„Ich will Nachhaltigkeit durch Technologie erreichen“

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Als Vorstandsvorsitzender und Shareholder der M&P Group ist Florian von Tucher verantwortlich für die strategische Entwicklung der Unternehmensgruppe. Florian von Tucher ist Bauingenieur M.Sc. und hat unter anderem die Technische Universitäten in Hannover, Madrid und Peking besucht. Neben dem Vorstandvorsitz der M&P Group ist Hr. von Tucher auch Vorsitzender der Tucher Group sowie Vorstandsvorsitzender der Europäischen Technologiekammer (EUTEC). Nach Ende seines Studiums leitete er zunächst für 10 Jahre die Unternehmensaktivitäten der Tuche Group in Asien bevor er in 2015 mit seiner Frau und zwei Kindern zurückkehrte nach Europa. Als gläubiger Katholik engagiert sich Hr. von Tucher intensiv für Hilfsprojekte in Entwicklungsländern, insbesondere im Zusammenhang mit den SDGs (Sustainable Development Goals der UN).


Ein Virus hat uns gezeigt, dass wir trotz all unserer Technik schnell an Grenzen des Beherrschbaren kommen. Wie schätzen Sie mit Ihrer internationalen Erfahrung die Situation ein?

Die Corona Krise ist eine gigantische Herausforderung für Europa. Aber so schlimm diese Krise auch ist so birgt sie auch Hoffnung. Ich selbst habe 10 Jahr lang die Aktivitäten der Tucher Group in China geleitet und im Chinesischen ist das Wort für Krise „Weiji“ 危机 und welches sich aus den Zeichen „Wei“ 危 und „Ji“ 机 zusammensetzt. Es ist hierbei wichtig zu verstehen das „Wie“ 危 steht für „WeiXian“ 危险 was so viel wie „Gefahr“ bedeutet und „Ji“ 机 für „JiHui“ 机会 was „Chance“ bedeutet. Wir sollten also nicht vergessen, dass in jeder noch so schlimmen Krise auch immer eine Chance steckt – und diese müssen wir nutzen!

Ja, dass sagt sich immer so nett. Aber wo liegen den diese Chancen konkret und besteht nicht die Gefahr, dass nach dem Abflauen der zweiten Welle, es wieder so weitergeht wie vorher?

Chancen liegen in erster Linie in der Digitalisierung unserer Wirtschaft. Unternehmen, die dies nun erkennen und sich richtig aufstellen werden nicht nur die internationale Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, sondern insbesondere auch die Innovationskraft. Und dies ist es was Europa nun benötigt. Natürlich sind auch die alten Industrien wichtig und wir sollten die Abhängigkeiten von anderen Weltmärkten nicht zu groß werden lassen, allerdings muss auch nicht jedes notwendige Produkt in Deutschland hergestellt werden. Statt dessen sollte es eine europaweite Strategie geben in der sich gewisse die Länder auf gewisse Produkte und Industriezweige, die existentielle für Europas Unabhängigkeit sind, fokussieren. Die Europäische Technologiekammer hat erkannt, wie wichtig es ist diese Chance für Europa zu nutzen und hat mit Ihren 8 Kommissionen und 16 Technologien Councils hierzu diverse Whitepaper und Positionspapiere in der Vorbereitung. Es ist wichtig, dass nicht nur die Industrie die Chancen nutzt, sondern auch dass die Politik auf europäischer Ebene die Weichen stellt.

Was steckt hinter der Technologiekammer, was sind die Ideen, die Konzepte und wer treibt das Projekt?

Die Idee der Europäischen Technologiekammer entstand, als ich 2015 von meinem zehnjährigen Einsatz in China zurück nach Europa kam. Ich war geprägt von den unglaublichen Innovationen die China von einem Entwicklungsland in ein Industrieland verwandelt hatten, aber gleichzeitig auch geschockt wie weit Europa im Bereich der Innovation hinter hinkte. Aus dieser Situation heraus entstand das tiefe Bedürfnis etwas zu ändern und so wurde die Europäische Technologiekammer „EUTEC“ ins Leben gerufen. Von anfänglich wenigen Unterstützern ist nun binnen von 5 Jahren eine Organisation mit über 1.800 Unterstützern bzw. „Advocates“ in 12 verschiedenen Regionen der Erde, in sogenannten Chaptern entstanden. Die Kammer gliedert sich neben dieser Chapter in 8 Kommissionen und 16 Technologie Council welche die Themenbezogenen bzw. Technologiebezogenen Inhalte prägen.

Was motiviert Sie und Ihre Mitstreiter?

Seit der Gründung der Kammer ist diese von der Vision geprägt, dass „Technologie Verpflichtet“. Konkret verfolgen wir die 3 Ziele, Europa Wettbewerbsfähiger zu machen, Nachhaltigkeit durch Technologie zu erreichen und europäische Unternehmen bei Ihrer Expansion in neue Märkte zu unterstützen. Während die Kammer in der Gründungsphase noch durch meine Person, mit erheblicher finanzieller Unterstützung der Tucher Group angeschoben wurde, wird sie heute in erster Linie durch die zahlreichen Advocates und Ihren ehrenamtlichen Einsatz getrieben. Unterstützt werden wir hierbei durch ein hervorragendes Team von exzellenten Mitarbeitern, welche uns tagtäglich weit über das notwendige hinaus unterstützen!

