Wann Pflanzen blühen

Insekten als Bestäuber sind auf ein vielfältiges Blütenangebot angewiesen, das über das Jahr verfügbar ist. Ein solcher Anblick ist in unserer Agrarlandschaft selten geworden. © Foto: Jens Mutke/Nees-Institut

Neues Puzzleteil zur Steuerung des Blühzeitpunkts gefunden: Neben Licht, Temperatur, Alter und Energiegehalt hat auch der Stickstoffgehalt im Boden Auswirkungen auf den Zeitpunkt der Blütenbildung. Die Regulation des Blühzeitpunktes bei Pflanzen ist ein komplexer Prozess, der von einer Reihe verschiedener äußerer und innerer Faktoren abhängig ist. Warum das so ist, wird sofort klar, wenn man daran denkt, was für die Pflanze auf dem Spiel steht. Die Blüte zur falschen Zeit kann dazu führen, dass keine Samen gebildet werden und damit die Vermehrung und Arterhaltung gefährdet sind.

Ein komplexes Netzwerk aus Lichtrezeptoren und anderen Proteinen überwacht kontinuierlich Umweltbedingungen wie Licht und Temperatur, um den perfekten Zeitpunkt für den Beginn der Blütenbildung zu finden. Vom Stickstoff, einer der Hauptnährstoffe der Pflanze für optimales Wachstum, ist seit längerem bekannt, dass er der Pflanze nicht nur als Nährstoff dient, sondern auch Einfluss auf verschiedene Entwicklungsprozesse hat u.a. auf den Zeitpunkt der Blütenbildung. Die Arbeitsgruppe um Dr. Vanessa Wahl vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie konnte in Kooperation mit Dr. Anne Krapp vom Institut National de la Recherche Agronomique (INRA) in Paris in einer im Fachjournal New Phytologist veröffentlichten Studie zeigen, wie Stickstoff an der Regulation des Blühzeitpunkts beteiligt ist.

Die Alpenmargerite am Berg Similaun in Italien. (© Stefan Dullinger)

Unsere Atmosphäre besteht zu 78% aus molekularem Stickstoff (N2), den die Pflanzen aber leider nicht nutzen können. Stattdessen nehmen sie den Stickstoff in Form von mineralischen Stickstoffverbindungen, wie Ammonium (NH4+) oder Nitrat (NO3-) über ihre Wurzeln aus dem Boden auf. Da in der Landwirtschaft durch die Ernte Stickstoff von den Flächen entfernt wird, muss dieser Stickstoff dem Boden in Form von Dünger wieder zugeführt werden, damit Pflanzen wachsen und gute Erträge erzielen. Wird der Fläche mehr Stickstoff zugeführt als die Pflanzen benötigen oder führen Umweltbedingungen wie Trockenheit dazu, dass der Stickstoff aus dem Boden nicht aufgenommen werden kann, verbleibt zu viel Stickstoff im Boden, der schließlich das Grundwasser belastet. Um solche Stickstoffausträge ins Grundwasser zu verhindern, ist einerseits eine sehr gute Düngeplanung notwendig, auf der anderen Seite können aber auch verbesserte Kenntnisse über die effektive Nutzung des Stickstoffs und dessen Einfluss auf den Lebenszyklus der Pflanzen dazu beitragen, die Situation zu verbessern.

Bei idealer Stickstoffversorgung (ON) blühen Pflanzen bereits sehr früh im Vergleich mit weniger Bodenstickstoff (LN) durch die Bildung des Blühzeitregulators SOC1 in der Sprossspitze (gelber Stern).V. Wahl/ New Phytologist

Ist der Stickstoff aufgenommen, wird er durch die Leitungsbahnen in alle Pflanzenorgane transportiert, wo er als Baustein für Aminosäuren benötigt wird, aus denen die Proteine aufgebaut werden. Außerdem ist er im grünen Blattfarbstoff, dem Chlorophyll enthalten, der für die Fotosynthese wichtig ist. Stickstoffmangel führt u.a. zu Blattaufhellungen und zu Wachstumsverzögerungen, wodurch in der Landwirtschaft massive Ertragseinbußen entstehen. Neben seiner Funktion als Nährstoff dient Nitrat aber auch als Signalmolekül. „In diesem Zusammenhang konnten wir für die Modellpflanze Arabidopsis thaliana zeigen, dass der Stickstoff in Form von Nitrat bis in die Sprossspitze transportiert wird und dort die Blütenbildung beeinflusst“, erläutert Vanessa Wahl die Forschungsergebnisse. Eine entscheidende Rolle spielt dabei das Protein SUPRESSOR OF OVEREXPRESSION OF CONSTANS 1 oder abgekürzt SOC1, welches zentraler Bestandteil der Regulation des Blühzeitpunkts ist.

