„Die Nachhaltigkeitsplattform Brandenburg ist ein wichtiges Element, um die Zivilgesellschaft bei der gesellschaftlichen Veränderung zu einem nachhaltigeren Brandenburg einzubinden“, sagte Landwirtschaftsminister Axel Vogel bei der Abschlussveranstaltung der ersten Phase dieses Netzwerks. Die vier Arbeitsgruppen der Nachhaltigkeitsplattform hatten bei dem Termin in Potsdam ihre Arbeit und erste Ergebnisse der vergangenen acht Monate präsentiert. „So vielfältig wie die Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklungsziele ist auch der Kreis derjenigen, die sich bei uns in Brandenburg mit dem Thema Nachhaltige Entwicklung befassen und hier an zukunftsweisenden Konzepten arbeiten“, sagte Minister Vogel, der das Treffen mit einem Grußwort eröffnete. Diese Plattform solle Raum für einen guten Austausch zum Thema Nachhaltige Entwicklung bieten – „ich nenne das jetzt einfach Denkwerkstatt.“ Entsprechend würden die vertretenen unterschiedlichen Disziplinen die Praxis der Offenheit und des „voneinander Lernens“ leben.
„Denn, wie wir unsere Zukunft gestalten, sollte weder das Ergebnis geschlossener Expertengremien noch von Echokammern im Internet geprägt sein“, sagte der Minister. Der Minister lobte den Arbeitseifer der teilweise ehrenamtlich arbeitenden Gruppenmitglieder – trotz der Corona-Pandemie hätten sie ihren Austausch weitergeführt. „Wir haben die Pilotphase der Nachhaltigkeitsplattform ausgewertet und sind darin übereingekommen, dass die Plattform bis zum Ende dieser Legislaturperiode unbedingt fortgeführt werden soll“, sagte Vogel vom Landwirtschaftsministerium Brandenburg.
Prof. Ortwin Renn aus dem IASS-Direktorium, der die Nachhaltigkeitsplattform Brandenburg leitet, sprach in seiner Eröffnung von den Kommunen, die vor Ort als Treiber einer nachhaltigen Entwicklung wirkten. Jedoch werde Nachhaltigkeit auf kommunaler Ebene oft nicht als Pflicht, sondern als Ehrenamt ausgeführt. Am Ende gehe es bei der Veränderung zu einer nachhaltigeren Gesellschaft für alle um positiv konnotierte Ziele wie wirtschaftliche Prosperität, weniger als Wachstum zu verstanden, als auch um ökologische Qualität und kulturelle Vielfalt. Die Nachhaltigkeitsplattform Brandenburg ist ein Kommunikationsforum und Netzwerk für die Nachhaltigkeitsinitiativen des Landes und hat im Januar 2019 ihre Arbeit aufgenommen. Die Nachhaltigkeitsplattform und wird vom Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK) finanziert. Die Geschäftsstelle ist am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) angesiedelt.In vier Arbeitsgruppen haben sich Vertreterinnen und Vertreter der verschiedensten Bereiche mit den Themen Rahmenbedingungen der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit, Beteiligung der Zivilgesellschaft, nachhaltige Digitalisierung und Lebensqualität plus Gemeinsinn befasst.
Arbeitsgruppe Beteiligung: Entwicklung einer Landesnachhaltigkeitsstrategie
Eine breite Beteiligung und Akzeptanz sei zentral für eine Veränderung zu mehr Nachhaltigkeit – vor allem in unsicheren Zeiten. Politik und Verwaltung seien mehr denn je auf Beiträge aus der Zivilgesellschaft und ihrer Akteure als auch aus Wissenschaft und Wirtschaft angewiesen. Darum lag der Fokus dieser Arbeitsgruppe auf Beteiligung und Teilhabe an den Prozessen der Nachhaltigkeit und des Strukturwandels in Brandenburg. Die Arbeitsgruppe zieht folgendes Fazit: Eine auf Beteiligung orientierte nachhaltige Entwicklung im Land Brandenburg sollte möglichst viele Akteure einbinden, auf vorhandenen Strukturen aufbauen, direkte Wege und kurze Kommunikation wählen, öffentlichkeitswirksam und die gemeinsame Entwicklung einer von allen Akteuren (Landesregierung, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft) getragenen Nachhaltigkeitsstrategie sein.
