Die Menschheit wird es nicht schaffen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wenn nicht entschiedene Maßnahmen ergriffen werden. Das hat der Weltklimarat (IPCC) in seinem Sonderbericht von 2018 gezeigt. Zusätzlich zur Reduktion der Emissionen auf Netto-Null müssen Treibhausgase auch aktiv aus der Atmosphäre entfernt werden. Ab 1. Juli beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 14 Institutionen in sechs Ländern mit Chancen und Risiken ozeanbasierter Technologien für derartige „negative Emissionen“. Die EU fördert das Projekt OceanNETs mit insgesamt 7,2 Millionen Euro. Die Gesamtkoordination liegt beim GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.
Im Jahr 2015 einigte sich die internationale Gemeinschaft in Paris darauf, die globale Erwärmung auf zwei Grad oder weniger zu begrenzen. Im Jahr 2018 veröffentlichte der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) einen Sonderbericht, der deutliche Vorteile bei der Begrenzung der globalen Erwärmung auf nur 1,5 Grad aufzeigt: weniger Verlust an Biodiversität, weniger Wetterextreme, geringerer Meeresspiegelanstieg, um nur einige Beispiele zu nennen. Vom IPCC verwendete Modellrechnungen zeigen auch, dass dieses 1,5-Grad-Ziel noch erreichbar ist. Fast alle Simulationen benötigen dafür aber negative Emissionen.
„Das bedeutet, dass neben den dringend notwendigen Emissionsreduktionen auch Technologien und naturnahe Lösungen notwendig sind, die Kohlendioxid aktiv aus der Atmosphäre entfernen“, sagt Dr. David Keller, Klimaforscher am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Solche Technologien mit negativen Emissionen (NETs) werden bereits seit mehreren Jahren auf Potenziale, Risiken und Nebenwirkungen hin untersucht. „Bisher lag der Schwerpunkt jedoch meist auf landgestützten Methoden“, sagt Dr. Keller, „das Wissen über ozeanbasierte NETs ist nach wie vor begrenzt, obwohl der Ozean schon wegen seiner Oberfläche und seines Volumens eine viel höhere Kapazität zur Kohlenstoffaufnahme und -speicherung besitzt.“ Um die bestehenden Wissenslücken zu schließen, hat Dr. Keller zusammen mit Partnern aus 14 Institutionen in sechs verschiedenen Ländern erfolgreich Fördermittel für das Projekt OceanNETs bei der Europäischen Gemeinschaft eingeworben. Sie fördert es im Rahmen des Horizon2020-Programms in den nächsten vier Jahren mit insgesamt 7,2 Millionen Euro. Davon gehen allein 2,5 Millionen Euro ans GEOMAR für die Projektkoordination und mehrere Teilprojekte.
Insgesamt wird OceanNETs die Potenziale und Risiken der vorgeschlagenen ozeanbasierten NETs mit einem transdisziplinären Ansatz erforschen. Ziel des Projekts ist herauszufinden, ob ozeanbasierte NETs eine wesentliche und nachhaltige Rolle bei der Erreichung von Klimaneutralität im Sinne des Pariser Klimaabkommens spielen können. Der Schwerpunkt liegt dabei nicht nur auf der naturwissenschaftlichen Bewertung dieser Technologien. Das Projekt wird auch untersuchen, welche Auswirkungen sie auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben können sowie der Frage nachgehen, wie diese Sektoren die Möglichkeiten zum Einsatz von NETs bestimmen.
„OceanNETs beschreitet neue Wege, indem es renommierte Experten aus Wirtschaft, Politik, Recht, Sozial- und Naturwissenschaften zusammenführt und einen engen Dialog mit den Interessengruppen in einem einzigen integrierten Projekt etabliert“, betont Dr. Keller, „damit wir am Ende die ozeanbasierten NETs im Rahmen der UN-Nachhaltigkeitsziele und für weitere nationale und internationale Klimapläne evaluieren können“.
GEOMAR ist innerhalb des Projekts für die Gesamtkoordination sowie für den Wissenstransfer an die verschiedenen Akteure verantwortlich. Dabei greift OceanNETs auf Erfahrungen und Methoden zurück, die bereits im DFG-Schwerpunktprogramm zur Bewertung von Climate Engineering (SPP 1689, von Prof. Dr. Andreas Oschlies ebenfalls am GEOMAR koordiniert) erfolgreich in einem theoretischen und modellierenden Rahmen untersucht wurden.
Im Rahmen von OceanNETs sind nun auch Experimente in den GEOMAR-Laboratorien und mit den Kieler KOSMOS-Offshore-Mesokosmen vor Gran Canaria (Spanien) und Bergen (Norwegen) geplant, um die Wirkungen und Nebenwirkungen der sogenannten Ozean-Alkalinisierung zu testen. Dabei werden alkalische Mineralien unter streng kontrollierten Bedingungen in den abgeschlossenen Mesokosmen-Versuchsbehältern im Meerwasser gelöst, um den pH-Wert des Wassers zu erhöhen und damit die Fähigkeit des Ozeans, CO2 zu absorbieren, zu steigern. „Wir wollen die möglichen Risiken und Nebenwirkungen der Ozeanalkalinisierung für das Leben im Meer besser verstehen, inklusive möglicher positiver Effekte. Schließlich wirkt dieser Ansatz der Versauerung der Ozeane entgegen“, fasst Prof. Dr. Ulf Riebesell von GEOMAR zusammen.
Mit Hilfe von numerischen Modellen werden die Untersuchungen der Ozean-Alkalinisierung und anderer NETs am GEOMAR auf ein globales Niveau gehoben und in die Zukunft erweitert. Das GEOMAR verwaltet außerdem die dabei generierten Daten. „Die Einhaltung der in Paris vereinbarten Klimaschutzziele ist eine große Herausforderung, die den Einsatz neuer Technologien und naturnaher Lösungen erfordert. Doch zunächst brauchen wir verlässliche Möglichkeiten, Nutzen und Risiken dieser Ansätze gegeneinander abzuwägen. OceanNETs wird dazu einen wichtigen Beitrag leisten“, fasst Dr. Keller zusammen und fügt hinzu: „Die schlechteste aller Optionen wäre jedoch, gar nichts zu tun. Denn dann gefährden wir weiter die Existenz zukünftiger Generationen und globaler Ökosysteme.“