Die urbane Bioökonomie bietet Lösungen, um Umweltaspekte mit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen zu vereinen. Eine der großen Herausforderungen ist die Versorgung einer wachsenden städtischen Bevölkerung mit nachhaltigen Agrarprodukten. Das Verbundprojekt SUSKULT entwickelt technologische Lösungen für die Versorgungssicherheit und erforscht damit verbundene gesellschaftspolitische Anforderungen der urbanen Bioökonomie. Die Ideen hinter SUSKULT werden jetzt auch im Rahmen des Makeathons zum Deutschen Nachhaltigkeitspreis Forschung aufgegriffen.
Alleine in Berlin fallen täglich ca. 1 Million Bananenschalen, 62 Tonnen Kaffeesatz, 40 Tonnen Grünschnitt und 2 200 Tonnen Lebensmittelabfälle an – riesige Stoffmengen, die bisher größtenteils im Abfall landen. Forscherinnen und Forscher sehen hier eine gigantische Quelle für biologische Roh- und Reststoffe: Organische Stoffströme könnten intelligent geleitet und dadurch biologische Ressourcen nachhaltig genutzt werden.
Die Vision der urbanen Bioökonomie sieht eine Stadt als System großer und kleiner Kreisläufe und Stoffströme, in dem nichts vergeudet wird. Nahrungsmittel etwa können schon heute mit innovativen Urban-Farming-Methoden und Kreislaufsysteme innerstädtisch produziert werden. Intelligente IT-Lösungen optimieren Transport, Lagerung und die bedarfsorientierte Verteilung und Nutzung von Ressourcen. Sektorenübergreifende, großräumige und dauerhafte bioökonomische Lösungen haben allerdings auch weitreichende gesellschaftliche Auswirkungen und erfordern daher in besonderer Weise die Behandlung gesellschaftspolitischer Aspekte und Herausforderungen der urbanen Bioökonomie.
Auszeichnung für urbane Bioökonomie
Die Bundesregierung unterstützt die Entwicklung mit einer Vielzahl von Förderprogrammen. So lobt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in diesem Jahr den 9. Deutschen Nachhaltigkeitspreis Forschung zum Thema urbane Bioökonomie aus. Auch das vom Fraunhofer UMSICHT koordinierte Verbundprojekt SUSKULT geht mit ins Rennen um den Preis. Die stellv. Projektkoordinatorin Dr. Sandra Schwindenhammer, Politikwissenschaftlerin an der Justus-Liebig-Universität Gießen, wird zentrale Ideen aus dem SUSKULT-Vorhaben in den begleitenden Makeathon einbringen.
Kläranlagen produzieren Lebensmittel
Besonders in urbanen Räumen ist es schwierig, dem Trend zu nachhaltigen, lokalen und qualitativ hochwertigen landwirtschaftlichen Produkten nachzukommen. Neuartige Agrarsysteme sind gefragt. Das Besondere an SUSKULT ist der Produktionsstandort: Das Agrarsystem wird an städtische Kläranlagen angedockt. Hier befinden sich die wesentlichen Komponenten für eine Pflanzenkultivierung, nämlich Nährstoffe (Dünger), CO2, Wärme und Wasser, bereits vor Ort. Hinzu kommt der Standortvorteil – Kläranlagen sind, bedingt durch das Wachstum der Städte und Metropolregionen, häufig zentrumsnah verortet.
Damit aus der Vision SUSKULT Realität wird und aus reinen Abwasserbehandlungsanlagen Ressourcenlieferanten (sog. NEWtrient®-Center) werden, arbeiten insgesamt 15 interdisziplinäre Partner an dem Vorhaben. Es müssen Prozesse an die schwankenden Mengen und Konzentrationen von Ressourcen im Abwassersystem intelligent angepasst werden. Die Rückgewinnung der Ressourcen muss bewertet und entwickelt werden. Hinzu kommt ein auf die jeweiligen Pflanzenarten zugeschnittenes Nährstoffmanagement.
Demokratische Rückbindung: Vertrauen in politische Entscheidungen stärken
Doch nicht nur die technischen Herausforderungen stehen bei SUSKULT im Fokus, weiß Sandra Schwindenhammer. Sie betrachtet die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen: »Für effektive bioökonomische Problemlösungen wie SUSKULT liegt es zunächst nahe, sich auf das Wissen von Expertinnen und Experten aus Forschung und Entwicklung zu stützen. Um die Gemeinwohlziele zu berücksichtigen, müssen jedoch das öffentliche Interesse berücksichtigt werden und die Möglichkeit der Einflussnahme von Bürgerinnen und Bürgern gegeben sein. Des Weiteren sind Transparenz und Kontrollmechanismen der politischen Prozesse vonnöten.« Der Makeathon stecke den Rahmen, um aus unterschiedlichen Blickwinkeln an einem zukunftsorientierten Model zur demokratischen Rückbindung bioökonomischer Lösungen zu arbeiten. In Zeiten des schwindenden Vertrauens in etablierte politische Institutionen sei ein solches Model eine große Chance für alle Beteiligten.