Bioenergie mit und für Bienen produzieren

Biene beim Blütenbesuch von Sorghum. Foto: Steffen Windpassing

Biogas-Energiepflanzen könnten einen großen Beitrag zur Vielfalt auf dem Acker leisten. Es kommt nur auf die richtige Auswahl bzw. das richtige Anbausystem an. Die Justus-Liebig-Universität Gießen und drei Partner setzen dazu auf einen neu gezüchteten Hirsetyp, der neben einem hohen Methanertrag auch ideale Eigenschaften für den Mischanbau mit Blühpflanzen mitbringt. Die Forscher suchen in ihrem vor kurzem gestarteten Projekt nach den besten Partnern für die Hirse; die Kombinationen sollen pflanzenbaulich überzeugen und einen hohen Mehrwert für Insekten haben. „Unser Ansatz könnte nicht nur helfen, die Trachtlücke für Honigbienen im Hochsommer zu schließen, sondern auch Beiträge zum Boden- und Gewässerschutz leisten, wenn die Blühmischungen als überwinternde Zwischenfrüchte stehen bleiben“, so Projektleiter Dr. Benjamin Wittkop von der Universität Gießen.

Das Verbundvorhaben „Sorghum-Blühmischungen für einen insektenfreundlichen Energiepflanzenanbau“ wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über den Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) gefördert.

Der neue Sorghum bicolor-Typ, auch als Sorghum bicolor Dualtyp bezeichnet, wurde in zwei Projekten (22006911; 22023515) ab 2012 gezüchtet. Seinen hohen Methanertrag erbringt dieser Pflanzentyp im Gegensatz zu den kornlosen Biogashirse-Sorten vor allem durch den hohen Kornanteil, der bis zu 50 Prozent an der Gesamttrockenmasse betragen kann. Ursprünglich in Afrika beheimatet, reagieren die Pflanzen allerdings kurz vor der Blüte im Juli/August empfindlich auf Temperaturen unter 10 Grad und bilden dann mangelhafte oder gar keine Körner aus – womit der Vorteil für die Biogaserzeugung wieder dahin wäre. Die Forscher haben jedoch bereits festgestellt, dass die Bestäubung durch Honigbienen den Kornansatz der Dualtyp-Hybriden gerade unter Kältestress signifikant verbessern kann. Es zeigte sich außerdem, dass die Bienen den Pollen gerne sammeln und als wertvolle Eiweißquelle im Hochsommer nutzen. Biogaspflanze und Bienen können also voneinander profitieren, eine Win-Win-Situation, die im neuen Projekt noch erweitert werden soll. Denn Bienen benötigen nicht nur Pollen, sondern auch Nektar. Die Idee ist, diesen über Blühmischungen bereitzustellen, die gemeinsam mit dem Sorghum auf einem Feld wachsen.

Im jetzt angelaufenen Vorhaben prüfen die Forscher die potenziellen Sorghum-Mischungspartner in zwei Anbauvarianten: In der einjährigen Variante „Gemenge“ ernten sie Sorghum und Blühpflanzen gemeinsam im Herbst und nutzen sie als Biogassubstrat. Für diese Variante kommen je zwei Sorghum-Dualtyp-Hybriden mit 20 Blühpflanzen-Arten auf den Prüfstand, darunter Buchweizen, Leindotter, verschiedene Klee- und Bohnen-Arten, Sonnenblumen und Ölrettich. Die zweijährige Variante „Untersaat“ wird mit je zwei Sorghumhybriden und vier blühenden Arten getestet: Esparsette, Steinklee, Schwedenklee und Luzerne. Sie bleiben nach der Sorghum-Ernte über Winter stehen und dienen im Folgejahr als Hauptfrucht. Bei einer Abwandlung dieser Variante werden Esparsette & Co. bereits im Sommer des Vorjahres ausgesät und Sorghum dann im 2. Jahr im Strip-Till Verfahren direkt in die vorher beschnittene Untersaat gedrillt. Die zweijährige Variante ist aus Wasser- und Bodenschutzsicht besonders interessant: Die überwinternde Pflanzendecke vermindert Erosion, bindet Nährstoffe und schützt diese vor Auswaschung. Außerdem verbessert sie die Befahrbarkeit und die Humusbilanz. Bodenproben im Projekt sollen zeigen, wie stark diese Effekte im Einzelnen ausgeprägt sind.

„Wir prüfen, welche Kombinationen aus pflanzenbaulicher Sicht überzeugen und wie attraktiv sie für die verschiedenen Insektenarten sind. Das analysieren wir auch auf der molekulargenetischen Ebene. Mit dem metabarcoding-Verfahren etwa können wir die Pollenpakete der Bienen untersuchen und feststellen, an welchen Pflanzenarten sie diese gesammelt haben“, erklärt Bienenkundler Dr. Reinhold Siede.

„Uns interessiert auch, über welche Distanzen die Insekten unsere Flächen anfliegen. Dazu stellen wir Versuchs-Bienenstöcke in bis zu 3 km Entfernung der Sorghum-Blühmischungen in einem ansonsten blüharmen Umfeld auf. Die Bienen markieren wir farblich und können sie so eindeutig identifizieren. Nehmen sie für jeden Sammelflug 6 km Hin- und Rückweg auf sich, um in unseren Mischungen Pollen- und Nektar zu sammeln, würde dies den hohen agrarökologischen Wert solcher Flächen belegen“, so Siede.

Von Waugsberg – eigene Aufnahme – own photograph, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1091931

Ebenfalls auf genetischer Ebene bearbeiten die Forscher den Aspekt der Mischanbautauglichkeit der Sorghum-Hybriden in Bezug auf die Merkmale Blatt- und Wurzelarchitektur. Gewünscht ist eine aufrechte Blattstellung, um die Beschattung der Untersaaten zu verringern, und eine möglichst vertikale Wurzelstruktur, um die Wasserverfügbarkeit für die Untersaaten zu verbessern. Diese Eigenschaften werden im Vorhaben phänotypisch an den Versuchsbeständen erfasst. Über eine genomweite Assoziationsstudie und eine QTL-Kartierung wollen die Forscher dann herausfinden, an welche Genabschnitte diese Eigenschaften gekoppelt sind. Die Ergebnisse können zur künftigen Züchtung mischanbautauglicher bicolor-Dualtyp-Sorten beitragen.

Sorghum bicolor-Dualtypen zeichnen sich durch eine langsamere Jugendentwicklung und einen späteren Reihenschluss als Mais aus. Im Vergleich zu Mais und herkömmlichen Biogas-Hirsesorten haben sie außerdem eine geringere Wuchshöhe. Diese Eigenschaften prädestinieren die Dualtypen für den Mischanbau. Dennoch müssen die Mischungspartner eine gewisse Verschattung durch die Hirse tolerieren. Deshalb erfassen die Forscher auch phänotypisch, welche der Blühpflanzen und -sorten besonders beschattungsverträglich sind.