Biene (Foto: Hans Schwenninger): Im Zentrum des Projekts BienABest stehen Wildbienen und ihr Lebensraum. Abgebildet sind Gelbbindige Furchenbienen

Durch Umweltsignale wie Temperatur oder Licht, sowie durch Hormone wird das SOC1-Gen in der Sprossspitze aktiviert und dadurch das SOC1-Protein vermehrt gebildet. SOC1 ist ein so genannter Transkriptionsaktivator, der andere Gene anschalten kann. Das führt dazu, dass die Pflanzen keine weiteren Blätter bilden und stattdessen die Blütenbildung initiiert wird. Es zeigte sich in den Versuchen, dass SOC1 nitratabhängig gebildet wird. Um diesen Nachweis zu führen, wurde ein Teil der Pflanzen auf einem optimal mit Stickstoff versorgtem Boden angebaut, ein anderer Teil musste mit einer weniger guten Stickstoffversorgung vorliebnehmen. Allerdings war die Stickstoffversorgung gerade noch so gut, dass keine Mangelsymptome auftraten, die evtl. den Stickstoffeinfluss auf den Blühzeitpunkt überdecken könnten. „Je höher der Nitrat-Gehalt im Boden war, desto mehr SOC1 wurde gebildet und die Pflanzen blühten eher. Bei Stickstoffgehalten, die nahe an einer Mangelversorgung waren, war die Blüte dagegen verzögert“, erklärt Vanessa Wahl die Versuche. Weiterhin wurden in mehreren Genen, die bekanntermaßen in der Sprossspitze an der Blütenbildung beteiligt sind, nitratabhängige Elemente, sogenannte NREs (nitrate responsive elements) identifiziert. Bei Vorhandensein von Nitrat werden diese Gene ebenfalls aktiviert was in der Folge die vermehrte SOC1 Bildung erklärte.

Foto: Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden Württemberg

Zu guter Letzt konnte auch erstmals nachgewiesen werden, dass Nitrat in die Sprossspitze transportiert wird und dort zu Ammonium umgewandelt wird. Verantwortlich für den ersten Schritt dieser Umwandlung ist die Nitratreduktase, die in der Sprossspitze nachgewiesen wurde und nitratabhängig gebildet wird. Basierend auf diesen Daten wurden weitere Ergebnisse über die Gewebespezifität von Nitratreduktasen erzielt, die im Fachjournal Plant Signaling & Behavior veröffentlicht wurden. Da die Blütenbildung ein enorm energieintensiver Prozess ist, passen Pflanzen den Blühzeitpunkt auch an das Vorhandensein von Energie in Form von Zuckern an. Der Zucker Trehalose-6-phosphat (T6P) spielt dabei eine entscheidende Rolle, wie in einer früheren Arbeit von 2013 in Science bereits berichtet wurde. Allerdings handelt es sich bei T6P und SOC1 um zwei getrennt wahrgenommene Signale. Wenn beide Signale unterbunden werden, kann die Blütenbildung nicht induziert werden.

Jeden Sommer lädt das Institut zu Komm-ins-Beet-Führungen ein © MPI-MP, Foto: Lox

Pflanzen können ihren Lebenszyklus somit an das vorhandene Stickstoffangebot anpassen, indem sie die Blütenbildung bei suboptimalen Bedingungen verzögern. Vertiefte Kenntnisse über die Zusammenhänge von Stickstoffversorgung und Zuckerhaushalt im Hinblick auf die Blütenbildung können dazu beitragen, neue Strategien zu entwickeln, um den Ertrag trotz geringerer Stickstoffgehalte im Boden zu verbessern und könnten einen weiteren Schritt auf dem Weg zur weiteren Optimierung der Stickstoffdüngung leisten.