Wie gehen Pflanzen eigentlich mit Wunden um?

Zu viel Auxin kann tumoröses Verhalten verursachen Lukas Hoermayer / IST Austria

Wenn wir uns in die Finger schneiden, strömt Blut aus der Wunde, das dabei hilft die Verletzung rasch wieder zu schließen. Doch das Gemüse, das wir kleinschneiden wollten, hätte auf so eine Verletzung ganz anders reagiert. Wissenschafter des Institute of Science and Technology Austria (IST Austria) untersuchten, wie Pflanzenzellen Wunden heilen. In ihren Ergebnissen, die am 15. Juni in PNAS veröffentlicht wurden, stellten die Forscher fest, dass das Hormon Auxin und Druckveränderungen für die Regeneration entscheidend sind.

Alle lebenden Organismen erleiden Verletzungen. Tiere und Menschen haben bewegliche Zellen, die Wunden finden, sich ihnen nähern und sie heilen können. Pflanzenzellen sind jedoch unbeweglich und können den Schaden nicht einfach mit speziellen Zellen auffüllen. Stattdessen beginnen die benachbarten Zellen schnell zu wachsen oder sich zu vermehren um die Verletzung zu verschließen.

Das Institute of Science and Technology – Austria (IST Austria) ist eine postgraduale Wissenschaftseinrichtung in Österreich, die nach dem Vorbild internationaler Einrichtungen wie dem Weizmann-Institut oder der Rockefeller University Spitzenforschung im Bereich der Grundlagenforschung betreiben soll. Im Unterschied zu den Universitäten werden keine Grundstudien, sondern ausschließlich ein interdisziplinäres PhD-Programm angeboten. Grundlage des Instituts ist ein eigenes Gesetz,das im März 2006 beschlossen wurde. Das Institute of Science and Technology Austria hat seinen Sitz in Maria Gugging, einem Ortsteil von Klosterneuburg, nördlich von Wien. Im Jahr 2019 wurde das Institut im „Academic Nature Index“ (eine größengewichtete Auswertung der Publikationen in international etablierten Fachjournalen) der wissenschaftliche Fachzeitung „Nature“ auf dem weltweit dritten Platz bewertet. Quelle: Wikipedia

Dabei entscheidet jede einzelne Zelle, ob sie sich ausdehnen oder teilen muss, um die Wunde zu füllen. Obwohl Wissenschafter seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Regeneration in Pflanzen untersuchen, blieben die „Gründe“ für diese Entscheidungen der Zellen unklar.

Foto: IST

Nun entdeckten Wissenschafter in der Gruppe von Professor Jiří Friml vom Institute of Science and Technology Austria (IST Austria), dass das Hormon Auxin und der Druck den Weg der Pflanze zur Regeneration lenken. „Es ist unglaublich faszinierend, wie robust und flexibel die Regeneration in Pflanzen ist, wenn man bedenkt, wie statisch uns diese Organismen erscheinen“, sagt Lukas Hoermayer, ein führender Wissenschafter in dieser Studie. Um die Wundheilung zu untersuchen, verwendeten die Wissenschafter einen Laser, mit dem sie die Wurzel einer Ackerschmalwand gezielt verletzen konnten. Anschließend verfolgten sie die Zellen während der Regeneration mit einem Mikroskop. Dabei entdeckten die Wissenschafter, dass das Wachstumshormon Auxin eine wichtige Rolle bei der Wundheilung spielt. Es baut sich in den Zellen auf, die die Wunde direkt berühren, und erleichtert die Reaktion der Pflanze auf Verletzungen.
Als die Wissenschafter die Auxinmenge künstlich veränderten, reagierten entweder keine oder zu vielen Zellen auf die Wunde. Dieser unkoordinierte Prozess führte manchmal sogar zu einer tumorösen Schwellung der Wurzel.

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„Nur die Koordination vieler Zellen im gesamten Gewebe führt zu so einer präzisen und lokalisierten Wundreaktion“, erklärt Lukas Hoermayer. Darüber hinaus registrierte das Team eine extreme Druckveränderung um die Wunde herum, ausgelöst durch die kollabierenden Zellen der Wunde. Als die Wissenschafter den allgemeinen Zelldruck reduzierten, verschwand diese Druckveränderung bei der Verwundung und die Wundheilung wurde geschwächt. Indem sie die Pflanzenregeneration mikroskopisch beobachteten und sie mit chemischen Behandlungen modifizierten, identifizierten die Wissenschaftler Auxin-Konzentrations- und Druckänderungen als steuernde Prozesse. Ihre Ergebnisse tragen zu einem besseren Verständnis der Wundheilung in der Pflanzenwurzel bei. Mit diesem Verständnis können Forscher in Zukunft besser das Überleben von Wurzeln in Sandböden oder in der Gegenwart von Pflanzenfressern untersuchen.