Milde Winter, früher Vegetationsbeginn, zunehmende Spätfrostgefahr und deutliche Niederschlagsänderungen – das sind einige der möglichen Entwicklungen, die mehr als 120 Klimaszenarien für Norddeutschland im Laufe der nächsten Jahrzehnte als plausibel erscheinen lassen. „Bisher ist das Jahr 2020 exemplarisch für diese Entwicklung, die sich schon seit einigen Jahrzehnten an den norddeutschen Wetterstationen nachvollziehen lässt“, erklärt Dr. Insa Meinke, Leiterin des Norddeutschen Küsten- und Klimabüros am Helmholtz-Zentrum Geesthacht.
Der milde Winter ließ es bereits vermuten: Der Frühling konnte 2020 in Norddeutschland früh starten. Vergleichsweise hohe Temperaturen führten zu einer beschleunigten Pflanzenentwicklung. So zeigten sich in diesem Jahr bereits Anfang März die ersten Forsythienblüten im Hamburger Raum. In der Referenzperiode 1961 bis 1990 lag der thermische Vegetationsbeginn in Norddeutschland etwa im letzten Märzdrittel (circa am 22. März). Innerhalb der letzten Jahrzehnte hat sich diese Phase deutlich nach vorne verlagert, sodass sie in der jüngsten Klimaperiode (1986-2015) bereits Ende Februar / Anfang März beginnt. Die regionalen Klimaszenarien weisen darauf hin, dass sich diese Entwicklung künftig weiter fortsetzen wird.
Zunehmende Spätfrostgefahr
Nach milden Wintern und frühem Vegetationsbeginn sind Pflanzen besonders frostempfindlich, sodass Spätfrost zu starken Schäden führen kann. Frosttage sind im Frühjahr durch die Erwärmung auch in Norddeutschland bereits deutlich weniger geworden. Während es im Referenzzeitraum 1961 bis 1990 in Norddeutschland noch etwa 16 Frosttage im Frühjahr gab, sind es in der jüngsten Klimaperiode (1986 – 2015) im norddeutschen Durchschnitt bereits drei bis vier Frosttage weniger. „Dieser Frühling mag vor allem nach dem milden Winter zwar kühl erscheinen, jedoch bezogen auf die relativ geringe Anzahl der Frosttage entspricht er zumeist genau dem, was wir in dieser Jahreszeit in einem wärmer werdenden Klima erwarten“, so Insa Meinke vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht.
Anders als der Vegetationsbeginn, tritt der letzte Frosttag derzeit kaum früher auf als im Referenzzeitraum (1961 – 1990). An vielen Messstationen Norddeutschlands ist dieser Termin im langjährigen Mittel nach wie vor Mitte April. Auch in diesem Jahr war der 14. April vielerorts der bisher letzte Frosttag. Innerhalb der nächsten 30 Jahre kann die Anzahl der Frosttage im Frühjahr in Norddeutschland zwar deutlich zurückgehen, der letzte der dann recht seltenen Frosttage kann jedoch noch immer relativ spät, Ende März / Anfang April auftreten.
In Zukunft länger andauernde Trockenphasen?
Vielen Landwirten macht derzeit vor allem die Trockenheit zu schaffen. Vor allem im Frühjahr hat sich die Dauer längster Trockenperioden in den vergangenen Jahrzehnten um etwa zehn bis zwanzig Prozent verlängert. Die aktuelle Trockenphase dauert in Norddeutschland größtenteils schon seit Ende März an und ist somit schon jetzt an vielen norddeutschen Stationen 30 bis 50 Prozent länger als die längsten Frühlings-Trockenphasen in der Referenzperiode (1961 – 1990). Auch hat sich die Niederschlagsmenge im Frühjahr insgesamt in den letzten Jahrzehnten verringert. Diese Entwicklung lässt sich an allen ausgewerteten Messstationen Norddeutschlands nachvollziehen und liegt im norddeutschen Durchschnitt bei rund fünf Prozent im Vergleich zur Referenzperiode (1961 – 1990).
Künftige Niederschlagsentwicklung nicht eindeutig
Für die Zukunft lässt sich aus den regionalen Klimaszenarien jedoch keine eindeutige Niederschlagsentwicklung für das Frühjahr ableiten. Keines der 120 ausgewerteten Szenarien deutet darauf hin, dass sich die bisherige Niederschlagsabnahme im Frühjahr künftig in der gleichen Intensität fortsetzt. Einige Klimaszenarien weisen zwar auf eine weitere Abnahme des Frühlings-Niederschlages in den kommenden Jahrzehnten hin, diese kann bis Ende des Jahrhunderts bei minus elf Prozent liegen und würde mit einer weiteren Ausdehnung langer Trockenphasen einhergehen. „Aus heutiger Sicht genauso plausibel ist jedoch auch eine deutliche Niederschlagszunahme im norddeutschen Frühling von bis zu 40 Prozent zum Ende des Jahrhunderts“, so Insa Meinke. „Für langfristige Planungen ist daher ein fortlaufendes Monitoring aktueller Entwicklungen unerlässlich.“