Welche Folgen hat die Corona-Pandemie auf den Klimaschutz? Woran sollten sich Konjunkturprogramme als belebendes Element der Wirtschaft nach Überwindung der Covid-19-Krise ausrichten? Eignet sich dafür der European Green Deal der Europäischen Union (EU)? Operiert dieser mit dem richtigen Ambitionsniveau und ist konkret genug, um einen geeigneten Orientierungsrahmen zu bilden? Vor diesem Hintergrund stellt das Wuppertal Institut im Diskussionspapier „European Green Deal: Geeignete Grundlage für Konjunkturprogramme im Kontext der Corona-Krise?“ eine Übersicht der bisher gesteckten Ziele zusammen und schätzt diese wissenschaftlich ein.
Der von der Europäischen Kommission vorgeschlagene „European Green Deal“ kann als zentrales Innovations- und Transformationsprogramm Europas für die erste Hälfte dieses Jahrhunderts angesehen werden. Der Umbau der bestehenden Systeme ist allerdings mit einem hohen Investitionsaufwand verbunden.
„Daher ist es entscheidend, dass sich die Post-Corona-Konjunkturprogramme an den Zielen des European Green Deal ausrichten“, sagt Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts. „Zudem muss sichergestellt werden, dass mit dem European Green Deal die teilweise noch wenig konkreten Vorgaben in der weiteren Ausgestaltung präzisiert werden, um hinreichend ambitionierte Ziele erreichen zu können.“ Das Wuppertal Institut wertete vor diesem Hintergrund die zentralen bisher verfügbaren Dokumente zum European Green Deal im Diskussionspapier „European Green Deal: Geeignete Grundlage für Konjunkturprogramme im Kontext der Corona-Krise?“ aus und schätzt die Ambitionen der bestehenden Pläne ein. Das Autorenteam ging dafür in drei Schritten vor und fragte:
– Welches Klimaziel strebt die EU-Kommission mit dem European Green Deal an: eine Begrenzung auf 1,5 Grad Celsius, 2 Grad Celsius oder ein anderes Temperaturniveau?
– Sind die angestrebten Ziele, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, ausreichend, um das Temperaturziel erreichen zu können?
– Welche politischen Instrumente sind geplant und erreichen sie in adäquater Weise und hinreichender Sicherheit die im Pariser Klimaabkommen festgelegten Minderungsziele?
Die Green-Deal-Dokumente zeigen, dass die EU-Kommission sich explizit zum Pariser Klimaschutzabkommen bekennt und damit eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf – wie es im Abkommen heißt – „well below 2°C and to pursue efforts to limit it to 1.5°C“ anstrebt. Allerdings: „Sie grenzt das Temperaturintervall selbst aber nicht weiter ein, sondern fokussiert stattdessen auf die Vorgabe ‚Netto-Null-Emissionen bis 2050‘ erreichen zu wollen“, sagt Johannes Thema, Projektleiter im Forschungsbereich Energiepolitik in der Abteilung Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik am Wuppertal Institut.
Vorliegende Analysen zeigen, dass die Zielsetzung „well below 2°C“ unter dieser Voraussetzung sowie einer Reihe von weiteren wichtigen Bedingungen – etwa bei einer zeitnahen und schnellen Reduktion der Emissionen und negativen Emissionen nach 2050 – eingehalten werden kann. Für das 1,5-Grad-Ziel scheint dies allerdings nur unter deutlich weitergehenden Bedingungen möglich. „Von zentraler Bedeutung sind dabei konkrete kurzfristige Maßnahmen zur Emissionsreduktion, also eine deutliche Ambitionssteigerung bis 2030“, erklärt Johannes Thema.
Um das Möglichkeitsfenster noch offen zu halten ist klar, dass das bisher nur angekündigte Vorhaben, das bestehende Zwischenziel der EU für 2030 von 40 Prozent Reduktion gegenüber 1990 auf 50 bis 55 Prozent anzuheben (Art. 2, Entwurf EU-Klimagesetz) unbedingt notwendig ist. Anpassungen sind vermutlich auch für den Zeitraum nach 2030 notwendig. Dafür erscheint auch die Einräumung sogenannter „delegated acts“, das heißt von Sonderbefugnissen für die EU-Kommission zur Definition weiterer Zwischenziele nach 2030 und der Erarbeitung von Richtlinien zur Zielerreichung (Art. 3) ein sinnvolles Instrument und kann Entscheidungsfindung beschleunigen. Anders als medial häufig diskutiert, handelt es sich dabei keineswegs um eine vollständige Ermächtigung der EU-Kommission, die Initiativen unterstehen weiter der Kontrolle des EU-Parlaments und des Rats (Art. 9).
Um das Ambitionsniveau der Europäischen Union (EU) einzuordnen, ist zudem zentral, dass die europäischen Klimaziele durch europäische Emissionsminderungen und nicht durch Kompensationsmechanismen außerhalb der EU erreicht werden sollten. „Allerdings fehlen dazu bisher explizite Vorgaben in den bekannten Veröffentlichungen der EU“, kritisiert Manfred Fischedick und ergänzt: „Die entsprechenden Spezifikationen für den European Green Deal müssen durch das von der EU-Kommission angekündigte umfangreiche Paket mit über 40 Gesetzen, Initiativen und Strategien in den nächsten Jahren erfolgen.“