Wie lassen sich erneuerbare Energieträger kostengünstig, effizient, sozial verträglich und nachhaltig in einem zukünftigen Energiesystem sowie einer biobasierten Wirtschaft nutzen? Eine Frage, auf welche die Jahrestagung des Deutschen Biomasseforschungszentrums (DBFZ) am 16./17. September Antworten suchte. Unter dem Titel „Bioenergie zwischen Klimapaket und Bioökonomiestrategie“ wurden zahlreiche wissenschaftliche und innovative Ansätze im In- und Ausland präsentiert und mit einer Vielzahl von Experten aus Wissenschaft, Industrie und Politik diskutiert. Mit insgesamt über 350 Teilnehmern konnte außerdem ein neuer Teilnehmerrekord erzielt werden.
Erneuerbare Energieträger und Ressourcen sollen die Klimagasemissionen nach dem Beschluss der Bundesregierung deutlich senken und den Weg in eine weitestgehend klimaneutrale und kreislauforientierte Wirtschaft ebnen. Im Rahmen der diesjährigen DBFZ Jahrestagung trafen sich am 16./17. September vor diesem Hintergrund rund 350 Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, um mögliche Wege der stofflich-energetischen Nutzung von Biomasse sowie deren Verläufe und Erfordernisse zu diskutieren. Aufgrund der Corona-Pandemie fand die diesjährige Jahrestagung des Deutschen Biomasseforschungszentrums überwiegend virtuell statt.
Erfüllung der internationalen Klimaschutzziele
In Plenum „Politische Sichtweise“ verwies MinR Dr. Hans-Jürgen Froese (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Referatsleiter „Bioökonomie, Stoffliche Biomassenutzung“) auf die neue Bioökonomiestrategie der Bundesregierung sowie gesellschaftliche Herausforderungen und Fragen, bspw. wie die Bioökonomie möglichst schnell und wirksam zur Erfüllung der internationalen Klimaschutzziele des Übereinkommens von Paris beitragen kann. So muss laut Froese u.a. die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Bioökonomie intensiviert und Parallel-Entwicklungen sowie Querbezüge zum Green Deal und der „Farm to Fork-Strategie“ im Blick behalten werden. Auch die Bund-/Länderaktivitäten zu Bioökonomie-Strategien müssen stärker abgestimmt und das Bioökonomie-Monitoring verbessert bzw. verstetigt werden.
Klimaneutralität benötigt konsequente Maßnahmen
In seinem Einführungsvortrag wies der wissenschaftliche Geschäftsführer des DBFZ, Prof. Dr. Michael Nelles darauf hin, dass für die geforderte Klimaneutralität konkrete Maßnahmen der Bundesregierung unerlässlich sind: „Wenn Europa wirklich der erste klimaneutrale Kontinent bis 2050 werden will, sind schnelle und konsequente Maßnahmen im großen Stil erforderlich. Klimaneutralität lässt sich nur durch konsequente Energieeinsparung, vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien sowie durch CO2-Entnahme erreichen. Der Einsatz der Bioenergie muss im Zusammenspiel mit den anderen erneuerbaren Energiequellen dort erfolgen, wo der größte Systemnutzen erreicht wird. Mit der praxisorientierten F&E auf Basis des Smart-Bioenergy-Konzepts leistet das DBFZ einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Einbindung der Bioenergie in das Energiesystem und die biobasierte Wirtschaft von morgen“, so Nelles.
Boomender Bioökonomiemarkt
Neben einer Vielzahl weiterer Referenten zu den verschiedensten Aspekten der Bioenergie und der Bioökonomie sprach auch die Energieökonomin Prof. Dr. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und gab in ihrer Präsentation zum Thema „Climate Protection and Bioeconomy – Impuleses for Sustainable Growth in Germany?“ einen anschaulichen Überblick über den aktuellen Stand der Bioökonomie in Europa und Deutschland. So verwies die renommierte Expertin unter anderem auf die Bedeutung der Bioökonomie zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) sowie auf den wachsenden Markt der Bioökonomie mit den Feldern Bioenergie, Kreislaufwirtschaft und Abfallmanagement. Die Kreislaufwirtschaft bringe eine Vielzahl innovativer Produkte sowie biobasierter Produktinnovationen hervor, so Kemfert. Ihr Fazit: Der Bioökonomiemarkt mit rund zwei Millionen Beschäftigten in Deutschland bietet enorme wirtschaftliche Chancen durch regionale Wertschöpfung und neue Arbeitsplätze.
Aussichten für Bioenergie in Brasilien
Auch der vielbeschworene Blick über den Tellerrand kam auf der Tagung nicht zu kurz: In seinem Vortrag referierte u.a. Prof. Arnaldo Walter von der University of Campinas in São Paulo, Brasilien, zum Thema „Bioenergy research in Brazil“. Walter hob hervor, dass die Aussichten für Bioenergie in Brasilien über einen Zeithorizont von zehn Jahren trotz der tiefen Wirtschaftskrise und der politischen Unsicherheiten durchaus positiv seien. So leiste Bioenergie in der brasilianischen Energiematrix einen entscheidenden Beitrag. Die Bedingungen seien angemessen und das Potenzial beträchtlich, es gebe jedoch viele Herausforderungen zu bewältigen, darunter Fragen im Zusammenhang mit Politik und Regulierung, F&E, Nachhaltigkeit und der Regierungsführung. Nicht zuletzt sei es wichtig, anzuerkennen, dass Brasilien über spezielle Bedingungen verfüge, die für die Bioenergie geeignet sind. Daher sind die besten Energielösungen nicht unbedingt die gleichen wie für andere Länder. Dies ist eine zusätzliche Herausforderung.