kleinen Holzhaus sitzt, die rund 35 Grad warme, sehr feuchte Luft des Bienenstocks, die die Bienen mit ihren Flügelschlägen umwälzen. Das Atmen erfolgt über eine Inhalationsmaske mit angeschlossenem Schlauch, wobei die Luft über einen Ventilator aus dem Stock transportiert wird. Durch einen eingebauten Filter können weder Bienen noch Pollen in den Schlauch gelangen. Saison ist von Mai bis September bei einer Außentemperatur von mindestens 18 Grad. „Es ist noch ungeklärt, inwieweit die eigentliche Therapie oder die Umgebung dem Patienten gut tun“, erläutert Prof. Speer. „Wie viel positiven Einfluss die Ruhe und Ausgeglichenheit auf dem Land haben, wo die Therapie stattfindet, oder das ruhige Einatmen – und welchen Anteil die Inhaltsstoffe der Bienenstockluft selbst zur Therapie beisteuern, bedarf noch eingehender Untersuchungen.“

 

In ihrer Studie entnahmen die Chemiker der TU Dresden Luftproben aus den Bienenstöcken und analysierten deren Zusammensetzung mit der Gaschromatographie-Massenspektrometrie: Dadurch gelingt die Auftrennung eines aus vielen Komponenten bestehenden Gemisches in einzelne Substanzen und zudem die Zuordnung zu Verbindungen definierter Struktur. Jeweils ein Bienenstock in Dresden und einer im Forstbotanischen Garten in Tharandt wurden so vorbereitet, dass ein Fremdeintrag von Aromastoffen durch die eingesetzten Materialen ausgeschlossen werden konnte. Deshalb wurden geruchsloses Teflon und Kupfer für Schläuche und Gehäuse der Messinstrumente verwendet. „Es muss das gemessen werden, was wirklich im Bienenstock enthalten ist, die reinen, natürlichen Komponenten“, betont Prof. Speer. „Die Imker Tino Lorz und Lisa Becker vom Imkerverein Dresden haben uns mit ihren Erfahrungen sehr unterstützt, so dass wir die Luft zuverlässig messen können, ohne die Bienen zu stören.“ Als Kontrollproben verwendeten die Wissenschaftler die Umgebungsluft um den Bienenstock.

 

Die Entnahme der Bienenstockluft aus dem Stock war eine Schwierigkeit: Wie entnimmt man die Luft gleichmäßig, in welchen Mengen und vor allem wie kommt die entnommene Luft vollständig in das Analysegerät? Da keine Studien zur Bienenstockluft vorhanden waren, musste die Luftprobenahme und -überführung zunächst in mühevollen Vorarbeiten optimiert werden. An der Authentifizierung von Sortenhonigen arbeitet Prof. Speer sehr erfolgreich seit Mitte der 80er Jahre, doch Bienenstockluft ist auch für ihn ein neues Thema, mit dem er sich erst seit etwas mehr als einem Jahr beschäftigt. Dennoch gelang es Prof. Speer und seinem Team, trotz der insgesamt geringen Menge an Substanzen in der Bienenstockluft schon über 50 verschiedene Inhaltsstoffe zu identifizieren. Zudem war es ihnen möglich − durch vergleichende Untersuchungen − aufzuzeigen, dass die Verbindungen in der Bienenstockluft überwiegend aus dem Bienenharz („Propolis“) und dem Bienenwachs stammen, während der in den Waben eingelagerte Honig, wie eigentlich erwartet, nur einen geringen Beitrag zur Stockluft liefert.

 

In weiteren Studien sollen nun die Verbindungen genau quantifiziert und außerdem verschiedene in der Stocklufttherapie eingesetzte Geräte, die unterschiedlich konstruiert sind, in Hinblick auf die dem Patienten zugeführte Luft verglichen werden.