Jedes Jahr sterben weltweit 3,3 Millionen Menschen vorzeitig an den Folgen von Luftverschmutzung. Diese Zahl könnte sich bis 2050 verdoppeln, wenn die Emissionen ähnlich ansteigen wie bisher, stellten Spezialisten des Max-Planck-Instituts bereits vor einiger Zeit fest. Die Hauptquellen für schlechte Luft sind überraschenderweise nicht Industrie und Verkehr, sondern häusliche Kleinfeuer und die Landwirtschaft. Eine Reduktion landwirtschaftlicher Emissionen könnte die Menge an gesundheitsschädlichem Feinstaub erheblich senken, so die Wissenschaftler weiter. Sie berechneten, dass speziell in Europa und Nordamerika durch die Verringerung von Ammoniakemissionen aus Düngung und Viehzucht die Konzentration an Feinstaubpartikeln in der Atmosphäre stark abnehmen würde. Wären die landwirtschaftlichen Emissionen um 50 Prozent niedriger, könnten demnach pro Jahr weltweit 250.000 Todesfälle, die auf Luftverschmutzung zurückzuführen sind, vermieden werden. Als einen der wichtigsten Gründe für die Luftbelastung, besonders in Europa, haben die Wissenschaftler die Freisetzung von Ammoniak aus Viehzucht und Düngung identifiziert. Natürlich sei der im Ammonium enthaltene Stickstoff ein wichtiger Nährstoff für Pflanzen. Ammoniak entweiche durch die Zersetzung von Gülle und durch die Düngung von Nutzpflanzen jedoch in die Atmosphäre und reagiere dort mit anderen anorganischen Stoffen, wie Schwefel- und Salpetersäure zu Ammoniumsulfat und Nitratsalzen. Hieraus entstehen nun wiederum Feinstaubpartikel. Die Max Planck Berechnungen zeigen weiter auf, dass eine Reduzierung aller landwirtschaftlichen Emissionen um etwa die Hälfte weltweit eine Abnahme von rund acht Prozent der durch Luftverschmutzung verursachten vorzeitigen Sterbefälle bewirken würde. Mit anderen Worten 250.000 Menschen pro Jahr, die noch leben könnten. Würde man die gesamten Ammoniakemissionen stoppen können, könnten weltweit geschätzte 800.000 Menschen vor dem Tod durch Krankheiten bewahrt werden, die durch Luftverschmutzung ausgelöst werden.
Klassische Gülleausbringung
Aber auch in der Produktion, an den Arbeitsplätzen herrscht „dicke Luft!“. Gesunde Luft in Betrieben und öffentlichen Einrichtungen klingt wie eine Selbstverständlichkeit, ist es aber nicht! Die Luftbelastung durch Stäube hat sich in der jüngsten Vergangenheit deutlich verändert. Produktions- und technologiebedingt werden die Staubpartikel immer kleiner. Haben die Mediziner vor Jahren noch vor lungengängigen Stäuben gewarnt, sind einige Stäube inzwischen zellgängig. Mit der ‚Zellgängigkeit‘ wird die Fähigkeit von Nanomaterialien bezeichnet, aufgrund ihrer geringen Größe Zellwände oder Membranen durchdringen zu können. Nanomaterialien sind chemische Stoffe oder Materialien mit einer Partikelgröße von 1 bis 100 Nanometern (nm) in mindestens einer Dimension. Nanomaterialien gelangen über die Atemwege in den Körper und überwinden innerhalb des Körpers wichtige Schutzbarrieren. Schädigungen am Erbgut, Entzündungen und Organschäden können die Folge sein.
In seinem Buch „Die Wege von Staub“ berichtet der Wissenschaftler Christian Rüger, wie der Staub seinen Weg durch den Bronchialbaum macht, seine Verzweigungen und am Ende in den Lungenbläschen ankommt. Besondere Aufmerksamkeit widmet Rüger der der Luft/Blut-Schranke. Als Blut-Luft-Schranke bezeichnet die dünne Schicht, die in der Lunge den luftgefüllten Raum der Lungenbläschen (Alveolen) von dem Blut in den Kapillaren trennt. Hier kann der Staub in die Blutbahn eindringen. Zum Schutz der Luft/Blut-Schranke griffen nacheinander mechanische und enzymatische Abwehrmechanismen, so Rüger weiter. Aber wenn es zu viel wird und das System überfordert ist, treten irreversible Schädigungen auf. Das Reinigungssystem könne auf vielfältige Weise überfordert werden. Kleine Beeinträchtigungen blieben wegen der Reserven der Lunge meist unentdeckt. „Nisten sich luftgetragene Keime in ihr ein und gerät deren Wachstum außer Kontrolle, ist von einer Infektionskrankheit auszugehen. Viren, Bakterien und Pilze gehören zu den Auslösern“, schreibt Rüger weiter.
Schon unter normalen Bedingungen kann Staub je nach Art, Größe der Partikel und Ort der Ablagerung zu Reizungen und Erkrankungen der Atemwege, der Haut und der Augen führen. Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft weist auf noch deutlich gefährlichere Stäube hin. Asbeststaub könne zur Asbestose, einem Mesotheliom und zu Kehlkopf- oder Lungenkrebs führen. Mineralischer, quarzhaltiger Staub könnte zur Silikose führen und auch Lungenkrebs verursachen. Und ganz speziell in der Holz- und Möbelindustrie fänden sich Eichen- und Buchenholzstäube, die Krebs der Nasenschleimhaut auslösen könnten. Dabei handele es sich um eine, von der Öffentlichkeit nur wenig wahrgenommene, Berufserkrankung. Gefährdete Berufsgruppen seien insbesondere Bau- und Möbelschreiner, Parkettleger, Küfer, Stellmacher.
Dem Thema Atemluft wird zurzeit nur sehr eingeengt Aufmerksamkeit, meist aus einer reinen „Dieselperspektive“, geschenkt. Hier müssen Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft Abhilfe schaffen. Nächster Termin dazu: Das Zukunftsforum Luft am 14. Juni 2018 von 10 bis 15 Uhr in den Räumen des Zentrums für Umweltkommunikation in Osnabrück, An der Bornau 2