Die Vielfalt von Insekten oder Vögeln ist rückläufig in Deutschland. Neben anderen Gründen haben eine intensivierte Landwirtschaft, das Verschwinden von Brachen und Landschaftselementen, aber auch die Aufgabe einer eher traditionellen und extensiven Weidewirtschaft manchen Arten die Lebensgrundlage entzogen. Um dieser Entwicklung Einhalt zu bieten, läuft bereits seit den späten 1990er Jahren in Deutschland die Umsetzung der EU-Naturschutzstrategie „Natura 2000“, die der Landwirtschaft jedoch seit vielen Jahren Probleme bereitet.
Um den Ursachen dafür auf den Grund zu gehen, arbeitet Professor Sebastian Lakner von der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock an einer Studie zur Umsetzung von Natura 2000 in der Landwirtschaft. Aufgrund der schleppenden Umsetzung der EU-Naturschutzstrategie „Natura 2000“ führt die EU-Kommission seit 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland durch. Der Verschlechterung der Lebensräume von Zielarten wie z.B. dem inzwischen sehr seltenen Wiesenknopfameisenbläuling werde nicht ausreichend entgegengewirkt. Erst jüngst hat am 19. Mai 2020 die Bundesumweltministerin Svenja Schulze in Berlin in ihrem „Bericht zur Lage der Natur“ auf den Rückgang der Biodiversität insgesamt und der Verschlechterung des artenreichen Grünlandes hingewiesen. Wie die gegebenen Naturschutzziele gemeinsam mit der Landwirtschaft erreicht werden können, hat Professor Sebastian Lakner in einer mehrjährigen Studie mit dem Umweltforschungszentrum (UFZ) in Leipzig und dem Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin untersucht.
Mit den Landwirten im Dialog eine Lösung auf freiwilliger Basis erarbeiten
Woran liegt es, dass es den Landwirten so schwerfällt, naturnäher und umweltfreundlicher zu wirtschaften? Professor Sebastian Lakner arbeitet seit 2004 an einer Langzeitstudie, um den Fragen der Umsetzung auf den Grund zu gehen. Dabei hat er sich mit Sachsen gerade ein Bundesland vorgenommen, dass bei der Umsetzung verhältnismäßig erfolgreich ist: „In Sachsen hat man versucht“, so seine Einschätzung, „mit den Landwirten im Dialog eine Lösung auf freiwilliger Basis zu erarbeiten und hat für finanziellen Ausgleich gesorgt, statt einfach strenge rechtliche Vorgaben festzulegen und gegebenenfalls Bußgelder zu verhängen.“ Von diesem erfolgversprechenden Beispiel, so Lakner, könnten andere Bundesländer lernen, wie die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) der Europäischen Union umgesetzt werden kann.
Auch große Betriebe können Naturschutz mit Engagement betreiben
Für die Studie hat Lakner im Rahmen der FFH-Managementplanung zwischen 2004 und 2011 131 Interviews mit landwirtschaftlichen Betriebsleiterinnen und -leitern in Sachsen durchgeführt. Wie sich zeigte, war die Bereitschaft zur Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen auf Grünlandflächen bei einer „abgemilderten Kompromissvariante“ am größten. „Das ist überraschend. Wäre doch eher zu erwarten gewesen, dass die Landwirte der Weiterführung der bisherigen Praxis zustimmen und die aus Sicht des Naturschutzes ,optimale‘ Variante ganz abwählen würden“, so der Rostocker Agrarökonom Lakner. Des Weiteren zeige sich, dass die Lage der Grünlandflächen eine wichtige Rolle für die Umsetzung spiele. Auf besonders weit vom Betrieb entfernten Flächen wurde eine geringere Bereitschaft zur Umsetzung festgestellt. Unerwartet sei dagegen, dass die Betriebsgröße keine besondere Rolle spiele. „Auch große Betriebe können Naturschutz mit hohem Engagement betreiben“, konstatiert Lakner zuversichtlich.
Die Landwirtschaft gilt weithin als traditionsbewusst, was Neuerungen teilweise im Weg zu stehen scheint. Das wird in der Wissenschaft als „Pfadabhängigkeit“ bezeichnet. Dennoch gibt sich Dr. Yves Zinngrebe vom Umweltforschungszentrum (UFZ) in Leipzig als Mitautor der Studie überzeugt: „Mit Hilfe der zielgerichteten Kombination von FFH-Managementplanung und den spezifischeren Agrarumweltprogrammen können solche Pfadabhängigkeiten aufgebrochen werden.“ Dr. Dieter Kömle vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin ergänzt: „Die Ergebnisse zeigen, dass die Umsetzungsbereitschaft sowohl von betriebswirtschaftlichen Überlegungen als auch von bisherigen Erfahrungen mit Agrar-Umweltprogrammen abhängt. Insbesondere wenn die Umsetzung starke Änderungen im Betriebsablauf erfordern würden, ist Umsetzungswahrscheinlichkeit gering.“
Die Wissenschaftler der Studie empfehlen als Schlüssel zur erfolgreichen Umsetzung einer umweltfreundlicheren Landwirtschaft den Dialog mit den Landwirten, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln, die eine möglichst geringe Änderung im Betriebsablauf erfordern und mit einer umweltgerechten Agrarförderung verbunden sind.