Die aktuelle Corona-Pandemie macht es deutlicher denn je: Digitalisierung ist das Gebot der Stunde. Viele Beschäftigte erledigen ihre Arbeit von zuhause aus – Homeoffice ist zum Regelfall geworden. Tätigkeiten, die eigentlich eine Präsenz erfordern, finden auf einmal online statt oder werden von Computern übernommen. Der Einsatz digitaler Technik bringt vielfältige Veränderungen der Arbeitsorganisation, der Zusammenarbeit und der Verbindung von Arbeits- und Privatleben mit sich. Wie Beschäftigte diesen Wandel wahrnehmen, wird jetzt in einem neuen Forschungsprojekt der Universität Paderborn untersucht.
Das Vorhaben soll beleuchten, welche Herausforderungen sich für Angestellte durch die Digitalisierung ergeben und wie sich deren persönliche Situation durch die Umstellung ändert. Schon jetzt wird klar: „Männer und Frauen verbinden unterschiedliche Versprechungen und Befürchtungen mit der Digitalisierung. Das hat meine Kollegin Prof. Dr. Bettina Kohlrausch in einer repräsentativen Umfrage festgestellt. Frauen sehen sich eher Nachteilen ausgesetzt als Männer“, sagt Dr. Lena Weber vom Institut für Humanwissenschaften, die das auf ein Jahr angelegte Forschungsprojekt leitet. Bislang sei laut der Soziologin kaum mit qualitativen Studien untersucht worden, wie der digitale Wandel in der Arbeitswelt von den Geschlechtern aufgenommen und im Alltag umgesetzt würde. Weber: „Es besteht eine Forschungslücke darin, welche Chancen und Risiken die Geschlechter mit der Digitalisierung assoziieren“. Ziel sei es deshalb auch, die sozial-strukturellen Bedingungen herauszuarbeiten, die die Unterschiede erklären können.
Während in der öffentlichen Berichterstattung in erster Linie diskutiert wird, wie es um die Automatisierbarkeit von Arbeitsaufgaben und damit das Wegfallen ganzer Berufsfelder bestellt ist, geht es bei dem Projekt um das Entstehen neuer Arbeitsbereiche und damit verbundenen Qualifikationsanforderungen. „Nehmen wir zum Beispiel Pflegeberufe: Die Anwendung von digitaler Technik während des Pflegeprozesses nimmt stetig zu. Auch die elektronische Datenverwaltung wird immer wichtiger – Tätigkeiten, die nicht typischerweise mit dem Pflegeberuf verbunden werden“, so Weber. Einen einheitlichen Trend bei den Veränderungen in der Arbeitsorganisation gibt es der Wissenschaftlerin zufolge nicht:
„Einerseits geben Unternehmen mehr Verantwortung an die Arbeitnehmerinnen und -nehmer ab. Mithilfe von Clouds oder Apps können die Beschäftigten selbstständig Budgets verwalten und Arbeitseinsätze planen. Das gibt ihnen zwar mehr Gestaltungsmöglichkeiten, heißt aber auch, dass sie unter Umständen jederzeit erreichbar sein müssen. Andererseits werden Arbeitnehmer durch die digitalen Tools stärker kontrolliert. Ihre Produktivität wird kleinteiliger überprüft, was enormen Zeitdruck bedeutet.“
Lena Weber legt bei ihren Untersuchungen besonderes Augenmerk auf den Dienstleistungssektor und techniknahe Berufsfelder: „Eine These besteht darin, dass Männer und Frauen sich auf dem Arbeitsmarkt in unterschiedliche Branchen segregieren und ihre Arbeitsplätze somit unterschiedlich stark von der Digitalisierung betroffen sind. Die meisten Frauen sind in den klassisch ‚weiblich‘ besetzten kulturellen und sozialen Dienstleistungsberufen beschäftigt. Dort ist das Risiko geringer, ersetzt zu werden. Davon sind eher Männer in techniknahen, typisch ‚männlichen‘ Berufsfeldern betroffen. Insofern müssten eigentlich Männer häufiger einen Verlust von Privilegien befürchten.“ Welche Faktoren tatsächlich zum Tragen kommen und wie sich das erklären lässt, soll bis Ende des Jahres herausgefunden werden. Dann sollen auch erste Ergebnisse vorliegen.