Paradigmenwechsel am Bau

Manfred Josef Hampel Foto: Privat

Ein Gespräch mit Manfred Josef Hampel. Er ist Bauteilentwickler, Fassadengestalter und Unternehmer und Gründer der www.city.box.solar. Sein Hauptengagement sind die Entwicklung eines nachhaltigen, autarken SmartHome mit Null Emissionen, CO2 frei auf bezahlbarer Basis. Die Modelle verfügen über ein eigenes Elektroauto, ausgeklügelte Energietechnik und multifunktionale Möbel. Die Überschüsse an Strom und Wärme bringen dem Bewohner ein zusätzliches Einkommen, Aquaponik und Foodproduktion auf der Dachterrasse Essen und das Powerdach und die Powerwand alle Energie für Licht, Strom, Fahrzeug, Warmwasser, Heizung und Kühlung!


Durch Corona wird ja vieles in Frage gestellt und/oder neubewertet. Vielfach stellen sich auch Fragen wie: „Haben die diesen technologischen Weg zu Ende gedacht?“ oder „Ist das Potential dieser erneuerbaren Energie nicht viel höher als gedacht?“ Konkret: Gibt es im Solarbereich mehr Möglichkeiten als wir sie heute nutzen?

Im Solarbereich sind längst nicht alle Möglichkeiten genutzt. Das fängt schon damit an, das man nichteinmal die 3 Energiebereiche unserer Sonne bewusst wahrnimmt. Das ist Licht, Elektrizität und Wärme. Wir haben bei unserem Projekt city.box.solar selbst die Feststellung machen müssen, dass sich die Energieformen, je nach Anwendung, entweder gegenseitig behindern oder sich zu einem ganzheitlichen Gewinn addieren lassen. Dies trifft vor allen Dingen im Baugewerbe zu. Nicht nur bei Neubauten, sondern auch bei Bestandsbauten, lassen sich diese natürlichen Geschenke in ökonomische Gewinne umwandeln.

Was ist denn bei Ihrem Projekt ganz praktisch umgesetzt worden?

Wir haben bereits vor 21 Jahren mit der Entwicklung eines autarken Gebäudes begonnen. Mit der CityBox ist uns etwas gelungen, das mehr als ein Haus geworden ist. Es ist ein Ganzes Ökosystem! Das Potenzial seiner erneuerbaren Energieüberschüsse ist höher als zunächst angenommen. In einem einjährigen Feldversuch stellte sich heraus, dass man monatlich bis zu 1,3 MWh Stromüberschüsse erzeugen kann und etwa das dreifache davon zusätzlich als Wärmeenergie. Bei einer Siedlung mit 100 dieser, auf 50 m² Grundstücksfläche stehenden, Gebäude käme man damit schon auf die Energieausbeute eines kleinen Braunkohlekraftwerks. Dass jedoch ohne CO2 Ausstoß und außer dem Bau der Gebäude kostenlos. Dafür aber mit zusätzlich erreichbaren Mieten für ein Luxus SmartHome mit Elektrofahrzeug, dass 50.000km jährlich kostenlos fahren kann.

Welche Lehren lassen sich aus Ihrem Modell für neue Gebäude oder für die Modernisierung des Bestandes ziehen?

In der Branche arbeiten die Firmen alle fokussiert und lassen auch nicht in ihr Arbeitsgebiet hineinblicken, so sind die möglichen Synergien nie aufgefallen, obwohl sie direkt auf der Hand liegen. In unserer ganzheitlichen Betrachtung haben wir Anfangs geglaubt, dass wir durch die Kühlung der PV Platten auf dem Dach und der Fassade einfach nur mehr Wirkungsgrad erzielen.

Foto: Manfred Hampel | city.box

Bei heißen Sommertagen sinkt die Effektivität einer Solarplatte auf bis zu 50% ab. Gekühlt können bis zu 100% wieder hergestellt werden. Beim Bau des Glasdaches, was als Walmdach bereits eine Weltneuheit war, konnten wir unter alle Module auch Wärmetauscher bauen, was zu einem kombinierten PV-Thermie-Dach geführt hat. Zu den extremen Mehrleistungen und Überschüssen aus Strom, haben wir dann auch das warmes Prozesswasser gehabt, was ja ebenso Arbeit verrichten kann, indem es das Brauchwasser der CityBox erwärmt und für Dusche und Küche zur Verfügung stellt. Auch Spül- und Waschmaschine profitieren davon und sparen gleichzeitig auch den Strom für die Heizspiralen ein. Ein doppelter Nutzen.

In allen Jahreszeiten?