Sie sagen „Nachhaltigkeit durch Technologie erreichen“ können Sie erläutern was Sie darunter verstehen?
Unserer Meinung nach sind die SDGs (Sustainable Development Goals der UN) die aktuell beste Zusammenfassung von konkreten Zielen die es zu erreichen gilt. In der EUTEC streben wir danach diese Ziele durch den Einsatz von Technologien und durch Innovation zu erreichen. Gerade in der heutigen Zeit, wo der Ruf nach Verzicht immer lauter wird, ist es wichtig den Menschen echte Alternativen Anstelle von Verboten zu bieten. Lassen Sie mich hier kurz das Beispiel über die aktuell sehr in Mode gekommenen Fleischersatzprodukte geben: Natürlich kann man auf Fleisch verzichten, allerdings sollte man niemanden dazu zwingen. Wenn man jedoch die SDG 2 (Zero Hunger), SDG 12, SDG 13 sowie SDG 15 erreichen möchte, ist es notwendig nach alternativen zu forschen. Im Moment sind Fleischersatzprodukte vielleicht für viele noch keine Alternative, aber ich bin mir sicher, dass mit der richtigen Innovation bereits im Jahre 2030 über die Hälfte aller Fleischprodukte hierdurch ersetzt werden können. Wenn dies dann freiwillig bzw. ohne Zwang erfolgt, wäre dies ein wundervolles Beispiel von Nachhaltigkeit durch Technologie!

Diese Einschätzung wird auch vom Berliner Klimaforschungsinstituts MCC  geteilt.  Es bleibt aber die Sorge vor einer intellektuellen Spaltung der Gesellschaft, wobei die wissenschaftsorientierten und populistischen Teile stets weiter auseinanderdriften. Ist es für Sie nicht auch eine Aufgabe, das Wissen weiter zu verbreiten, mehr Menschen mitzunehmen als die Eliten?

Ich denke nicht, dass technologischer Fortschritt zu einer intellektuellen Spaltung der Gesellschaft führt oder hierdurch die Eliten von der Masse getrennt werden – ganz im Gegenteil. Ich glaube, dass uns der technologische Fortschritt seit der Erfindung des Buchdrucks Mitte des 15. Jahrhunderts bis zu den heutigen Kurznachrichtendiensten und Social Media Kanälen immer weiter „Befähigt“ hat die Menschen mitzunehmen. Konnten früher nur wenige Eliten vom Wissen profitieren kann es heute in nur wenigen Stunden die gesamte Welt. Lassen Sie mich dies anhand des gerade genannten Beispiels mit den Fleischersatzprodukten erläutern. Wenn man vielleicht vor 20 Jahren noch große Aufklärungskampagnen hätte machen müssen, um den Menschen den Vorteil von solchen Produkten zu erklären, so reicht heute schon der Post einer berühmten Person auf Instagram (z.B. „The Rock“ Johnson, 190 Mio. Follower) aus, um Menschen von einer gesünderen Lebensweise zu überzeugen – und dies ist dann definitiv nicht die Elite sondern die breite Masse, welche wir durch neue Technologien erreichen!

Meinen Sie, dass uns die Zeit noch reicht? Die Reiter der Apokalypse sind am Horizont bereits zu sehen. Wie wollen Sie Geschwindigkeit in Ihre Sache bekommen?

Ja, die Zeit drängt! Die gute Nachricht ist, dass man durch den richtigen Einsatz von Technologien nicht nur die Klimaproblematik lösen könnte, sondern alle 17 Ziele der Vereinten Nationen erreichen kann – man muss nur wollen! Dies ist dann leider auch die schlechte Nachricht, da viele Menschen einfach noch nicht bereit sind „zu wollen“ bzw. das notwendige zu tun. Bei der EUTEC verfolgen wir daher zwei Ansätze. Zum Einen stellen wir bei der EUTEC gemeinsam mit unseren Advocates die besten Technologien bereitstellen, um die 17 SDGs zu erreichen. Zum anderen haben wir gemeinsam mit Kurienkardinal Turkson und dem „Dicastery of Integral Human Development“ des Vatikans die „Senfkorn Initiative“ ins Leben gerufen.

Mit welchem Ziel?

Ziel dieser Initiative ist es Senfkornprojekte als Pilotprojekte umzusetzen, bei denen sowohl die 17 SDGs erreicht werden, als auch den Menschen vor Ort die nötige Hoffnung auf wirtschaftlichen Wohlstand gegeben wird. Der Begriff Senfkorn soll hierbei als Symbol für den „Anfang“ stehen, da jedes Projekt als Pilotprojekt für andere marktwirtschaftlich funktionierende Projekte dienen soll. Wir hoffen hierdurch nicht nur für SDG 13 also den Klimawandel sondern auch für viele andere SDGs echte Lösungen aufzuzeigen, welche dann durch die Wirtschaft umgesetzt werden! Falls dann die Wirtschaft auch bereit ist „zu wollen“ sollten alle Probleme auch noch rechtzeitig gelöst werden können.

Vielen Dank für dieses Gespräch!