Große Abendsegler – eine der größten heimischen Fledermausarten – suchen ihresgleichen, um bei der Jagd über insektenarmen Feldern erfolgreich zu sein. Wie Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) zeigen konnten, jagen die Fledermäuse über insektenreichen Wäldern vorwiegend als Einzelkämpfer, über insektenarmen Agrarflächen jedoch gemeinschaftlich in der Gruppe. Dabei orientieren sie sich offenbar an den Jagdrufen ihrer Artgenossen, die ihnen unabsichtlich Hinweise auf ertragreiche Gebiete liefern. Das „Belauschen“ der Jagdgenossen zum Aufspüren von Nahrung funktioniert vermutlich nur dann, wenn eine ausreichende Zahl von Individuen im selben Luftraum nach Insekten jagen. Nehmen die Fledermauspopulationen weiter ab, könnte eine kritische Dichte unterschritten und die gemeinschaftliche Jagd schwierig oder unmöglich werden. Dies könnte das Überleben von Arten wie dem Großen Abendsegler zusätzlich bedrohen.
Menschliche Aktivitäten haben das Antlitz der Erde in den letzten Jahrhunderten massiv verändert. Während Mitteleuropa in der Antike noch von dichten Urwäldern bedeckt war, dominieren heute Felder, Wiesen und Forste das Land. Naturlandschaft wurde vom Menschen zur Kulturlandschaft umgewandelt. Viele Wildtiere verschwanden, für andere Arten ergaben sich neue ökologische Nischen. Besonders erfolgreich waren dabei Fledermäuse. Als sogenannte Kulturfolger kamen viele Arten bislang auch in einer von Menschen geprägten Umgebung zurecht, fanden in Gebäuden Unterschlupf und über Ackerflächen Nahrung. Doch was ist das Geheimnis ihres Erfolgs? Sind sie vielleicht besonders effiziente Jäger?
Um das zu überprüfen, stattete ein Forscherteam des Leibniz-IZW Große Abendsegler mit Messgeräten aus, die ihre Raumposition und Ultraschall-Rufe aufzeichneten. Aus akustischen Aufnahmen spezieller Jagdrufe, sogenannter „feeding buzzes“, ließ sich ableiten, wann und wo die Fledermäuse besonders viele Insekten erbeuteten. Außerdem ließ sich durch die Aufnahme des akustischen Umfelds feststellen, ob Artgenossen anwesend waren. Eine Untersuchungskolonie befand sich in einem Gebiet nördlich von Berlin, das von großen Weizen-, Raps- und Maisfeldern geprägt ist. Die Individuen der zweiten Kolonie ging südöstlich von Berlin über einem von Kiefernwald geprägten Gebiet auf Nahrungssuche. In beiden Gebieten zeigten die Fledermäuse zwei Flugmuster – den Streckenausflug und den kleinräumigen Suchflug, bei denen die Tiere in einem eng begrenzten Raum im Zick-Zack umherfliegen. Bei der Jagd über dem Wald stießen die Fledermäuse sowohl im Streckenflug als auch im kleinräumigen Suchflug regelmäßig Jagdrufe („feeding buzzes“) aus, unabhängig davon, ob Artgenossen in der Umgebung waren. Sie waren also als Einzeljäger in beiden Modi erfolgreich. Über den Feldern jedoch blieben die Jagdrufe der Tiere im Streckenausflug oft aus. Erst wenn sie auf einen Artgenossen trafen, schalteten sie auf den kleinräumigen Suchflug um, der von vielen Jagdrufen begleitet war.
Die Schlussfolgerung der WissenschaftlerInnen: Auf Feldern sind Beuteinsekten selten und in größerer Zahl nur an wenigen Stellen – zum Beispiel an Hecken oder Gräben – zu finden. Deshalb belauschten die Fledermäuse hier im Streckenflug ihre Artgenossen. Wenn sie eine erfolgreiche Jagd anhand der Jagdrufe ihres Nachbarn erkannten, schlossen sie sich den jagenden Artgenossen an und wechselten in den kleinräumigen Suchflug, um den aufgespürten Insektenschwarm effektiv „abzugrasen“. Über Wäldern dagegen ist mehr Beute zu finden, die noch dazu vermutlich gleichmäßiger verteilt ist. Hier waren die Tiere auch ohne das Belauschen von Artgenossen erfolgreich.
„Die gemeinschaftliche Jagd macht es den Fledermäusen möglich, auch in einem landwirtschaftlich genutzten Gebiet mit geringer Beutedichte Nahrung zu finden“, sagt Christian Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie am Leibniz-IZW. „Das funktioniert allerdings nur, wenn die Population ausreichend groß ist. Aufgrund von Insektensterben und Kollisionen mit Windkraftanlagen könnten die Bestände des Großen Abendseglers und anderer Arten jedoch weiter abnehmen. Die kritische Bestandsdichte könnte dadurch unterschritten werden, so dass eine gemeinsame Jagd unter Umständen nicht mehr möglich ist. Lokale Populationen, die auf diese Form des Nahrungserwerbs angewiesen sind, stünden dann vor dem Aus.“