Die saure Gefahr für die Meere

Die Schale dieser Pteropoda («Flügelschnecke»), einer Meeresschneckenart, wurde durch versauertes Ozeanwasser beschädigt. Dies zeigt sich an den von innen nach aussen verlaufenden Linien.

Der Arktische Ozean wird in diesem Jahrhundert mehr CO2 aufnehmen, als die meisten Klimamodelle bisher berechnet haben. Damit wird auch die zu erwartende Versauerung deutlich grösser. Dies belegt eine Studie von Klimaforschenden der Universität Bern und der ENS in Paris. Die Ozeanversauerung bedroht Lebewesen mit Kalkschalen – etwa Muscheln oder Meeresschnecken – und kann so gravierende Auswirkungen auf die gesamte Nahrungskette haben. Die Weltmeere nehmen grosse Mengen des vom Menschen ausgestossenen CO2 aus der Atmosphäre auf. Das zusätzlich aufgenommene CO2 führt zu einer Versauerung der Ozeane, die bereits heute beobachtet wird. Diese Folge des Klimawandels trifft vor allem Organismen mit Kalkschalen und -skeletten, wie zum Beispiel Muscheln, Seeigel, Seesterne und Korallen. Unter den Weltmeeren ist es der Arktische Ozean, in dem die Versauerung am weitesten vorangeschritten ist.

Eine soeben in der renommierten Fachzeitschrift «Nature» veröffentlichte Studie des Berner Klimaforschers Jens Terhaar und Kollegen von der École normale supérieure (ENS) in Paris zeigt, dass die Versauerung des Arktischen Ozeans weit grösser ausfallen dürfte als erwartet. Die Untersuchung hat ergeben, dass das kleinste der sieben Weltmeere bis Ende dieses Jahrhunderts 12 Prozent mehr CO2 aufnehmen wird, dies unter der Annahme, dass der Treibhausgasanstieg ungebremst voranschreitet. «Das führt zu einer erheblich grösseren Versauerung vor allem in einer Tiefe zwischen 200 bis 1000 Metern», erklärt Jens Terhaar, Mitglied der Gruppe für Ozean-Modellierungen des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung der Universität Bern. Dieser Tiefenbereich ist ein wichtiger Rückzugsraum für zahlreiche Meereslebewesen.

Folgen für die gesamte Nahrungskette

Von der Versauerung der Meere sind alle Lebewesen, die Kalkschalen bilden, direkt betroffen. In versauertem Meerwasser fehlt ausreichend Kalziumkarbonat als Baustein von Kalkskeletten unter anderem für Muscheln, Schnecken, Seeigel und Phytoplankton. «Unsere Resultate legen nahe», so Co-Autor Lester Kwiatkowski, «dass eine Anpassung der Schalentiere an die Versauerung im Arktischen Ozean immer schwieriger wird.» Gehen diese Tiere in der Nahrungskette verloren, wirkt sich das wahrscheinlich auch negativ auf die gesamte Nahrungskette aus, bis hin zu Fischen und Meeressäugetieren.

Neue Methode erlaubt verlässlichere Vorhersagen

Das internationale Forschungsteam ging bei seiner Studie von der Feststellung aus, dass Modellrechnungen zum vom Arktischen Ozean absorbierten CO2 je nach Klimamodell zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen. Den Forschenden gelang es, über alle Modelle hinweg einen physikalischen Zusammenhang zwischen der heutigen Dichte des Meerwassers an der Oberfläche und der damit verbundenen Bildung des Tiefenwassers herzustellen. Eine grössere Tiefenwasserbildung führt zu grösserem Transport von CO2 ins Innere des Ozeans und somit zu einer stärkeren Versauerung. Die Dichte des Oberflächenwassers dient somit als indirekter Anzeiger für die Versauerung des Arktischen Ozeans.

Dr. Jens Terhaar, Klima- und Umweltphysik (KUP) und Oeschger-Zentrum für Klimaforschung OCCR

Mit Hilfe von Messungen der Meerwasserdichte ermöglicht dieser Zusammenhang den Forschenden, die bisherigen Unsicherheiten der Modellrechnungen zu reduzieren. So gelang es dem Team, weit bessere Schätzungen zum Ausmass der künftigen Versauerung abzugeben. Eine grössere Tiefenwasserbildung führt zu grösserem Transport von CO2 ins Innere des Ozeans und somit zu einer stärkeren Versauerung. Die Dichte des Oberflächenwassers dient somit als indirekter Anzeiger für die Versauerung des Arktischen Ozeans. Mit Hilfe von Messungen der Meerwasserdichte ermöglicht dieser Zusammenhang den Forschenden, die bisherigen Unsicherheiten der Modellrechnungen zu reduzieren. So gelang es dem Team, weit bessere Schätzungen zum Ausmass der künftigen Versauerung abzugeben.

Oeschger-Zentrum für Klimaforschung: Das Oeschger-Zentrum für Klimaforschung (OCCR) ist eines der strategischen Zentren der Universität Bern. Es bringt Forscherinnen und Forscher aus 14 Instituten und vier Fakultäten zusammen. Das OCCR forscht interdisziplinär an vorderster Front der Klimawissenschaften.

Foto: Uni Bern

Das Oeschger-Zentrum wurde 2007 gegründet und trägt den Namen von Hans Oeschger (1927-1998), einem Pionier der modernen Klimaforschung, der in Bern tätig war. „Oeschgers grosse Leistung war es, Methoden der modernen Physik in die Erforschung des Systems Erde einzubringen. 1962 begann er Firn und Eis, die physikalische und chemische Informationen über die Umwelt enthalten, zu erforschen. Die Teilnahme an internationalen Expeditionen nach Grönland und in die Antarktis verschaffte seiner Forschungsgruppe Zugang zu polaren Eisbohrkernen. Dank den von Oeschger und seinen Kollegen entwickelten Bohr- und Messmethoden gelang aus diesen Kernen eine einzigartige Rekonstruktion der Klimageschichte.“ Quelle: Der Präsident der Universität Bern.