Österreichs Gemeinden wollen die Biodiversität stärken

Foto: Naturschutzbund Österreich

Schutz und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt brauchen breite Unterstützung und viele Stimmen auch in den Gemeinden. Denn besonders die Gemeindeebene bietet durch Schulen, Vereine oder Schutz-gebiete vielfältige Anknüpfungspunkte, um den Mehrwert intakter Natur zu vermitteln, Maßnahmen für mehr Biodiversität umzusetzen und damit auch die Lebensqualität zu erhöhen, stellt Kerstin Friesenbichler, Biodiversitätsexpertin und Projektleiterin im Österreichischen Umweltdachverband fest. Der Umweltdachverband und der Naturschutzbund fördern aktuell in zwei unterschiedlichen Initiativen die Biodiversität auf lokaler Ebene und wollen damit mehr Bewusstsein für die Vielfalt der natürlichen Umgebung in Gemeinden schaffen. Beide Initiativen sind Teil der  „vielfaltLeben“ Kampagne des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT), die sich seit 2009 gemeinsam mit vielen Partnern dem Schutz der Biodiversität widmet.


 

Ein besonderes Anliegen des Naturschutzbundes, ja seine zentrale Motivation, war seit jeher die Erhaltung der Biodiversität. Zahlreiche Projekte und Aktionen stehen daher unter diesem Motto. Mit der Ernennung des Jahres 2010 zum „Internationalen Jahr der Biodiversität“ machte die UNO diese Dringlichkeit des Biodiversitätsschutzes weltweit deutlich. Dass das aber nicht genug ist, zeigt die daraufhin folgende „Dekade der Biodiversität“ 2010-2020. Mit der Kampagne „vielfaltleben“ wurde vom österreichischen Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus BMNT 2009 eine bisher einmalige Initiative zum Schutz der Biologischen Vielfalt ins Leben gerufen. Der Natur-schutzbund nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein, weitere Partner sind u.a. WWF und Birdlife.


Die Gemeinden sind ein wichtiger Partner im Natur- und Umweltschutz. Sie entscheiden, wie naturnah Weg- und Straßenränder, Verkehrsinseln, Parks und Schulhöfe oder Friedhöfe gestaltet werden und ob es ausreichend Naturlebensraum wie artenreiche Hecken, blühende Wiesen und natürliche Gewässer im Gemeindegebiet gibt. Wie dies ebenso in Deutschland, der Schweiz und Südtirol der Fall ist.

In Österreich haben sich jetzt mehr als 140 Gemeinden im „vielfaltleben“ Gemeindenetz zusammengeschlossen.[1] Die Aktivitäten innerhalb des Netzwerkes sind genauso vielfältig wie nachhaltig. Im steirischen Irdning-Donnersbachtal errichtet die Initiative einen Schaugarten für Biodiversität, in Regau in Oberösterreich setzt man auf naturnahe Bepflanzung seiner Ortsumfahrung, im burgenländischen Eisenstadt wurden auf 5.000 Quadratmeter Schmetterlingswiesen gesät und in Königstetten in Niederösterreich dreht sich in den nächsten Monaten alles um den Schutz der Schwalben. Gerade gekürte Pilot-Gemeinden erhalten in den nächsten zwei Jahren eine Biodiversitätsberatung im Wert von 5.000 Euro aus Bundesmitteln und durch das von der EU finanzierte Projekt „BIO.DIV.NOW II – Mainstreaming von Biodiversität.

Dass diese Aktivitäten bitter nötig sind, aber vielleicht auch schon zu spät kommen, zeigt auch eine Untersuchung der Universität Wien. Ein Team von Biologen der Abteilung für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität und des österreichischen Umweltbundesamtes haben ein Computermodell entwickelt, das Klimawandel, Lebensraumfragmentierung sowie die individuelle Ausbreitungsfähigkeit von 51 Pflanzen-, Schmetterlings- und Heuschreckenarten berücksichtigt.[2] Mit Hilfe dieses Modells können die Forscher die zukünftige Entwicklung der Verbreitungsgebiete der untersuchten Arten in Mitteleuropa unter Szenarien unterschiedlich starker Klimaerwärmung und unterschiedlicher Extensivierungsmaßnahmen bis zum Jahr 2100 simulieren. Die Wiener Modelle sagten voraus, dass rund 20 Prozent der untersuchten Arten im Laufe dieses Jahrhunderts im Untersuchungsgebiet (Österreich, Schweiz, Liechtenstein, Südtirol und Süddeutschland) aussterben würden.

Böhmischer Enzian (Gentianella praecox)

Der Böhmische Enzian oder Böhmische Kranzenzian (Gentianella praecox) ist eine Pflanzenart, die zur Gattung der Kranzenziane (Gentianella) in der Familie der Enziangewächse (Gentianaceae) gehört. Er ist in seiner Verbreitung auf das Gebiet der Böhmischen Masse beschränkt. Text und Foto: Wikipedia

Die verbleibenden Arten verzeichnen einen deutlichen Rückgang ihres Verbreitungsgebietes, der durch den Einsatz der Extensivierungsmaßnahmen zwar verringert werden könne, doch selbst bei einem maximalem Ressourceneinsatz, sprich bei einer Re-Ökologisierung von fünf Prozent der land- und forstwirtschaftlich intensiv genutzten Flächen, könne das Aussterben der am stärksten betroffenen Arten wie beispielsweise des Böhmischen Enzian, der in Österreich nur im Wald- und Mühlviertel vorkommt, nicht verhindert werden, wie Stefan Dullinger von der Universität Wien deutlich macht.

[1] https://naturschutzbund.at/vielfaltleben.html

[2] http://www.umweltbundesamt.at/aktuell/presse/lastnews/news2017/news_171010/