Zu Besuch in Ostenfelde: „Heimat ist ja nicht nur was für Weißhaarige!“

Die Heimatstuben in Ostenfelde Foto: K. Senger

Als die Tür zum Hinterhof aufging, war mir schlagartig klar: Hier ist irgendetwas ganz anders. Sportgeräte und ein Spielplatz – frische Luft und Kinderlachen. Als der Vorsitzende des Heimatvereines, Klemens Senger, meine Verblüffung bemerkte, kommentierte er: „Heimat ist ja nicht nur was für Weißhaarige!“

Man wolle hier in Ostenfelde den Jugendlichen ein Zuhause geben, besonders jenen, die sich nicht für Fußball oder eine andere Sportart interessieren, sondern Interesse an ihrer Heimat, sei es auch Wahl-heimat, hätten. Und dies sei mittlerweile hervorragend gelungen. „Wir haben heute über 200 Mitglieder. Und in der Mitgliederstruktur fehlen uns Menschen im mittleren Alter, ganz anders ist die Sache bei den ganz Jungen. Unsere Jugendarbeit ist erfolgreich, die Kinder machen mit und wir hoffen, dass sie dabeibleiben.“ Sagt Senger, sichtlich stolz auf seinen jungen Vereinsnachwuchs.  Aber wie funktioniert das eigentlich? Wie begeistert man Kinder für eine doch eher historische Sache?

Restaurationsarbeiten als praktische Heimatliebe

Klemens Senger und seine Mitstreiter lassen ihr Dorf und  seine Geschichte den Kindern auf Spaziergängen auch geschichtlich lebendig werden. Und Ostenfelde hat hier in der Tat einiges zu bieten, das prächtige Schloss Vornholz etwa, die historische Pfarrkirche St. Margaretha und die vom Heimatverein liebevoll renovierten Häuser in der Dorfmitte.

St. Margaretha Foto: Heimatverein

Jugendarbeit und Biodiversität

Aber damit nicht genug, mit der Jugendgruppe wird auch ganz praktisch gearbeitet zum Beispiel an Insektenhotels, die überall im Ort für mehr Biodiversität sorgen sollen. Die Mischung aus Basteln und kindliche Neugier wecken scheint hier in Ostenfelde zu funktionieren.

Die Walze der Gebietsreform

Das Dorf ist ein Ortsteil von Ennigerloh, hat etwa 2500 Einwohnern und liegt im Kreis Warendorf in Nordrhein-Westfalen. Ostenfelde, das unter diesem Namen seit etwa dem Jahr 1600 existiert. Zuvor hatte die Gemeinde den Namen Astanfelda, was soviel bedeutet wie „Feld im Osten“ und geht auf das Jahr 890 zurück. Die erste Kirche wurde zwischen 1022 – 32 gebaut. Der heutige Dorfkern selbst entstand um 1600. Heute wie damals ist der Ort sichtbar von der Landwirtschaft geprägt.  Die Eigenständigkeit des Dorfes endete am 1. Januar 1975. Der Ort wurde von der Gemeinde Ennigerloh geschluckt, genau wie die ehemals selbständigen Gemeinden Enniger und Westkirchen. Über die Bundesrepublik rollte die Walze der Gebietsreform.

Gemeindereform und Identität

Das Magazin „Der Spiegel“ titelte damals: „Gebietsreform: Alle Macht den Bürokraten: Zwei Drittel aller einst selbständigen Gemeinden werden bis Mai 1978 von der Landkarte verschwinden — angeblich der Wirtschaftlichkeit und Bürgernähe wegen. Kritiker befürchten Verteuerung und Verlust an Demokratie.“ Wie tief diese Wunde immer noch ist,  lässt sich deutlich an der Wiederbelebung der damals gültigen KFZ-Kennzeichen sehen. Im Spiegel war damals auch zu lesen: „Ebenso wie über Heimatgefühle haben sich die Territorial-Reformer in Hunderten von Fällen auch über Historisches hinweggesetzt.“[1] Diesen Identitätsverlust kann man auch in Ostenfelde immer noch spüren.

Ostenfeldes Haus Vornholz, Innenhof Foto: Begede – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=20566435

Geschichte in der eigenen Hand

Aber der Heimatverein hält wacker dagegen und nimmt die Geschichte selber in die Hand. Im Dorfarchiv des Vereins befindet sich eine umfangreiche Sammlung von Akten aus verschiedenen Zeitepochen. So gibt es dort Fotokopien von Abgabenregistern aus dem Kreis- bzw Staatsarchiv.

Haus Uhr-Middelmann Foto: K.Senger

Die Privatsammlung zusammengetragen hat Senger und damit der Geschichte der Häuser, Familien, Höfe, der Ostenfelder Burgen, Kapellen und Bildstöcke gesichert.

[1] https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40862566.html