Es gilt es die regionale und kommunale Ebene stärker einzubinden
Des Weiteren hat die Gruppe – aufbauend auf der Revidierten Europäischen Charta der Beteiligung am Leben der Gemeinden und Regionen – wichtige Elemente für Governance-Strukturen zur nachhaltigen Entwicklung in Brandenburg zusammengetragen. Folgende Elemente sind besonders wichtig: Neben der gemeinsamen Entwicklung einer Landesnachhaltigkeitsstrategie sollten die von Akteuren erarbeiteten Inhalte für die Öffentlichkeit sichtbar sein und regelmäßig Rechenschaft abgelegt werden. Des Weiteren gilt es die regionale und kommunale Ebene stärker einzubinden um für die Nachhaltigkeit in Brandenburg relevante Themen zu diskutieren. Dabei kann auf bestehende Strukturen wie etwa den LEADER-Gruppen, der Umweltpartnerschaft, dem Round Table Entwicklungspolitik oder des Runden Tisches des BNE aufgebaut werden. Vor allem aber sollen künftige Generationen etwa durch ein Jugendgremium aktiv mitwirken.
Ebenso müsste es Qualifizierungs- und Bildungsangebote sowie eine adäquate Ressourcenaustattung für die Nachhaltigkeits-Akteure im Land geben, um effektive Beteiligung zu ermöglichen. Positive Ansätze für Beteiligungsprozesse in Brandenburg seien das Jugendforum Nachhaltigkeit, welches durch den Landesjugendring Brandenburg/Kompetenzzentrum Kinder- und Jugendbeteiligung begleitet wird, die Dorfbewegung Brandenburg e.V, sowie Koordinationsstelle für hochschulische Bildung für nachhaltige Entwicklung der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE).
Arbeitsgruppe Nachhaltige Digitalisierung: Dialogforum Nachhaltige Digitalisierung in Kommunen
Digitalisierung sei ein Querschnittsthema, welches sich durch die Arbeit aller Arbeitsgruppen ziehe und deren Wichtigkeit für das Land Brandenburg durch die Corona-Pandemie deutlicher wurde. Was also kann Digitalisierung zur nachhaltigen Transformation der Gesellschaft beitragen? Wie können Zivilgesellschaft, Kommunen und Wirtschaftsakteure Nachhaltige Digitalisierung gemeinsam als Chance zur Gestaltung von Lebens- und Arbeitsqualität, zur Entwicklung gemeinwohlorientierter Produkte und Dienstleistungen, zur Etablierung ökologisch verantwortbarer Wirtschaftskreisläufe sowie zur Ausgestaltung von Kultur und Demokratie nutzen?
Best Practice-Beispiele aus Bad Belzig und Wiesenburg/Mark
Die Arbeitsgruppe habe daher Kommunale Digitalisierungsstrategien unter den Aspekten von Zielsetzungen, Indikatoren und Prozessen für eine nachhaltige Entwicklung betrachtet. Die DigitalAgentur Brandenburg habe ihre Erfahrungen aus Beratungen von Kommunen zur Entwicklung von kommunalen Digitalisierungskonzepten, -strategien und -prozessen beigetragen und stellte dar, wie es gelingen könne, Nachhaltigkeitsaspekte als Orientierungsrahmen einzubringen. Unterfüttert wurde dies durch kommunale Best Practice-Beispiele aus Bad Belzig und Wiesenburg/Mark, mit der Entstehung des „Smart Village“-Konzeptes und der erfolgreiche Weg zu einem Modellprojekt im Rahmen des BMI-Wettbewerbs „Smart City“.
