Die Ostsee ist eines der am stärksten verschmutzten Meere der Welt. Sie wäre weitaus sauberer, wenn die Landwirtschaft weniger Dünger einsetzen würde. „Von Agrarwende ist aber noch nicht viel zu sehen“, sagte Bernd Lennartz, Professor für Bodenphysik an der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät (AUF) der Universität Rostock auf dem Forum „Weitsicht für die Ostsee“, das am 8. Juni 2018 stattfand. Es sei an der Zeit, Visionen für den Schutz des Meeres zu entwickeln und gemeinsam mit den Landwirten umzusetzen. „Wenn wir grundsätzlich etwas ändern wollen, muss etwas in der Landwirtschaft geändert werden“, konstatierte Professor Lennartz.
Auf dem Forum nannten Wissenschaftler konkrete Zahlen: Zehn Prozent des Wasservolumens der Ostsee hat keinen Sauerstoff mehr. „Infolgedessen sterben Organismen an der Bodenoberfläche ab oder haben Probleme“, sagt Professorin Maren Voß vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW). Jedes Jahr gelangen 530.000 Tonnen Stickstoff in die Ostsee. Über die Luft kommen noch einmal 30.000 Tonnen Stickstoffeintrag hinzu. Obwohl die Stickstoffmenge seit Mitte der 80er Jahre rückläufig sei, gebe es kein Zeichen der Erholung, hob Professorin Voss hervor. Die Küstenregionen würden noch als Filter reagieren, aber auch sie seien gefährdet.
V. l.: Professorin Maeren Voss (Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde, IOW), Professor Bernd Lennartz (AUF der Universität Rostock), Dr. Burkhard Roloff (BUND) und Dr. Andreas Bauwe (AUF der Universität Rostock) ringen gemeinsam um eine saubere Ostsee (Copyright: Ove Arscholl).
Die Umweltorganisation BUND hatte eine Studie an der Universität Rostock in Auftrag gegeben, um den Einfluss unterschiedlicher Landbewirtschaftung auf den Stickstoffaustrag in die Warnow zu berechnen. Dafür wurde an der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät ein ökohydrologisches Modell konstruiert. Einerseits wurde die Extensivierung der landwirtschaftlichen Produktion in Form einer Halbierung des Stickstoff-Einsatzes und andererseits die Umstellung auf ökologischen Landbau in diesem Modell abgebildet, das Dr. Andreas Bauwe von der AUF vorstellte. Er hat in der wissenschaftlichen Studie die Reduzierung des Stickstoffes im gesamten Warnow-Einzugsgebiet simuliert. Ein Ergebnis: Die Stickstoff-Frachtreduktionen beim Extensivierungs- bzw. Ökoszenario ähnelten sich und betrugen 76 bzw. 70 Prozent. „Aus diesen Ergebnissen heraus sei die Idee einer Bio-Modell-Region Warnow entstanden“, sagt Dr. Burkhard Roloff vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).
Damit wäre die Warnow bundesweit die erste Modell-Region, in der dafür Sorge getragen wird, dass so wenige Nährstoffe wie möglich in die Gewässer gelangen. Das betrifft die Landbewirtschaftung, die flächengebundene, artgerechte Nutztierhaltung, aber auch die nachhaltige touristische und wirtschaftliche Entwicklung. Der Autor der Studie, Dr. Bauwe, räumte ein, dass Landwirte weniger ernten würden, sich dies jedoch durch eine kluge Fruchtfolge ausgleichen lasse. Dr. Roloff argumentiert: „Die Überdüngung der Ostsee wird unter anderem durch die intensive, industrielle Landwirtschaft verursacht. Übermäßige Düngergaben, vor allem Phosphor und Stickstoff, gelangen über die Luft, das Grundwasser und die Flüsse, wie zum, Beispiel die Warnow, in die Ostsee.“ Allein für das Einzugsgebiet Warnow-Peene sehe er einen Minderungsbedarf für die Ostsee von 5.000 Tonnen Stickstoff pro Jahr. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat 2011 und 2016 ein Konzept zur Minderung diffuser Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft vorgelegt. „Aber, weder in den Maßnahme-, den Management- noch in den Bewirtschaftungsplänen der Flüsse kommt der Ökologische Landbau als eine praktikable Möglichkeit zur Minderung des Stickstoffeintrages in die Oberflächengewässer bis heute vor“, sagt Roloff. Die Extensivierung der Landwirtschaft und die Umstellung auf ökologischen Landbau wären geeignete Mittel zur Erreichung wesentlich geringerer Nitratfrachten aus der Warnow und dadurch deutlich weniger Eutrophierung in den Küstengewässern der Ostsee, betont Dr. Roloff.
Professor Bernd Lennartz erklärt: „Die Modellstudie zeigt, dass das Düngungsregime in der Landbewirtschaftung einen maßgeblichen Einfluss auf den Nährstoffeintrag in Gewässern hat. Sowohl die drastische Reduktion der Düngermenge insgesamt als auch die Umstellung auf ökologischen Landbau führen langfristig zu einer Verringerung der Stickstoffbelastung der Warnow um über 70 Prozent im Vergleich zur aktuellen Situation.“
„Obwohl Simulationsmodelle stets nur bedingt die komplexen Prozesse der Natur wiedergeben können, konnte die aktuelle Studie belegen, dass ein nachhaltiger Umgang mit Nährstoffen in der Landwirtschaft langfristig zum Schutz der Gewässer entscheidend beiträgt“, betont Professor Lennartz.