Pflanzen sind für das Leben auf der Erde unerlässlich. Sie liefern die Nahrung für praktisch alle Lebewesen, den Sauerstoff zum Atmen, und sie regulieren das Klima des Planeten. Proteine haben eine Schlüsselstellung bei der Steuerung der Lebensvorgänge in Pflanzen. Unter der Federführung der Technischen Universität München (TUM) hat ein Wissenschaftsteam nun rund 18.000 der in der Modellpflanze Arabidopsis thaliana vorkommenden Proteine kartiert. Jede Zelle eines Organismus enthält die komplette genetische Information, den „Bauplan“ eines Lebewesens, verpackt in der Abfolge der so genannten Nukleotidbausteine der DNS. Doch wie entstehen daraus so unterschiedliche Gewebe wie ein Blatt, das über die Photosynthese Lichtenergie in chemische Energie umwandelt und Sauerstoff produziert oder eine Wurzel, die Nährstoffe aus dem Boden aufnimmt?
Die Antwort darauf liegt in dem Proteinmuster der Zellen des jeweiligen Gewebes. Proteine sind die wichtigsten Akteure in jeder Zelle. Sie sind Biokatalysatoren, leiten Signale innerhalb und zwischen Zellen weiter, bilden die Zellstruktur und vieles mehr.
„Für das Proteinmuster ist nicht nur bedeutend, welche Proteine in einem Gewebe vorkommen, sondern vor allem in welchen Mengen“, erklärt Bernhard Küster, Professor für Proteomik und Bioanalytik an der TUM.
So finden sich Proteine der Photosynthese-Maschinerie zum Beispiel vor allem in Blättern, aber in nur tausendfach geringerer Menge auch in Blüten und Samen.
Laborpflanzen als Modell für die Grundlagenforschung
Das Team um Dr. Julia Mergner und Prof. Bernhard Küster hat die Modellpflanze Arabidopsis thaliana, zu Deutsch „Ackerschmalwand“, mit biochemischen und analytischen Hochdurchsatz-Methoden untersucht, um mehr über die molekulare Zusammensetzung zu erfahren. Seit 40 Jahren ist das unscheinbare Unkraut mit kleinen weißen Blüten die „Labor-Maus“ der Pflanzenbiologie. Sie ist klein, anspruchslos im Wachstum und einfach zu züchten. Diese Eigenschaften haben ihr den Weg in die Labore der Genetik und Molekularbiologie geebnet. Dass die Ergebnisse der Grundlagenforschung an Arabidopsis sich oft auch auf Nutzpflanzen übertragen lassen, macht die Pflanzenart zudem für die Züchtungsforschung interessant. Als Messmethoden verwendete das Team die so genannte Flüssigchromatographie-gekoppelte- Tandem-Massenspektrometrie die es ermöglicht, tausende von Proteinen in einem Experiment zu analysieren. Methoden der Bioinformatik halfen bei der Analyse der sehr großen Datenmengen.
Arabidopsis-Atlas für die globale Forschungsgemeinschaft
„Erstmalig haben wir das Proteom, also alle Proteine der Gewebe der Modellpflanze Arabidopsis, umfassend kartiert“, erklärt Bernhard Küster. „Das lässt neue Einblicke in die komplexe Biologie von Pflanzen zu.“
Alle Ergebnisse der Forschungsarbeit wurden in einem virtuellen Atlas zusammengefasst, der Antworten darauf liefert,
• wie viele der etwa 27.000 Gene in der Pflanze als Proteine existieren (>18.000),
• wo sie sich befinden (z.B. Blüte, Blatt oder Stengel) und
• in welchen ungefähren Mengen sie dort auftreten.
Diese Informationen sind frei in der online Datenbank ProteomicsDB (https://www.proteomicsdb.org) abrufbar, die bereits einen Protein-Katalog für das menschliche Proteom enthält, welches das gleiche Team der TUM im Jahr 2014 entschlüsselt hat.
Forschungsergebnisse als Grundlage künftiger Analysen von Nutzpflanzen
Es ist zu erwarten, dass es Ähnlichkeiten zwischen Arabidopsis und den molekularen Landkarten anderer Pflanzen gibt. „Der Atlas soll daher auch die Forschung an anderen Pflanzen befeuern“, so Küster. Die Forscher werden sich zukünftig mit der Analyse von Nutzpflanzen beschäftigen. Interessant wird dabei vor allem sein, wie sich das Proteom verändert, wenn die Pflanzen von Schädlingen angegriffen werden, oder wie sich Pflanzen an den Klimawandel anpassen können.