Die Landwirtschaft ist derzeit öffentlicher Dauerkritik ausgesetzt. Grundlegende Änderungen in der Produktionsweise werden gefordert. Im Zentrum der Kritik steht dabei der intensive Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln wie Insektiziden, Fungiziden und Herbiziden. Die Forderungen beginnen beim Wunsch nach deutlicher Reduzierung der Mengen und reichen bis hin zum Totalverzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel. Vor diesem Hintergrund haben das französische Institut national de recherche pour l‘agriculture, l‘alimentation et l‘environnement (INRAE), das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) und das Julius Kühn-Institut (JKI) Mitte 2018 begonnen, eine Forschungsallianz zu schmieden. Die Initiative aus der Forschung will helfen, die wissenschaftlichen Grundlagen für den gesellschaftlich geforderten Wandel in der Landwirtschaft zu schaffen, um diesen voranzutreiben. 24 Forschungseinrichtungen aus insgesamt 16 europäischen Ländern haben am 23. Februar 2020 in Paris eine Deklaration unterzeichnet, in der sie sich verpflichten, gemeinsam an diesem Ziel zu arbeiten.
„Ziel ist eine nachhaltige Landwirtschaft, die Nahrungsmittel und nachwachsende Rohstoffe in der benötigten Quantität und Qualität bereitstellt und dabei sowohl ökologisch und als auch ökonomisch tragfähig ist, damit auch künftige Generationen die Flächen noch profitabel bewirtschaften können“, sagt Prof. Dr. Frank Ordon, Präsident des Julius Kühn-Instituts. Das Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen ist eine der beiden deutschen Institutionen, die das Papier unterzeichneten.
Die Initiative ist eingebettet in den von der Europäischen Kommission im Dezember 2019 beschlossenen Green Deal. Die Maßnahmen betreffen sektorübergreifend die Landwirtschaft, die Ernährungswirtschaft und die Umwelt. Die an der Forschungsinitiative „Towards a chemical Pesticide-free Agriculture“ beteiligten 24 Forschungseinrichtungen haben bereits eine Forschungsagenda erarbeitet. So wollen sie resiliente Anbauverfahren entwickeln, die Ökosystemleistungen besser berücksichtigen, die Züchtung krankheitsresistenter Sorten vorantreiben sowie die Gerätetechnik verbessern und weitere innovative technische Lösungen erarbeiten. Zudem sollen die Maßnahmen sozioökonomisch begleitet werden, denn eine Änderung der Bewirtschaftung bringt Änderungen für die in der Landwirtschaft Beschäftigten mit sich.
Um die Agenda umzugesetzten ist die Vernetzung der nationalen Forschungseinrichtungen nötig
In einem weiteren Schritt müssen die nationalen und europäischen Forschungsausrichtungen zusammengeführt werden. Federführung für die Initiative, an der sowohl Experten und Stakeholder aus Forschung als auch aus der Politik eingebunden werden sollen, hat das INRAE in Frankreich.
Das Ziel der Initiative, eine deutliche Verringerung des Einsatzes chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel, ist ambitioniert, denn aktuell mangelt es an nichtchemischen Alternativen, um die Kulturpflanzen vor Krankheiten und Schädlingen zu schützen. Bei der Forschungsmethodik legen die unterzeichnenden Institutionen der Initiative besonderen Wert auf integrierte, systemische Ansätze und eine multidisziplinäre Herangehensweise. Denn will man die Landwirtschaft neu denken, muss man auch die Forschungsmethoden auf den Prüfstand stellen. Die neuen Methoden müssen nicht nur im Labor, sondern auch auf dem Feld funktionieren, und sie müssen von den Praktikern umsetzbar sein. Deshalb sollen Forschung, Entwicklung und Praxis Hand in Hand arbeiten, damit die jeweils beste Lösung für alle Bewirtschaftungsformen, für unterschiedliche Kulturen sowie für unterschiedliche Klima- und Bodenbedingungen gefunden wird.