Schweinehaltungen bilden wichtige Reservoire für eine zunehmende Anzahl diverser Influenzaviren, die teilweise auf den Menschen übergehen können und möglicherweise präpandemisches Potenzial besitzen. Dass dies auch auf die Situation in europäischen Haltungen zutrifft, zeigt eine umfangreiche Studie, die das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) und das Universitätsklinikum Freiburg federführend mit weiteren Partnern in einem von der CEVA Tiergesundheit GmbH unterstützten Forschungsprojekt durchführten. Hierzu wurden mehr als 18.000 Einzelproben aus annähernd 2.500 schweinehaltenden Betrieben mit Atemwegserkrankungen bei Schweinen in Europa untersucht.
Schweine eignen sich hervorragend für die Vermehrung und Neusortierung von Influenzaviren die vom Mensch, Schwein oder Vogel stammen. Der Erreger der letzten menschlichen Grippepandemie Influenza A(H1N1)/2009 fand bereits 2009 Eingang in die Schweinepopulationen Europas und hat nach den Erkenntnissen der Studie eine herausragende Bedeutung für das stark anwachsende Repertoire neuartiger Virusvarianten im Schwein. Untersucht wurden Schweinehaltungen in Deutschland sowie weiteren 16 europäischen Ländern. In mehr als der Hälfte der untersuchten Betriebe wurden ganzjährig Influenzavirusinfektionen gefunden. Während vier Influenzaviruslinien mit unterschiedlicher geographischer Verteilung in den Schweinepopulationen Europas dominieren, entstehen daraus zunehmend neue Virusvarianten.
Einige Varianten verfügen über ein zoonotisches Potential
Ein Fokus der Studie war die Untersuchung von möglichen zoonotischen Eigenschaften dieser Viren, also deren mögliches Übertragungspotential auf den Menschen: Die detaillierte Analyse der Ähnlichkeiten zu humanen Viren und die Übertragungseigenschaften in Frettchen, einem Tiermodell für humane Influenza, zeigten, dass einige Varianten über zoonotisches Potential verfügen. Weitere Viren erwiesen sich als resistent gegen einen wichtigen Bestandteil der humanen Virenabwehr: „Einige der Schweine-Influenza-Viren haben bereits eine wichtige Barriere für die Übertragung auf den Menschen überwunden. Das erhöht das Risiko deutlich“, sagt Prof. Dr. Martin Schwemmle vom Universitätsklinikum Freiburg.
Den „One Health-Gedanken“ umsetzen
Aktuelle Kenntnisse zur Infektionslage, verbesserte Bekämpfungsstrategien sowie die Optimierung von Impfstoffen für Schweine gegen Influenzaviren können wesentlich zu einem gesteigerten Tierwohl beitragen und wirtschaftliche Einbußen in der Schweineproduktion vermindern. Gleichzeitig würde ein Rückgang der Influenzaviren in Schweinebeständen eine Verringerung des Expositionsrisikos von Menschen gegenüber potentiell zoonotischen Influenzaviren aus diesem Reservoir bewirken. „Der vielbeschworene `One Health-Gedanke´ ließe sich gerade hier erfolgversprechend in praktische Projekte zum gegenseitigen Nutzen von Mensch und Tier umsetzen“, sagt Prof. Dr. Timm Harder vom Friedrich-Loeffler-Institut.