Unter der Überschrift „Politik für eine nachhaltigere Ernährung: Eine integrierte Ernährungspolitik entwickeln und faire Ernährungsumgebungen gestalten“ weist der Beirat auf den dringend erforderlichen Umbau unseres Ernährungssystems hin, um nationale wie internationale Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Es geht um einen politischen Paradigmenwechsel“, so Harald Grethe, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats, „die gegenwärtige Gestaltung unserer Ernährungsumgebungen macht es Konsumenten und Konsumentinnen zu schwer, sich nachhaltiger zu ernähren. Wir benötigen stärkere politische Steuerungsimpulse für die Unterstützung nachhaltigerer Konsumentscheidungen.”
Die interdisziplinäre Autorengruppe kommt in ihrem Gutachten zu dem Schluss, dass die Verantwortung für einen nachhaltigen Konsum viel zu stark den Konsument*innen aufgebürdet wird, der Einfluss der Ernährungsumgebung, also der Umwelteinflüsse auf Ernährungsentscheidungen, werde hingegen vernachlässigt. Deutschland sei im internationalen Vergleich eher Nachzügler in Bezug auf eine aktive Ernährungspolitik.
Plädoyer für die Gestaltung „fairer Ernährungsumgebungen
Das Gutachten definiert vier Zieldimensionen nachhaltiger Ernährung: Gesundheit, Soziales, Umwelt und Tierwohl. Die Wissenschaftler plädieren für die Gestaltung „fairer Ernährungsumgebungen“, die also unseren menschlichen Wahrnehmungs- und Entscheidungsmöglichkeiten entsprechen und eine nachhaltigere Ernährung erleichtern. Basierend auf dieser Bewertung empfiehlt der Beirat den Einsatz einer Reihe besser aufeinander abgestimmter und deutlich eingriffstieferer politischer Instrumente, als das bisher in Deutschland der Fall ist. Dazu gehören z. B. eine beitragsfreie und qualitativ hochwertige Kita- und Schulverpflegung sowie durch Lenkungssteuern deutliche Preisanreize für eine nachhaltigere Ernährung, ohne einkommensschwache Haushalte zu stark zu belasten.
„Die so dringend nötige ökologische Transformation wird nur akzeptiert werden, wenn wir sie sozialverträglich gestalten“, so Harald Grethe. „Es ist ärgerlich, wenn in der politischen Debatte etwa um CO2-Steuern oder die Besteuerung des Konsums tierischer Produkte vorgeschoben wird, das sei nicht möglich, weil einkommensschwachen Haushalten nicht zuzumuten. Denn es gibt viele Modelle, um diese einkommensschwachen Haushalte zu entlasten, beispielsweise durch pauschale Transferzahlungen. Ökologische Transformation und soziale Teilhabe können und müssen Hand in Hand gehen.“
Das Gutachten kommt denn auch zu dem Fazit: Eine umfassende Transformation des Ernährungssystems ist sinnvoll, möglich und sollte umgehend gestartet werden. Zur Gestaltung nachhaltiger Ernährungssysteme wird an der Humboldt-Universität sowie in Zusammenarbeit mit Partnern intensiv geforscht. So z.B. in den Projekten „Ernährungssysteme der Zukunft“ am Thaer-Institut der Humboldt-Universität (Food for Future, Cubes Circle), in weiteren Forschungsprojekten des Thaer-Instituts sowie im Rahmen des Forschungsverbunds Food Berlin.