Biologische Vielfalt als Produktionsfaktor

Forscher untersuchen Beziehung zwischen ökonomischem Wert von Ökosystemen und Biodiversität

Der Wald ist ein Ökosystem mit vielen verschiedenen Funktionen. Foto: TU München/K. Baumeister

Kann die Biodiversität von Ökosystemen als Produktionsfaktor gesehen werden? Oder konkret: Erhöht mehr Artenvielfalt den ökonomischen Wert bewirtschafteter Ökosysteme? Ein Forschungsteam mit Beteiligung der Universität Göttingen hat analysiert, welche ökonomischen Vorteile Land- und Forstwirte haben, wenn sie mit mehreren Arten anstelle von nur einer Art wirtschaften. Auch die Vorteile der Biodiversität für die Gesellschaft nahmen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer umfangreichen Literaturstudie in den Blick.

Holzplantagen mit nur einer Baumart offenbaren sogleich die Hauptfunktion dieses Waldes: wirtschaftlicher Nutzen durch den Verkauf von Holz. Wald hat jedoch unterschiedliche Funktionen: Neben der Holzgewinnung dient er als Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten, als Boden- oder Klimaschutz sowie zur Erholung. Dass eine größere Artenvielfalt unter den Bäumen höhere Erträge ermöglichen, ist bekannt. Doch „ab einer bestimmten Durchmischung führt eine weitere Baumart nicht mehr zu einem größeren Nutzen für den Menschen“, fand die Gruppe heraus. Es kommt dabei sehr auf die Eigenschaften der betrachteten Baumarten an, denn nicht jeder Baum hat denselben Wert.

Foto: Uni Göttingen/C. Mischke

„Alle Funktionen eines Ökosystems sind nie in gleichem Maße positiv mit Biodiversität verknüpft“, erklärt Prof. Dr. Carola Paul von der Abteilung Forstökonomie und nachhaltige Landnutzung der Universität Göttingen. Fasst man alle Aufgaben eines Ökosystems zusammen, ergibt sich rechnerisch eine Maximumskurve für dessen Wert. Das Autorenteam zeigt: „Die Maximierung der Biodiversität auf der Ebene des Ökosystems wird in den meisten Fällen nicht den wirtschaftlichen Wert maximieren.“ Dies gilt vor allem, wenn Kompromisse zwischen verschiedenen Dienstleistungen oder zwischen wirtschaftlichen Erträgen und Risiken zu finden sind. Dann ist ein mittleres Niveau an biologischer Vielfalt am nützlichsten.

Ein hohes Wertpotenzial der Biodiversität identifizierten die Forscher vor allem in der Vermeidung sozialer Kosten. Dies sind Kosten, die von der Allgemeinheit getragen werden müssen, etwa Luftverschmutzungen. Die Studie liefert in ihrer mathematischen Betrachtung der sozialen Kosten wirtschaftliche Argumente dafür, dass sich vielfältigere und gemischte Anbau- und Forstwirtschaftssysteme lohnen: „In artenreichen Ökosystemen muss man weniger düngen“, erklärt der Leiter der Studie Prof. Dr. Thomas Knoke von der Technischen Universität München (TUM).

Prof. Thomas Knoke, 

„Auf der Grundlage theoretischer Überlegungen und empirischer Erkenntnisse konnten wir zeigen, dass Ökosysteme mit mehreren, aber doch relativ wenigen Pflanzenarten ökonomisch vorteilhafter sein können, als solche mit nur einer Art, aber auch als solche mit ganz vielen Arten“, fasst er zusammen. Biodiversität und Ökosystemfunktionen bilden demnach nur selten eine stetig ansteigende Kurve. Vielmehr fand das Team empirische und theoretische Belege für streng konkave oder streng konvexe Beziehungen zwischen Biodiversität und wirtschaftlichem Wert. Die Erkenntnisse bedeuten keinesfalls, dass sehr artenreiche Ökosysteme nicht schützenswert sind. Vielmehr zeigen sie, dass für solche „Hot Spots“ der Biodiversität ökonomische Argumente alleine nicht ausreichen. Hingegen verdeutlichen die Beziehungen die wirtschaftlichen Vorteile, die schon kleine Erhöhungen der Artenvielfalt in Agrarlandschaften haben können. Aber auch für den Wald gilt, dass man mit vier bis fünf Baumarten einen stabilen Wald bewirtschaften kann, der unterschiedliche Funktionen erfüllt. Die Beachtung der gefundenen Beziehungen gibt somit wertvolle Hinweise für künftige Landnutzungsplanungen.