Steuerliche Soforthilfe in der Corona-Krise: Wissenschaftler schlagen sofortigen Verlustrücktrag vor

Prof. Caren Sureth-Sloane Foto: Uni Paderborn

Die durch das Coronavirus entstandene Ausnahmesituation in Deutschland, Europa und vielen anderen Ländern bringt prosperierende Unternehmen und Selbstständige in akute Schwierigkeiten und gefährdet dadurch zahlreiche Arbeitsplätze. Das größte Problem ist die fehlende Liquidität, die durch Umsatzeinbruch bei gleichzeitig weiterlaufenden Zahlungsverpflichtungen wie Gehältern und Miete entsteht.

Zahlreiche Stimmen fordern daher kurzfristige Finanzhilfen bei Liquiditätsengpässen von Unternehmen und Selbstständigen und zum Erhalt der Arbeitsplätze. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des DFG-Sonderforschungsbereichs TRR 266 „Accounting for Transparency“ haben unterschiedliche steuerliche Ansatzpunkte zur Bereitstellung dieser Liquiditätshilfen analysiert. Sie sind der Ansicht, dass die bisher von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen in die richtige Richtung gehen. Darüber hinaus kommen sie zu dem Ergebnis, dass ein sofortiger Verlustrücktrag wichtig ist, um betroffenen Unternehmen kurzfristig zusätzliche Liquidität zur Verfügung zu stellen.

Begründung

• Die Maßnahmen zur Herstellung der Liquidität müssen so kurzfristig und unbürokratisch erfolgen, dass eine Antragstellung mit Bedürftigkeitsprüfung im Einzelfall entfällt.

• Die Liquiditätsversorgung sollte dennoch unternehmensspezifisch ausgestaltet sein, das heißt eine pauschale Überweisung eines Betrages unabhängig von der Größe des Unternehmens ist nicht sinnvoll.

• Eine Orientierung am Gewinn des Vorjahres stellt kurzfristig und unbürokratisch eine unternehmensspezifische Hilfe sicher.

• Die vorgeschlagenen Maßnahmen stellen keine Steuersenkung dar, sondern sind eine zeitliche Verschiebung der Steuerbelastung, um unbürokratisch Soforthilfe zu leisten.

Zur Durchführung

Einkommensteuer/Körperschaftsteuer:

• Auf Basis des letzten verfügbaren Steuerbescheides sollte die aus diesem hervorgehende gezahlte Einkommensteuer beziehungsweise Körperschaftsteuer sofort auf formlosen Antrag des Steuerpflichtigen zurücküberwiesen werden.

• Diese Liquiditätsversorgung sollte unabhängig von der Größe der betroffenen Unternehmen erfolgen und wird nicht verzinst.

• Je nach gewünschter Liquiditätswirkung könnte auch über eine anteilige Auszahlung diskutiert werden. So könnten je nach geschätzter Dauer der wirtschaftlichen Probleme (drei, sechs, 12 Monate in 2020) 3/12, 6/12 oder die volle Steuer erstattet werden.

• Die Rücküberweisung entspricht einem Verlustrücktrag, bei dem ein aktuell entstehender Verlust sofort, während des laufenden Veranlagungszeitraums, mit Gewinnen des Vorjahres verrechnet wird. Dazu ist der Verlustrücktrag gemäß § 10d EStG zeitlich und betragsmäßig zu erhöhen. Analog zum jetzigen § 10d EStG sollte hierbei am vorjährigen Gesamtbetrag der Einkünfte angesetzt werden und nicht an der Steuerzahlung. Dadurch kann beispielsweise sichergestellt werden, dass ein sofortiger Verlustrücktrag nicht versagt wird, wenn durch im Vorjahr durchgeführte Verlustverrechnung die vorjährige Steuerzahlung Null betragen kann. Eine Erweiterung dieses sofortigen Rücktragszeitraums von einem Jahr (Vorjahr) auf das davorliegende Jahr wäre denkbar.

Ähnliche Vorschläge werden bereits von Bundestagsabgeordneten diskutiert; mit ihrer Forderung unterstützen die Wissenschaftler nachdrücklich diese Ideen, z. B. der negativen Gewinnsteuer.

Gewerbesteuer:

• Zumindest anteilig sollte eine Rückzahlung an den Steuerpflichtigen auch für die Gewerbesteuer gelten, die Kapitalgesellschaften durchschnittlich in der gleichen Höhe wie die Körperschaftsteuer belastet, aber auch Personengesellschaften trotz pauschalierter Gewerbesteueranrechnung zum Teil belastet. Die Gewerbesteuer kennt jedoch keinen Verlustrücktrag. Technisch entspräche dies daher einer Vorauszahlung auf eine zukünftig erfolgende Verlustverrechnung.

Umsetzung

• Die gesetzliche Grundlage muss noch in dieser Sitzungswoche im Bundestag (letzte Märzwoche) geschaffen werden.

• Die Steuerauszahlungen müssen unbürokratisch, ohne Antragsformulare und innerhalb von wenigen Tagen ausgezahlt werden. Eine formlose Meldung über die fehlende Möglichkeit, die Geschäftstätigkeit auszuüben, oder den grob geschätzten Umsatzeinbruch genügen.

• Die Steuerauszahlungen durch den sofortigen Verlustrücktrag sind zeitlich befristet einzuführen.

Direkthilfen in nicht abgedeckten Fällen

• Es gibt betroffene Unternehmen und Selbstständige, die durch diesen Vorschlag nicht hinreichend versorgt werden, bei denen aber eine weitergehende Liquiditätshilfe anzustreben wäre. Beispiele sind Unternehmen, die Arbeitsplätze geschaffen haben, aber (noch) nicht profitabel sind. Diese Hilfe sollte besser außerhalb des Steuersystems durch Direkthilfe, z. B. in Abhängigkeit von der Sozialversicherungsbeitragshöhe, erfolgen.

Über den Sonderforschungsbereich TRR 266 Accounting for Transparency“

Der Sonderforschungsbereich „TRR 266 Accounting for Transparency“ startete im Juli 2019 und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für zunächst vier Jahre gefördert. Er ist der erste SFB mit betriebswirtschaftlichem Schwerpunkt. Am SFB sind rund 80 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von acht Hochschulen beteiligt: Universität Paderborn (Sprecherhochschule), Humboldt-Universität zu Berlin, Universität Mannheim, Ludwig-Maximilians-Universität München, European School of Management and Technology Berlin, Frankfurt School of Finance & Management, Goethe-Universität Frankfurt am Main, und WHU – Otto Beisheim School of Management. Die Forscherinnen und Forscher untersuchen, wie Rechnungswesen und Besteuerung die Transparenz von Unternehmen beeinflussen und wie sich Regulierungen des Rechnungswesens und der Besteuerung sowie Unternehmenstransparenz auf Wirtschaft und Gesellschaft auswirken. Das Fördervolumen des SFBs beträgt rund 12 Millionen Euro.