Immer mehr Kommunen rufen den „Klimanotstand“ aus. Dies ist für viele mehr als ein symbolisches Anerkennen der Klimakrise, wie eine jetzt veröffentlichte Studie des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) zeigt. Kommunen, die es sich vornehmen, alle kommunalen Maßnahmen verpflichtend auf ihre Klimawirkung zu prüfen und dies mit einem breiten Monitoring verbinden, heben den Klimaschutz auf eine neue Ebene, so die Einschätzung der Untersuchung.
„Dieser auch als ‚Klimavorbehalt‘ bezeichnete Mechanismus kann einen wichtigen Beitrag leisten, damit Klimaschutz in allen kommunalen Politikfeldern die Aufmerksamkeit bekommt, die ihm gebührt“, sagte Klima- und Energieexperte Professor Bernd Hirschl vom IÖW. „Im Zusammenklang mit verschärften kommunalen Klimaschutzzielen und -maßnahmen – die in einigen Fällen bereits beschlossen sind, in vielen Kommunen noch diskutiert werden – kann eine solche Klimaverträglichkeitsprüfung eine neue Qualität für Klimaschutz mit sich bringen.“
Studie empfiehlt Bund und Ländern Klimanotstandskommunen zu unterstützen
Seit im Mai 2019 Konstanz als erste deutsche Kommune den Klimanotstand ausgerufen hat, haben sich bis heute über 70 Kommunen angeschlossen. Es wird erwartet, dass weitere folgen werden. „Die Klimanotstandskommunen sind ein neuer Akteur im Klimaschutz und auch für die nationale Klimaschutzpolitik interessant“, so Studienautorin Lena Pfeifer vom IÖW. „Die nationale Förderpolitik und die Bundesländer sollten solche Kommunen, die durch ihren in der Regel breit angelegten Klimaschutz- und Vorsorgeansatz zu neuen Vorreitern werden können, bei der Umsetzung unterstützen.“
Nach Einschätzung des IÖW sind die Klimanotstandskommunen ein neuer Akteur mit Potenzial für die Umsetzung der nationalen Klimaschutzstrategie. Daher sollten sie in der Förderpolitik von Bund und Ländern auch entsprechende Aufmerksamkeit erhalten. Mit öffentlicher Unterstützung und durch wissenschaftliche Begleitung könnten etwa Methoden, Tools und Verfahren entwickelt werden, um die Klimawirkung von verschiedenen politischen Maßnahmen standardisiert und vergleichbar zu erfassen. Zudem könnte der Bund die Kommunen bei der Erfüllung der zusätzlichen personellen Verwaltungsaufgaben finanziell unterstützen. Auch der Austausch von Erfahrungen und Best Practices sowie eine Kommunikationsstrategie zur Verbreitung könnten gefördert werden.
Fridays for Future gaben oft den Anstoß, den Klimanotstand zu beschließen
Bei den Klimanotstandskommunen handelt es sich weder um Klimaschutzvorreiter noch um politisch „grüne“ oder besonders reiche Kommunen, sondern um Kommunen mit einem eher durchschnittlichen Profil, so die Befragungsergebnisse. Oftmals gaben zivilgesellschaftliche Akteure – darunter häufig Fridays for Future – den Anstoß zur Ausrufung des Klimanotstands in den Kommunen.
Die Studie hat das IÖW gemeinsam mit der Volksinitiative Klimanotstand Berlin durchgeführt. Für die Untersuchung wurden alle 78 Kommunen, die bis Mitte Oktober 2019 einen Klimanotstand oder einen vergleichbaren Beschluss gefasst haben, befragt. Ein Drittel, also 26 Kommunen, beantwortete den Fragebogen vollständig. Erste Ergebnisse hatte das IÖW im November 2019 auf dem ersten bundesweiten Klimanotstandskongress in Berlin vorgestellt.
Das IÖW engagiert sich seit Jahren auf dem Feld der kommunalen Klimapolitik. Für das Land Berlin hat das Berliner Institut federführend gemeinsam mit Partnern in einem breit angelegten Beteiligungsprozess den Entwurf für das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm entwickelt. Auf dieser Grundlage beschloss das Berliner Abgeordnetenhaus einen integrierten Ansatz mit rund 100 Maßnahmen in den Bereichen Klimaschutz und der Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Für den Klimaschutz sollen mit den Maßnahmen in den Handlungsfeldern Energie, Verkehr, Gebäude und Stadtentwicklung, Wirtschaft, Private Haushalte und Konsum eine Reduktion von Kohlendioxidemissionen in der Stadt erwirkt werden.