Naturschutzforschung in der Praxis anwenden

Einheimische Takana Kaimanjäger wiegen ihre Fänge zusammen mit Biologen der Wildlife Conservation Society im Rahmen eines partizipativen Monitoring-Projekts. (© Anne Toomey)

Eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht, viele davon bereits in den nächsten Jahrzehnten. Das sind mehr als jemals zuvor gemessen. Dieser beispiellose Verlust der Artenvielfalt gefährdet wertvolle Ökosysteme und das menschliche Wohlergehen. Doch was hindert uns daran, Erkenntnisse aus der Naturschutzforschung in die Praxis umzusetzen?  Ein Team um Bea Maas von der Universität Wien zeigt im Leitartikel, warum fachübergreifende Zusammenarbeit entscheidend für den Schutz der globalen Artenvielfalt ist. Die Weltbevölkerung wächst – und mit ihr der Ressourcenbedarf. Das verlangt nach konsequenten Handlungen zum Schutz der Artenvielfalt.

„Das rasante Aussterben zahlreicher Tier- und Pflanzenarten bedroht das natürliche Gleichgewicht unserer Umwelt sowie wertvolle Ressourcen und Leistungen, von denen unser Wohlergehen abhängt,“ sagt Bea Maas vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung.

Trotz umfassender wissenschaftlicher Belege und Lösungsansätze mangelt es häufig an der praktischen Umsetzung. „Es besteht ein Missverständnis unter vielen Wissenschaftlern, dass wir Probleme lösen wenn wir nur genügend Beweise schaffen und in die Hände der politischen Entscheidungsträger legen“, sagt die Co-Autorin und Mitherausgeberin Anne Toomey von der amerikanischen Pace University. „Wir wissen jedoch aus der Verhaltensforschung, dass die Umsetzung von Forschung in die Praxis nicht ganz so einfach ist.“

Mehr als Fachwissen

Eine aktuelle Sammlung von 14 Artikeln in der Zeitschrift Biological Conservation thematisiert dieses ungenutzte Potential von Fachwissen und Forschung. Über 90 AutorInnen haben zur Publikation beigetragen und zeigen, welche Herausforderungen in der Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen bestehen. Auch Lösungsansätze werden vorgestellt:

Die Zusammenarbeit von Parkwächtern und Wissenschaftern fördert praktischen Naturschutz, wie hier im Madidi-Nationalpark in Bolivien, wo gemeinsam Daten erhoben werden. (© Marcos Uzquiano)

„Die Arbeiten zeigen, dass WissenschaftlerInnen sich auf einen fachübergreifenden Wandel im Naturschutz vorbereiten und sich über die Vorteile für zukünftige Forschung und Praxis einig sind. Sie machen aber auch deutlich, dass dafür mehr Berücksichtigung von Forschungsergebnissen, Unterstützung und Finanzierung nötig sind“, betont der Co-Autor und Mitherausgeber Rafael Loyola von der Brasilianischen Stiftung für nachhaltige Entwicklung und der Bundesuniversität Goiás.

Bei Naturschutzprojekten sollte in eine transparente und weitreichende Kommunikation erfolgen, um die bessere Nutzung von Expertenwissen zu fördern. (© Bea Maas)

In ihrem Artikel gehen Maas, Toomey und Loyola drei zentralen Fragen auf den Grund: Setzen wir derzeit die richtigen Prioritäten in der Naturschutzwissenschaft? Dokumentieren und lernen wir aus unseren Fehlern und Misserfolgen? Und: Wie können wir verschiedene Perspektiven bei unseren Entscheidungen besser berücksichtigen?

Bessere Zusammenarbeit von Wissenschaft, Politik und Praxis

Die Publikation beschäftigt sich mit diesen Fragen aus verschiedenen Blickwinkeln. Sie beinhaltet drei globale Übersichtsarbeiten zur Rolle von Umweltbildung, Technologieanwendungen und Fehlerdokumentation im Naturschutz, sowie Fallstudien und Perspektiven zu Themen wie Datennutzung, Kostenplanung, Erfahrungsanalysen und dem Einfluss unterschiedlicher Regierungssysteme auf den Schutz von Artenvielfalt und Natur. Einfache Antworten sind laut Maas und den Co-Autoren nicht zu finden. In einem Punkt sind sich die Forscheren jedoch einig, wie Maas betont: „Naturschutzforscher müssen lernen, die Räume zwischen Forschung und Umsetzung besser zu navigieren. Der Schlüssel dazu liegt in einer zeitnahen und verbesserten Zusammenarbeit zwischen naturschutzrelevanter Wissenschaft, Politik und Praxis“.