Ja, so ist beispielsweise die Beheizung der Dachterrasse in den Sommernächten möglich und das Abschmelzen des Daches im Winter, damit Schnee nicht die Produktion des Stroms behindert. Alles zusätzliche Geschenke, die kostenlos als Synergie entstehen.

Foto: Manfred Hampel | city.box

So ist es, wenn man erst einmal den Respekt vor der Natur und Ihren Geschenken gewonnen hat. Partys im Freien um Mitternacht mit T-Shirt und kurzer Hose und wintergartenähnliche Zustände auf der Winterterrasse, alles ohne zu frieren. Das und viele weitere Geschenke können wir annehmen, oder wie in der Vergangenheit in der gesamten Baubranche ungenutzt lassen.

Dennoch bleibt die Verbesserung in Bestandsbauten doch ein Problem, oder?

Nein, nicht mehr, seit dem es die city.box Technologien gibt. Bei Bestandsbauten wird die thermische Energie der Wärmetauscher in den Bauteilen aktiviert gepuffert. Dadurch benötigt man keinen zusätzlichen Speicher und auf die Aussenwanddämmung kann komplett verzichtet werden. Schimmel und Feuchtigkeit gehören dabei der Vergangenheit an. Außer das der Müll der Dämmmaterialien für die Zukunft vermieden wird, ist es wesentlich günstiger und gesünder so energetisch zu sanieren. Die Wärme ist bereits in den Kernen und kann mit intelligenter Technik über die Klimadecken wunschgerecht abgegeben werden.

Foto: City Box

Bei höchster Einsparung von CO2 und Kosten für fossile Brennstoffe, auf die in dieser Technik verzichtet werden kann. Sehr interessant ist das auch für Gewerbehallen und Supermärkte. Höhere Einsparungen sind mit anderen Methoden nicht zu realisieren. Auch bei Hotels, wo sehr viel warmes Duschwasser benötigt wird, kann das Dach, selbst im Winter erheblich zur Deckung der Energie beitragen. Beim Musterhaus wurde an einem Wintertag mit gefrorenem Boden und Minustemperaturen auf der Südfassade 40° plus gemessen, was nach 3 Stunden schon den kompletten Vorrat für die Heizung der nächsten 2 Tage geliefert hat. Das Nachbargebäude hatte die gleiche Sonne, musste aber die 2 Tage mit Heizöl beheizt werden.

Wie sehen Sie die vielfach geforderte Begrünung von Gebäuden?  Gibt es hier Schnittstellen zu Ihren Konzepten?

Die Begrünung von Fassaden ist sicher eine gute Möglichkeit, die Luftqualität in Städten und Ballungsgebieten zu verbessern. Nun haben wir bei City Box die Philosophie, dass wir die Fassaden und die Dächer eher als Energietransformator sehen. Pflanzen finden Sie bei uns eher auf den Hochbeeten der Dachterrassen, geschützt unter den Powerdächern. Bei der CityBox in Memmingen sind in einem 27 lfdm langen Terra-Preta-Beet Blumen, Obst und Gemüse angebaut. Dies sorgt in erster Linie für eine Bio-diverse Umgebung für Menschen, Insekten und Tiere. Außerdem kann das erweiterte Beet auch für ein Einkommen sorgen. Ein Beispiel: an die Brüstung in der Hochbeete rund um die Dachterrasse können neben den Batterien und dem Gateway, der Grillküche und dem Kamin auch noch bis zu 17 Wandtaschensets aus Filz angebracht werden. Jeder davon hat 64 Einzeltaschen, was zu insgesamt 1.088 Möglichkeiten führt, Einzelpflanzen vertikal aufwachsen zu lassen. Würde man jetzt alle einzeln Taschen, die durch das bestehende Befeuchtenssystem mit versorgt werden können, mit Kopf-Salat bepflanzen, hätte man innerhalb von vier Wochen mehr als 1.000 Salatköpfe ohne wesentlichen Platzverlust zu einem Verkaufswert von über 1.000,- €!

Blick über die Batterien über das Terra Preta Beet mit violetten Peperoni, Ringelblumen, Physialis Foto: Manfred Hampel | city.box

Dieser Wert ist höher, als die vergleichbare Miethöhe eines gesamten Gebäudes. Jetzt könnte man daraus ableiten, dass man entweder dadurch kostenlos wohnen kann, oder dass es sowas ist, wie das bedingungslose Grundeinkommen, was allerdings niemanden belastet und vom Staat nicht finanziert werden muss. Ergänzt mit Aquaponik und den Verkauf der überschüssigen Elektrizität, Wärme- und Kältelast, könnte man alleine mit diesen Geschenken der Natur leben, mit relativ wenig Zeitaufwand und ohne weiteren versklavenden Beruf.

Vielen Dank für das Gespräch!