Umdenken für Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturschutzwert

Traditionelle Terassenwirtschaft, unterhalten von kleinbäuerlicher Landwirtschaft in Portugal. Foto: Uni Kassel

Zunehmende und intensivere Landwirtschaft hat zu vielfältigen Konflikten mit dem Naturschutz geführt. Trotz dieses weltweiten Trends weisen in der Europäischen Union etwa 30 Prozent der Agrarflächen als sogenannten High Nature Value Farmlands (HNV-Farmlands) einen hohen Naturschutzwert auf. Ein europäisches Forschungsteam mit Beteiligung der Universitäten Göttingen und Kassel sowie des Braunschweiger Thünen-Instituts für Biodiversität hat in einer aktuellen Studie die Zukunft dieser Agrarflächen untersucht.

Prof. Dr. Tobias Plieninger, der eine gemeinsame Professur der Universitäten Göttingen und Kassel innehat, entwickelte mit den Kolleginnen und Kollegen eine Reihe von Empfehlungen, wie Agrarlandschaften mit hohem Naturschutzwert durch finanzielle, soziale, politische, technische und Produkt-Innovationen über die Agrarpolitik unterstützt werden können. Erstautorin Angela Lomba vom Research Centre in Biodiversity and Genetic Resources, Portugal, sagt: „Agrarflächen mit hohem Naturwert stellen wertvolles Kapital dar. Sie ermöglichen es der Gesellschaft, aktuell existierende und zukünftige Umweltprobleme zu bewältigen. Allerdings bedarf es eines Paradigmenwechsels, um die naturverträglich wirtschaftenden Bauernhöfe zu erhalten und die Agrarlandschaften von hohem Naturschutzwert für zukünftige Generationen zu erhalten.“

Extensiv bewirtschaftetes, artenreiches Grünland im Thüringer Wald, Deutschland
(Foto: Landschaftspflegeverband Thüringer Wald e.V.)

Plieninger erläutert: „Solch ein Paradigmenwechsel bedingt einen Wandel weg von der gegenwärtig wenig zielführenden Agrarförderung hin zu innovativen Anreizinstrumenten, die Landwirtinnen und Landwirte dafür belohnen, Biodiversität und Ökosystemleistungen auf der Ebene ganzer Agrarlandschaften für die Gesellschaft zu erhalten. Damit würde die Agrarförderung zur Stärkung der ökologischen, sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeit beitragen.“ Dr. Sebastian Klimek vom Thünen-Institut für Biodiversität ergänzt: „Es sind integrierte Ansätze auf Landschaftsebene erforderlich, bei denen HNV-Farmlands als sozial-ökologische Systeme verstanden und gezielt erhalten werden.“

Prof. Dr. Tobias Plieninger Foto: Kathleen Friedrich

HNV-Farmlands sind besonders wichtig für den Erhalt der Biodiversität und die Sicherung von Ökosystemleistungen, haben aber auch einen hohen sozialen und kulturellen Wert für viele Menschen. Seit den 1990er-Jahren ist die gesellschaftliche Bedeutung von HNV-Farmlands auch in der ländlichen Entwicklungspolitik der EU anerkannt. Trotz ihrer umfangreichen Bedeutung sind sie EU-weit aber sehr stark im Rückgang. Sie sind sowohl von landwirtschaftlicher Intensivierung als auch von einer Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung bedroht, was zu einer Erosion des Natur- und Kulturerbes führt.