Sollen wir ein schlechtes Gewissen haben, wenn wir Kunststoffverpackungen in die gelbe Tonne werfen? Oder müssen wir auf viele täglich gewohnte Produkte verzichten? Künftig keine Wattestäbchen oder Strohhalme mehr, oder alle Trinkflaschen recyceln, wie die EU fordert?
Dass die Verschwendung von Kunststoff beendet werden muss, steht außer Frage. Mit Verzicht und Einschränkungen werden zwar Symptome behandelt, nicht aber die Ursachen. Das wird klar, wenn wir uns die Müllhalden in Asien oder auch bei unseren Nachbarländern vor Augen führen, ganz zu schweigen von den vermüllten Seen und Ozeanen. Das Problem kann nicht allein mit Reglementierung gelöst werden. Es erfordert eine ganzheitliche Betrachtung. Der fehlende Schlüsselbaustein liegt in der Rückführung der nicht recycelbaren Abfälle in den Stoffkreislauf. Und das ist der weitaus größte Anteil, Tendenz steigend. Müll wird Teil der Rohstoffbasis für neue chemische Produkte. Damit werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Wenn Müll nicht verbrannt wird, fällt kein Abgas und somit kein CO2 an. Gleichzeitig wird importiertes Erdöl ersetzt und die Rohstoffsicherheit unserer Industrie erhöht.
Wie können wir neue Rohstoffe aus Abfällen herstellen? Die Antwort liefert das Institut für Energieverfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen (IEC) an der TU Bergakademie Freiberg. Mit einer innovativen Vergasungstechnologie ist es den Wissenschaftlern, Ingenieuren und Technikern aus verschiedenen Disziplinen gelungen, aus 100% Abfall Synthesegas zu erzeugen, welches als Basisrohstoff für die Produktion eines breiten Spektrums von chemischen Produkten genutzt werden kann. Zudem gelang es, alle mineralischen und metallischen Verunreinigungen und Fremdstoffe aus den Abfällen in einen verglasten und sauberen Rückstand umzuwandeln. In diesem verglasten Granulat sind die Schadstoffe auf Dauer wasserneutral verkapselt, so dass das Material als mineralischer Rohstoff weiter genutzt werden kann. Und einen Beitrag zur Schonung metallischer Ressourcen gibt es gratis: Die
Metalle aus dem Rückstand lassen sich mit Magneten und Wirbelstrom separieren und in den metallurgischen Kreislauf zurückführen.
Diesen Technologiedurchbruch für das Abfallrecycling wird der Direktor des IEC, Prof. Dr. Bernd Meyer, den Teilnehmern der International Freiberg Conference on IGCC & XtL Technologies – der international führenden Konferenz für Technologien zur Transformation zu einer Kohlenstoffkreislaufwirtschaft – am 04. Juni 2018 in Berlin in seinem Eröffnungsvortrag vorstellen.
Nun geht es darum, die bahnbrechende Technologie marktreif zu machen, so dass sie in der Industrie in Deutschland und weltweit wettbewerbsfähig eingesetzt werden kann. Der nächste Schritt ist die Vorbereitung für die breite wirtschaftliche Anwendung für eine ganzheitliche und nachhaltige Lösung des globalen Abfallproblems.