Klimawandel fördert im Boden lebende Erreger von Pflanzenkrankheiten

Ökosysteme in mittleren und hohen Breitengraden auf der nördlichen Erdhalbkugel werden voraussichtlich verstärkt von der Zunahme bodengebundener Erreger von Pflanzenkrankheiten betroffen sein. Das Bild zeigt Wälder im Westen der USA.

Die Klimaerwärmung wird weltweit zu einer Zunahme von bodengebundenen Krankheitserregern für Pflanzen führen. Darunter sind auch Krankheiten wichtiger Nahrungs- und Arzneipflanzen, was langfristig die Ernährungssicherheit und Lebensqualität der Weltbevölkerung gefährden könnte. Zu diesem Ergebnis kommt eine experimentelle Studie unter Beteiligung von Wissenschaftlern des Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der Universität Leipzig (UL) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), die im Fachmagazin Nature Climate Change veröffentlicht wurde.

Ein Teelöffel Erde enthält Millionen Mikroorganismen. Die meisten dieser Bodenorganismen sind für den Menschen von Nutzen, denn sie verbessern die Fruchtbarkeit der Böden, regulieren das Klima und helfen mit, Nahrungsmittel und andere Naturprodukte herzustellen. Andere hingegen vernichten als Krankheitserreger regelmäßig ganze Ernten und verursachen so massiven wirtschaftlichen Schaden oder gar Hungersnöte. Einer der am meisten verbreiteten Getreidepilze ist Fusarium. In Nordamerika betrug Ende der 1990er Jahre der durch diesen Erreger verursachte jährliche Verlust bei Weizen und Gerste rund eine Milliarde US-Dollar.

Steigende Bedeutung der Böden für die Gesundheit weltweit wichtiger Kulturpflanzen

Die aktuelle Studie eines internationalen Forscherteams mit maßgeblicher Beteiligung von iDiv, UL und MLU zeigt nun, dass die zunehmende Klimaerwärmung zur Vermehrung bodengebundener Krankheitserreger für Pflanzen beiträgt. Das könnte längerfristig die globale Ernährungssicherung gefährden, die derzeit auf relativ wenigen Pflanzenarten fußt. Betroffen davon sind Nutzpflanzen wie Weizen, Sonnenblumen oder Gemüse, aber auch solche, die für die Produktion von Kosmetika oder Arzneimitteln verwendet werden, zum Beispiel Hibiskus und Aloe Vera. Außerdem wären wildwachsende Pflanzenarten betroffen, die als Nahrung für Wildtiere dienen. Dazu glichen die Forscher Beobachtungsdaten aus globalen Datenbanken mit Ergebnissen eines Langzeitexperiments ab. Sie nahmen Bodenproben an 235 verschiedenen Standorten auf sechs Kontinenten und in 18 Ländern und deckten so die gesamte Bandbreite von Klimabedingungen – von Wüsten bis hin zu tropischen Inseln – ab.

Foto: Researchgate

Darüber hinaus nutzten sie Daten eines zehnjährigen Feldexperiments bei Madrid, das ein Forschungsteam um Co-Autor Fernando Maestre an der Universität Alicante durchführt. Die Zusammenarbeit zwischen Maestre und Wissenschaftlern am iDiv fand 2019 im Rahmen eines Sabbatjahres in iDiv‘s Synthesezentrum sDiv statt. „Dass die Studie globale Beobachtungdaten mit Daten aus einem zielgerichteten Experiment verbindet, macht sie besonders wertvoll“, sagt Prof. Nico Eisenhauer, Leiter der Arbeitsgruppe Experimentelle Interaktionsökologie bei iDiv und der UL. „Dies ermöglichte es uns, wissenschaftlich zu beweisen, dass die weltweite Zunahme von Pathogenen in den Böden tatsächlich durch die Klimaerwärmung vorangetrieben wird.“

 

Erster globaler Atlas bodengebundener Pflanzenpathogene

Die Studie bietet außerdem einen ersten globalen Atlas bodengebundener Pflanzenpathogene und zeigt, wo auf der Erde diese heute am häufigsten vorkommen bzw. berechnet, wo sie unter verschiedenen Voraussetzungen zukünftig vorkommen werden. Für diese Modelle berücksichtigten die Forscher drei verschiedene Szenarien, welche wirtschaftlichen Pfade die globale Gesellschaft künftig beschreitet (sogenannte „shared socioeconomic pathways“ — SSPs): Nachhaltigkeit, regionale Ungleichheit sowie das Festhalten an fossilen Brennstoffen.

Forscher bei der Entnahme von Bodenproben in Spanien. Trockengebiete gehören heute zu den Ökosystemen mit den höchsten Anteilen an bodengebundenen Pflanzenpathogenen.

Die Ergebnisse ermöglichen es vorherzusagen, welche Regionen künftig besonders anfällig für mikrobielle Schädlingskrisen sind. So zeigte sich, dass die Böden weiter Teile Asiens, Afrikas, Australiens und Amerikas bereits hohe Anteile von Pflanzenpathogenen enthalten. Dabei handelt es sich um Regionen mit warmem Klima, wie heiße Wüsten oder tropische Wälder. Betroffenen sind aber auch menschenreiche Gebiete mit einem starken Bevölkerungswachstum.

Foto: Researchgate

Bevölkerungsreiche Weltregionen betroffen

„Die Folgen wirken sich wahrscheinlich auch auf die Ernährung der wachsenden Bevölkerung aus, insbesondere in den am wenigsten entwickelten Ländern, wo die Mehrzahl der Menschen weitestgehend von der Viehzucht und den Produkten abhängig sind, die von den natürlichen Ökosystemen ermöglicht werden“, sagt Co-Autor Dr. Carlos António Guerra, der bei iDiv und MLU forscht. Den stärksten Zuwachs an Pflanzenpathogenen zeigen die Modelle aber in den Böden der nördlichen Hemisphäre, nahe der Arktis und in Südamerika, wo bei allen Szenarien, selbst bei einer nachhaltigen Entwicklung, ein Anstieg der Temperatur vorhergesagt wird. „Die Klimaerwärmung findet bereits statt, und wir müssen uns an die Folgen jahrelanger Nutzung fossiler Brennstoffe anpassen“, meint Erstautor Dr. Manuel Delgado-Baquerizo von der Pablo de Olavide-Universität Sevilla. „Das Wissen darüber, wie sich der Klimawandel auf die mikrobiellen Gemeinschaften im Boden und damit auf die Produktion von Nahrungsmittel und Naturfasern auswirken wird, ist überlebenswichtig. Dies ist umso mehr der Fall, wenn wir in Zukunft eine stetig wachsende Bevölkerung versorgen wollen.“