Viele Bauern verbinden Artenvielfalt im Grasland mit unergiebigen Erträgen und finanziellen Einbussen. «Biodiversität gilt oft als nicht rentabel, aber wir zeigen: doch, sie kann sich rechnen», sagt Nina Buchmann, Professorin für Graslandwissenschaften der ETH Zürich. In einer interdisziplinären Studie an der Schnittstelle zwischen Agrarwissenschaften, Ökologie und Ökonomie haben Buchmann und ihre Kolleginnen und Kollegen die ökonomischen Mehrwerte der Artenvielfalt in einem Grasland-Experiment für verschiedene Bewirtschaftungsintensitäten quantifiziert.
«Wir zeigen, dass die Artenvielfalt ein ökonomisch relevanter Produktionsfaktor ist», sagt Robert Finger, ETH-Professor für Agrarökonomie und Agrarpolitik. Wachsen auf der Wiese 16 Pflanzenarten statt nur eine, bleibt die Futterqualität des Heus zwar mehr oder weniger gleich, aber der Ertrag wird grösser. Deshalb steigt auch das erzielbare Einkommen aus dem Milchverkauf. «Diese Umsatzsteigerung ist vergleichbar mit dem Unterschied der Erträge zwischen extensiv und intensiv genutzten Wiesen», sagt Sergei Schaub, der Erstautor der Studie und Doktorand in den Gruppen von Finger und Buchmann.
Umsatz deutlich gesteigert
Im Schweizer Grasland wird besonders auf so genannten ökologischen Ausgleichsflächen auf eine erhöhte Artenvielfalt geachtet. Das sind aber oft magere Standorte, deren Erträge sich nicht mit denen von gutem Wiesland vergleichen lassen. Die Forschenden haben aber Daten aus dem langjährigen Jena-Experiment nutzen können, in dem unter anderem die unterschiedlichen Bewirtschaftungsweisen am gleichen Standort verglichen werden.
«Unsere Resultate zeigen, dass sich der Artenreichtum auf allen Wiesen ökonomisch positiv auswirkt, egal, ob sie nur einmal oder viermal im Jahr gemäht und gedüngt werden», sagt Schaub. Bei intensiverer Bewirtschaftung sei es allerdings schwierig, die Artenvielfalt hoch zu halten, weil nur wenige Pflanzenarten das Düngen und häufige Mähen ertragen. Finger fügt hinzu, dass Schweizer Bauern im Vergleich zu ihren Berufskollegen aus anderen Ländern diesen ökonomischen Effekt bereits gut nutzten. Im Allgemeinen seien die Futterwiesen hierzulande schon relativ artenreich, da es auch lokal angepasste Saatgutmischungen gebe.
Artenreichtum als Risikoversicherung
In dieser Deutlichkeit hätten die Forschenden ihre Resultate nicht erwartet. Dabei haben sie einen weiteren wichtigen ökonomischen Faktor noch gar nicht eingerechnet: «Die Biodiversität ist auch eine Art Risikoversicherung», sagt Buchmann. Artenreiche Grasländer könnten Extremereignisse wie Dürren oder Überschwemmungen besser wegstecken, weil verschiedene Pflanzenarten unterschiedlich auf solche Umwelteinflüsse reagierten und etwaige Ausfälle teilweise kompensierten. «Die Erträge werden über die Zeit stabiler.» Dies hat das Forschungsteam kürzlich in anderen Studien zeigen können.
Die Forschenden sehen in ihren Ergebnissen einen klaren Hinweis, dass es sich für Landwirte lohnt, stärker auf eine grössere Pflanzenvielfalt in ihren Wiesen und Weiden zu achten. «Artenreiches Grasland zu erhalten oder wiederherzustellen, kann zu einer Win-Win-Situation führen», merken die Forschenden am Schluss ihres Fachbeitrags an, da dadurch nicht nur die Erträge und der Betriebsumsatz steigen, sondern gleichzeitig auch wichtige Ökosystemdienstleistungen wie etwa die Bestäubung oder die Wasserqualität gestärkt und gefördert werden.