Coronavirus-Forschung mit vereinten Kräften

Genomforscher schließen sich zur Deutschen COVID-19 OMICS Initiative (DeCOI) zusammen / Ziel ist es, das Virus schneller zu erforschen und zu verstehen, warum manche Menschen schwer und andere nur leicht erkranken

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Wie verändert das neue Coronavirus (SARS-CoV-2) seine Erbinformation? Welche weiteren Infektionen bei Patienten treten auf? Gibt es genetische Risikofaktoren, die eine Infektion begünstigen? Zahlreiche Genomforscher sind intensiv damit beschäftigt, ihre Expertise und Sequenzier-Infrastruktur zu bündeln, um einen wissenschaftlichen Beitrag zur Bewältigung der COVID-19 Pandemie zu leisten. Diese Aktivitäten werden nun offiziell in der Deutschen COVID-19 OMICS Initiative (DeCOI) zusammengeführt, um die Forschung zu beschleunigen. Wissenschaftler an mehr als 22 Institutionen sind aktiv an DeCOI beteiligt – und es werden kontinuierlich mehr.

An vielen Stellen in der Welt wird inzwischen das Genom, also das gesamte Erbgut, von SARS-CoV-2 entschlüsselt, um damit Veränderungen der Erbinformation des Virus zu charakterisieren. Je mehr solche Virusgenome sequenziert werden, desto besser können Wissenschaftler die Variation des Virus verstehen. Mit der Analyse der Verwandtschaftsstruktur einzelner Viren lassen sich Rückschlüsse auf deren Herkunft und auf unterschiedliche Formen des Virus in der Bevölkerung ziehen.

Genomforschung am DRESDEN-concept Genome Center © CRTD

„Wir sind zurzeit damit beschäftigt, die Protokolle zur Sequenzierung von SARS-CoV-2 an allen größeren Sequenzierzentren in Deutschland zu vereinheitlichen, um in verschiedensten Regionen des Landes Virusgenome zu bestimmen“, sagt Professor Dr. Alexander Dilthey von den Universitäten zu Köln und Düsseldorf, der innerhalb der Deutschen COVID-19 OMICS Initiative (DeCOI) die Aktivitäten zur Erforschung der Virusgenome koordiniert. „Um COVID-19 und dessen Ausbreitung zu verstehen, müssen möglichst viele SARS-CoV-2-Genome sequenziert werden und offen zugreifbar sein“, so Alice McHardy vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig) und Konrad Förstner vom ZB MED, Informationszentrum Lebenswissenschaften in Köln.

Eine DeCOI-Gruppe vermutet, dass es auch genetische Risikofaktoren gibt, die die Wahrscheinlichkeit sich zu infizieren oder die Schwere der Erkrankung beeinflussen können.

Um genetische Risikofaktoren zu erkennen, müssen von vielen tausend Patienten Genome sequenziert werden. Prof. Dr. Peter Nürnberg, der Sprecher des West German Genome Centers (WGGC), betont:  „Bei diesem Ansatz ist Vernetzung alles, wir brauchen für den Erfolg dieser aufwendigen Analysen neben großen eigenen Anstrengungen den Schulterschluss mit unseren Kollegen in aller Welt.“

Die Genomforschung produziert immense Datenmengen, die zur Auswertung der Forschungsergebnisse computergestützt analysiert werden. Neben den durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft Gemeinschaft geförderten Next Generation Sequencing-Kompetenzzentren, wie das WGGC, waren deshalb die Experten des German Human Genome Phenome Archive (GHGA) von Anfang an federführend bei der Entwicklung von DeCOI mit dabei.

Ziel der funktionellen Genomik ist es, ganze Organsysteme funktionell zu charakterisieren. Häufig werden dabei mehrere molekulare Ebenen der Regulation erfasst und kombiniert. An mehreren Standorten in Deutschland werden diese Verfahren im Rahmen klinischer Studien genutzt, um zum Beispiel die Wirksamkeit neuer Medikamente gegen SARS-CoV-2 zu testen. „Mit Hilfe von Multi-Omics Analysen können wir schnell und umfassend bestimmen, welche biologischen Prozesse bei der Erkrankung selbst ausgelöst werden und wie diese durch Medikamente positiv beeinflusst werden können“, sagen Prof. Dr. Philip Rosenstiel von der Universität Kiel und Priv.-Doz. Dr. Dr. Jan Rybniker vom Universitätsklinikum Köln. Diese umfassenden Daten bieten zudem die Möglichkeit, besser zu verstehen, warum manche Menschen schwer und andere nur leicht erkranken.

Die noch sehr junge Einzelzell-Sequenzierung ermöglicht sehr vielversprechende Einsichten in das komplexe Geschehen im Körper der Erkrankten. DeCOI-Forscher sind in großen internationalen Konsortien unter anderem daran beteiligt, die Verteilung der Rezeptoren auf den Zellen des Körpers zu bestimmen, die für den Eintritt des SARS-CoV-2 verantwortlich gemacht werden. Ziel ist herauszubekommen, welche Immunzellen in Prozesse involviert sind, die besonders bei Patienten mit schweren Verläufen vorkommen, um hierfür neue Therapiemöglichkeiten zu erkennen.

„Durch den Zusammenschluss zur DeCOI sollten wir in der Lage sein, parallel viel mehr Fragen gemeinsam schneller beantworten zu können“, sagt Prof. Dr. Joachim Schultze vom LIMES-Institut der Universität Bonn, der die Initiative zurzeit koordiniert. „Jetzt wird es wichtig sein, dass wir DeCOI mit weiteren Initiativen eng vernetzen, um weltweit fundiertes Wissen zur Bewältigung der Krise beizutragen.“

Die Mitglieder der Deutschen COVID-19 OMICS Initiative (DeCOI):

Robert Bals (Universität des Saarlandes), Ezio Bonifacio (TU Dresden), Maria Colome-Tatche (Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt/HMGU), Andreas Diefenbach (Charité – Universitätsmedizin Berlin), Alex Dilthey (Universität zu Köln, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf), Nicole Fischer (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf), Konrad Förstner (ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften), Julien Gagneur (TU München), Michael Hummel (Charité), Birte Kehr (Charité), Andreas Keller (Uni des Saarlandes), Sarah Kim-Hellmuth (TU München), Oliver Kohlbacher (Universitätsklinikum Tübingen), Ingo Kurth (RWTH Aachen), Markus Landthaler (Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin Berlin/MDC), Kerstin Ludwig (Universitätsklinikum Bonn/UKB), Alice McHardy (Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung Braunschweig), Christian Mertes (TU München), Markus Nöthen (UKB), Peter Nürnberg (Universität zu Köln), Uwe Ohler (MDC), Klaus Pfeffer (Uniklinik Düsseldorf), Nikolaus Rajewsky (MDC), Markus Ralser (Charité), Olaf Rieß (UK Tübingen), Stephan Ripke (Charité), Philip Rosenstiel (Universität Kiel), Jan Rybniker (Uniklinik Köln), Joachim L. Schultze (Universität Bonn/DZNE), Oliver Stegle (Deutsches Krebsforschungszentrum), Fabian Theis (HMGU), Janne Vehreschild (Uni Köln), Max von Kleist (Robert Koch-Institut), Jörn Walter (Uni des Saarlandes) und Dagmar Wieczorek (Uniklinik Düsseldorf).