Selbstmanagement im Homeoffice und beim Homelearning

Warum es in Krisenzeiten schwerfällt, sich selbst zu organisieren und zu motivieren

Foto (Universität Paderborn): Prof. Dr. Katrin B. Klingsieck ist Professorin für pädagogisch-psychologische Diagnostik und Förderung mit dem Schwerpunkt Inklusive Bildung im Fach Psychologie an der Universität Paderborn.

Das Büro zu Hause ist eingerichtet, doch die gewohnte Arbeitsatmosphäre fehlt. Wegen des Coronavirus arbeiten derzeit viele Menschen im Homeoffice. Sich selbst gut zu strukturieren und zu managen, ist jetzt besonders wichtig. Prof. Dr. Katrin Klingsieck vom Fach Psychologie der Universität Paderborn sieht darin eine große Chance: „Das Arbeiten und Lernen im Homeoffice bietet die einmalige Möglichkeit, seine eigenen Selbstmanagementfähigkeiten zu beobachten und gegebenenfalls auszubauen.“ Die Professorin für pädagogisch-psychologische Diagnostik und Förderung erklärt, warum es uns in Krisenzeiten schwerer fällt, uns selbst zu managen, weshalb eiserne Selbstdisziplin nicht immer hilft und gibt Tipps für einen erfolgreichen Arbeitstag im Homeoffice.

Auch bei Durchhängern sollte man dranbleiben

„Beim Selbstmanagement geht es darum, sich eigenverantwortlich so zu organisieren und zu motivieren, dass ein bestimmtes Ziel erreicht werden kann“, erklärt Klingsieck, die sich in ihrer Forschung mit den psychologischen Aspekten von Lehr- und Lernprozessen befasst. „In Zeiten von Corona-bedingtem Homeoffice ist ein solches Ziel für viele, möglichst das zu schaffen, was sie sonst auch an ihrem eigentlichen Arbeitsplatz erledigen würden. Zum Selbstmanagement gehört daher neben dem Planen und Organisieren – und das fällt vielen besonders im Homeoffice nicht immer leicht – sich zum Beginnen zu motivieren, bei Durchhängern dranzubleiben und sich von Ablenkungen abzuschirmen. Auch, sich selbst zu Pausen und zum Aufhören zu ermutigen, ist wichtig“, bekräftigt Klingsieck.

Selbstmanagement ist zum großen Teil auch ein Ressourcenmanagement

Wie erfolgreich das Arbeiten und Lernen von zu Hause ist, hängt von vielen Faktoren ab, weiß die Expertin: „Selbstmanagement ist zum großen Teil auch ein Ressourcenmanagement. Die Ressourcen, über die wir verfügen, haben großen Einfluss auf uns und unsere Tätigkeiten.“ Typisch interne Ressourcen, die unsere Arbeit mitprägen, sind zum Beispiel Wissen, Zeit, Aufmerksamkeit, Konzentration, Anstrengung und Motivation. Der Zugriff auf Medien und Dokumente, der Arbeitsplatz oder die Hilfe und Unterstützung von anderen wirken sich als typische externe Ressourcen auf unser Schaffen aus.

Selbstmanagement in Zeiten von Corona

Katrin Klingsieck betont, dass viele Berufsfelder auch unabhängig von der Corona-Krise von Tätigkeiten geprägt sind, die Selbstmanagement erfordern, wie z. B. das akademische und vor allem das studentische Leben. Laut der Expertin gelingt es einigen Menschen dabei grundsätzlich gut, sich selbst zu managen, andere hingegen haben damit immer wieder große Schwierigkeiten. „Viele haben insbesondere Probleme damit, eine Tätigkeit anzufangen, obwohl sie wissen, dass es wichtig wäre, diese in Angriff zu nehmen. Bei „ProLernen“, unserer Beratungsstelle gegen Prokrastination, dem unnötigen Aufschieben von Arbeit, helfen wir den Studierenden deshalb, sich selbst besser zu organisieren und insbesondere zum Anfangen zu motivieren.“ Menschen unterscheiden sich aber auch intraindividuell, das heißt von Tag zu Tag, in ihren Selbstmanagementfähigkeiten. Die Wissenschaftlerin erklärt: „Ausgeruht und frei von Sorgen gelingt das Selbstmanagement besser. Ist man stark belastet, wie aktuell durch Sorgen, Ängste und Mehrarbeit, kann das Selbstmanagement zusammenbrechen. Besonders in diesen Tagen, an denen viele Menschen wegen des Coronavirus im Homeoffice arbeiten müssen, kann es schwer sein den richtigen Dreh zum Arbeiten zu finden.“

