Weltweit werden immer mehr Süßwasser- und Meeresfische in Teichen, Zuchtbecken und Netzgehegen gezüchtet. Als Alternative zur Überfischung der Meere gestartet, stammt nach Angaben des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen heute jeder zweite Fisch für den Verzehr aus solchen Aquakulturen. Die verwendeten Netze werden häufig mit kupferhaltigen Anstrichen beschichtet, um eine starke Ansiedelung von Algen, Muscheln oder Seepocken zu verhindern. Diese Anstriche geben jedoch schädliche Bestandteile ins Wasser ab. Um das zu vermeiden, entwickeln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Institut für Materialwissenschaft der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) eine umweltfreundliche Netzbeschichtung. Die ersten Ergebnisse aus Langzeittests in einer Kieler Fischzuchtanlage zeigen, dass das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderte Projekt einen Beitrag zur nachhaltigeren Aquakultur leisten könnte. Die Beschichtung ist bereits zum Patent angemeldet, mit weiteren Praxispartnern soll das Projekt nun ausgeweitet werden.
Angesiedelte Organismen mussten bislang aufwendig entfernt werden
In kürzester Zeit siedeln sich auf Netzen, die in der Fischzucht eingesetzt werden, Mikro- und Makroorganismen wie Algen, Muscheln oder Seepocken an. „Dieser Bewuchs ist hartnäckig und macht die Netze schwerer. Dadurch könnten sie reißen und wir unseren Fischbestand verlieren“, erklärt Meeresbiologin Dr. Yvonne Rößner. Nach ihrer Promotion an der CAU übernahm sie zusammen mit Sophie Bodenstein einen Zuchtbetrieb für Lachsforellen in der Kieler Förde. „Außerdem verringern die zugewachsenen Maschen den Nährstoffaustausch, was die Gesundheit unserer Fische gefährdet.“ Deshalb ziehen sie alle paar Tage die Netze aus dem Wasser und lassen sie durch Wind und Sonne trocknen. „Das ist zeitaufwendige und kräftezehrende Handarbeit, aber dadurch können wir komplett auf die chemische Behandlung unserer Netzgehege verzichten“, beschreibt Rößner, wie sie die Risiken des Biofoulings minimieren.
Hartnäckiger Bewuchs verlangsamt auch Schiffe und erhöht Ausstoß klimaschädlicher Abgase
Selbst aus der Wissenschaft stellen die beiden Fischzüchterinnen gerne einen Teil ihrer ungenutzten Netzgehege für das Biofouling-Forschungsprojekt aus der Arbeitsgruppe „Funktionale Nanomaterialien“ der CAU zur Verfügung. Für die Entwicklung einer Netzbeschichtung, die ohne schädliche Bestandteile auskommt, können die Materialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler auf Erfahrungen mit einem umweltfreundlichen Lacksystem für Schiffe zurückgreifen. Denn mit Biofouling haben weltweit auch Frachter und Sportboote zu kämpfen. Der starke Bewuchs mit Marineorganismen verringert ihre Geschwindigkeit und erhöht die Reinigungskosten sowie den Treibstoffverbrauch und damit auch die Emission klimaschädlicher Abgase.
Dagegen hat das Kieler Forschungsteam bereits einen Anstrich aus einem Polymerkomposit mit speziell geformten Keramikpartikeln entwickelt. Es sorgt für eine extrem glatte Oberfläche, an der Organismen nur schwer haften. Ein zweijähriger, erfolgreicher Praxistest brachte den Schiffsanstrich aus Kiel bis an die Küste von Zentralafrika. „Schon bald wurden wir angesprochen, ob unsere Schiffsbeschichtung nicht auch auf Fischnetzen funktioniert“, sagt die Technische Biologin Dr. Martina Baum, die das Forschungsprojekt leitet.
Kooperationsprojekt bringt Anti-Haft-Beschichtung vom Labor in die Praxis
Seitdem entwickeln sie ihre Schiffsbeschichtung für Fischzuchtnetze weiter. Gemeinsam mit dem Netzhersteller Walter Kremmin GmbH & Co. KG untersuchen sie, wie unterschiedliche Zusammensetzungen ihres Polymerkomposits auf handelsüblichen Netzen wirken und sich dort am besten auftragen lassen. „Durch die Kooperation mit dem Kieler Fischzuchtbetrieb können wir sie jetzt außerdem unter realen Bedingungen wie UV-Einstrahlung und Wasserströmung testen“, sagt Baum. Für Langzeittests beschichteten sie zwei Arten von Netzen mit verschiedenen Materialzusammensetzungen und hängten sie unterschiedlich tief in die Kieler Förde.
Insgesamt rund 400 Proben haben sie bislang getestet, nach einem Jahr liegen nun erste Langzeitergebnisse vor. „Die Organismen auf unseren beschichteten Testnetzen lassen sich sehr leicht mit der Hand abwischen“, erklärt Haoyi Qiu, Projektmitglied und Doktorand am Institut für Materialwissenschaften der CAU. „Das hängt aber auch von der Dicke unserer Beschichtung ab. Tragen wir zu viel auf, werden die Netze zu schwer und könnten reißen“, so ein Zwischenfazit des Materialwissenschaftlers.
Beschichtung soll für internationale Netztypen weiterentwickelt werden
Am Ende soll die Beschichtung in verschiedenen Ökosystemen weltweit gleichgut gegen Bewuchs wirken. Im Idealfall werden die Mikroorganismen und Larven durch die Wasserströmung sofort wieder abgetragen und können sich so gar nicht erst auf den Netzen ansiedeln, so das Ziel. „Mit weiteren Industrie- und Praxispartnern wollen wir unsere Beschichtung für verschiedene nationale und internationale Netztypen und Wasserumgebungen weiterentwickeln“, sagt Baum. Um sie in einem größeren Maßstab für die industrielle Anwendung herzustellen, arbeiten sie mit der Phi-Stone AG, einer Ausgründung der CAU, zusammen. Ein Patent für die Beschichtung hat das Team bereits angemeldet.