Ein Prinzip der biologischen Landwirtschaft setzt darauf, Schädlinge mit Hilfe von Nützlingen zu bekämpfen. Ein solcher Nützling ist das Bakterium Photorhabdus luminescens. Bei einem Befall von Insektenlarven bildet das Bakterium eine Vielzahl verschiedener Toxine, die umgehend zum Tod der Larven führen. Aber offenbar ist dies nicht die einzige Fähigkeit von Photorhabdus, die man sich im biologischen Pflanzenbau zunutze machen kann. Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Ralf Heermann an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) hat weitere Eigenschaften entdeckt, die den Einsatz wesentlich erweitern könnten. „Wir haben eine neue Lebensform des Bakteriums gefunden, die bisher unbekannt war“, erklärt Heermann. Diese Form geht direkt an die Wurzeln der Pflanzen. Dort fördert sie das Pflanzenwachstum vermutlich vor allem, indem Substanzen gegen pflanzenschädigende Pilze abgegeben werden.
Symbiontische Bakterien verdanken Bekanntheit besonders dem „Leuchtenden Tod“
Bakterien der Art Photorhabdus luminescens sind nahe Verwandte des Pesterregers Yersinia pestis. Sie sind für uns Menschen allerdings nicht gefährlich, sondern fallen durch eine andere Eigenschaft besonders auf: Sie bringen Insektenlarven den „Leuchtenden Tod“. Außer Giftstoffen erzeugt Photorhabdus aus bisher ungeklärtem Grund auch das Enzym Luciferase, das beim Zerfall den Kadaver des Opfers zum Leuchten bringt. Diese Form von Photorhabdus lebt in enger Symbiose mit kleinen Fadenwürmern, die in die Insektenlarven eindringen und das Bakterium dort freisetzen. Die neu entdeckte Lebensform existiert ohne den Partner. „Wir haben uns gewundert, dass sich ein großer Teil der Population anders entwickelt, und haben nach den Ursachen gesucht“, erklärt Prof. Dr. Ralf Heermann.
Seine Arbeitsgruppe hat zunächst mit molekularbiologischen Methoden das Transkriptom, also die Gesamtheit der abgelesenen Gene, analysiert und die beiden Lebensformen miteinander verglichen. Die neue Form, so das Ergebnis, unterscheidet sich in vielen Faktoren: Sie ist beweglicher und empfindlicher, reagiert auf Pflanzenexsudate und schwimmt in deren Richtung. „Alles weist darauf hin, dass diese Bakterienform intensiver mit den Pflanzen interagiert“, so Heermann. In einem weiteren Schritt hat das Team die Interaktion genauer erforscht. Demnach stellen die Bakterien ihren Stoffwechsel auf die verstärkte Verwertung von Zucker anstelle von Proteinen um und produzieren Substanzen, die pflanzenpathogene Pilze hemmen. „Es wird ein ganz anderes Set an Naturstoffen hergestellt, wenn die Bakterien mit Pflanzen in Berührung kommen“, sagt Heermann.
Zweite Lebensform eröffnet neue Perspektiven für den Öko-Landbau
Weshalb Photorhabdus luminescens außer der primären Form eine zweite Lebensform bildet, die genetisch identisch ist, sich aber anders verhält und auch keine Luciferase herstellt, ist unklar. Vielleicht kann sich das Bakterium, so die Vermutung der beiden Erstautoren der Studie, Dr. Alice Regaiolo und Nazzareno Dominelli, damit absichern und überleben, falls die Partner-Nematoden keine Insekten finden. Es eröffnet sich damit auf jeden Fall eine ganz neue Perspektive für einen nachhaltigen Pflanzenschutz in der Landwirtschaft: Die Bakterien könnten zur Bekämpfung von Insekten dienen und zudem das Pflanzenwachstum fördern. Und gleichzeitig stellt sich die Frage, ob auch andere pathogene Bakterien ein solches Doppelleben führen – bisher ist davon nichts bekannt.