Beim Arbeiten von zu Hause stehen wir vor verschiedenen Herausforderungen

Laut Klingsieck warten beim Arbeiten von zu Hause verschiedene Herausforderungen, da Aufgaben dort in Konkurrenz zueinander geraten: „Morgens kann ich im Homeoffice zum Beispiel meine Arbeitsmails beantworten, die Kollegen zurückrufen oder noch schnell einen Korb Wäsche aufhängen. Auch im Büro gibt es diese Konkurrenz, allerdings beschränken sich die konkurrierenden Tätigkeiten dort meist auf arbeitsrelevante Aufgaben. Im Homeoffice gesellen sich auch Tätigkeiten aus anderen Lebensbereichen dazu.“ Auch die sogenannte Längskonkurrenz der Aufgaben mache vielen zu schaffen: „Gerade an einem komplett terminfreien Tag stehen sehr viele mögliche Zeitpunkte zum Beginnen von Projekten zur Verfügung. So kann ich um 8 Uhr, um 10 Uhr oder auch erst am Nachmittag mit verschiedenen Aufgaben anfangen“, so die Expertin.

Zurzeit sind Flexibilität und auch Selbstfürsorge gefragt

Im Homeoffice oder beim Homelearning seien deshalb diejenigen im Vorteil, die sich selbst gut strukturieren und motivieren können und über Strategien verfügen, um sich zu Hause trotz allem auf die Arbeit oder das Lernen zu konzentrieren. Die Wissenschaftlerin betont: „Umgekehrt sind in Krisensituationen aber nicht diejenigen besonders erfolgreich, die mit eiserner Selbstdisziplin ihr Tagesprogramm durchziehen. In Ausnahmezuständen wie zurzeit ist Flexibilität und auch Selbstfürsorge gefragt. Es ist wichtig, in der Tagesstruktur flexibel zu sein und geplante Tätigkeiten gegebenenfalls auf bessere Zeitpunkte strategisch verschieben zu können – aber natürlich nicht aufzuschieben. In Zeiten, in denen die Welt verrückt zu spielen scheint, ist das Ziehenlassen von eigenen überhöhten Ansprüchen essentiell für die Selbstfürsorge.“

Kein Patentrezept, sondern individuelle Strategien

Um im Homeoffice erfolgreich zu arbeiten, helfen schon einfache Strategien, wie Klingsieck weiß: „Das A und O ist das realistische Planen: Am besten für den kommenden Tag, nicht wochenweise, da man gerade in dieser Zeit – wenn man auch noch in die Kinderbetreuung oder Homeschooling eingebunden ist – nicht vorhersehen kann, welche Ereignisse dazwischenkommen. Viele Menschen machen den Fehler, dass sie ihre Ressourcen an Zeit, Energie und Motivation überschätzen und sich deswegen zu viel vornehmen. So bleibt am Ende des Tages immer das unbefriedigende Gefühl, nicht das geschafft zu haben, was man eigentlich schaffen wollte. Auch sollte man mit seinen Aufgaben möglichst ohne Umschweife beginnen, wenn das definierte Zeitfenster für die Tätigkeiten da ist.“

„Sich selbst zu belohnen ruft positive Emotionen hervor und steigert die Wahrscheinlichkeit, dass man auch am nächsten Tag wieder seine (realistischen) Tagesziele erreicht.“

Besonders in der Isolation des Homeoffice komme außerdem die Selbstbelohnung nach erfolgreicher Arbeit häufig zu kurz, aber auch im „normalen“ Büroalltag, wie die Wissenschaftlerin erklärt: „Sich selbst zu belohnen – auf ganz individuelle Weise, zum Beispiel durch Gartenarbeit oder durch ein Telefonat mit einer Freundin –, ruft positive Emotionen hervor und steigert die Wahrscheinlichkeit, dass man auch am nächsten Tag wieder seine (realistischen) Tagesziele erreicht.“ Nicht zuletzt empfiehlt Klingsieck, nachsichtig mit sich selbst zu sein, wenn man an einem Tag im Homeoffice nicht so produktiv ist wie gewünscht, denn: „Menschen, die sich ihre Fehler selbst vergeben, blicken optimistischer auf den nächsten Tag und sind an diesem produktiver.“