Der Blick der Wissenschaft auf die Brandenburger Regionen ergänzte die Anforderungen an die Gestaltung des digitalen Raumes. Die umfassende Perspektive der Raumordnung und -planung müsse um den digitalen Raum erweitert werden – beispielhaft sei der Ansatz einer Smart-Region-Strategie für Brandenburg. Empfohlen wird von der Arbeitsgruppe ein landesweites öffentliches Dialogforum zur „Nachhaltigen Digitalisierung in Kommunen“ möglichst in Kooperation mit der DigitalAgentur und weiteren Akteuren aus dem Land. Der Erfahrungsaustausch zwischen den Kommunen müsse verstärkt werden und es sei zu berücksichtigen, dass selbst von den größten Kommunen Brandenburgs 95 Prozent keine Digitalisierungsstrategie und 88 Prozent keinen Digitalisierungsbeauftragten hätten. Ein solches Dialogforum könne dafür sorgen, den politischen Prozess der Umsetzung von Nachhaltigkeits- und Digitalisierungsstrategien im Rahmen eines ziel- und wirkungsorientierten Management- und Steuerungsprozess kommunal zu verankern.
Arbeitsgruppe Nachhaltige Lebensqualität und Gemeinsinn: Querschnittsthema
Das Themenfeld dieser Arbeitsgruppe unterscheide sich von den anderen Gruppen dahingehend, dass Lebensqualität und Gemeinsinn – ebenso wie Nachhaltigkeit – jeweils selbst Zielkategorien sind und keine Handlungsfelder. Im Kapitel „Lebendige Städte und Dörfer“ der Landesnachhaltigkeitsstrategie (LNS) finde sich die Beschreibung: „Lebensqualität bezeichnet die Faktoren, die die Lebensbedingungen für ein Individuum in der Gesellschaft ausmachen. Sie basiert auf einer angemessenen Befriedigung von Grundbedürfnissen, der Vermittlung von Kompetenzen und der gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.“ Diese Beschreibung fokussiere jedoch zu stark auf individuelle und vernachlässige soziale und gemeinschaftliche Bedürfnisse der Menschen.
Basierend auf einer Studie zu „Nachhaltiger Lebensqualität in Naturparken“ wurden Anregungen zur Bewertung der Indikatoren diskutiert. Nachhaltige Lebensqualität wird hier „als ein gutes Leben für gegenwärtig und künftig lebende Menschen verstanden, welches in einer intakten Umwelt stattfindet und keinen übermäßigen Ressourcenverbrauch nach sich zieht.“
Ausgehend von der allgemeinen Diskussion zu Lebensqualität und Gemeinsinn hat sich die AG Diskussionspunkten für die zukünftige Weiterentwicklung der LNS, aus den Blickwinkeln der drei Akteursgruppen Kommune, Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft, gewidmet. Hier sind die ersten Hauptergebnisse dass Nachhaltigkeit und Lebensqualität aus kommunaler Sicht Ober- bzw. Querschnittsziel, dem entsprechende Maßnahmen und messbare Zielerreichungsgrade zuzuordnen sind. Um die Kommunen für diese Zielsetzung handlungsfähiger zu machen, erscheint es erforderlich, Nachhaltigkeit zur kommunalen Pflichtaufgabe zu machen, um die Zielsetzung trotz möglicher Haushaltssicherung verfolgen zu können. Ein Weg in diese Richtung wäre, die SDGs den kommunalen Pflichtaufgaben strategisch zu zuordnen, also z.B. faire Beschaffung, Vergaberecht und Vergabevorschriften, fairer Handel. Um in den Kommunen und Verwaltungen Änderungsprozesse einleiten zu können, seien Schulungsangebote erforderlich.
Weitere Themen, die im Bereich nachhaltige Lebensqualität und Gemeinsinn diskutiert wurden, seien beispielsweise Gesundheit, Ernährung, Einkommen und Arbeit, Bildung, Mobilität, Wohnen und Beteiligung. Die Bandbreite dieser Themen zeige, dass Lebensqualität und Gemeinsinn als Querschnittsthema zu verstehen ist. Im Rahmen der Bestandsaufnahme nennt die Gruppe positive Beispiele wozu Stadt-Land.move eV. in Werder/Havel gehört, ein Verein, der sich als Werkstatt für sozial-ökologischen Wandel versteht. Weitere Beispiele: das Social Impact Lab in Beelitz oder das Coconat in Bad Belzig.
Arbeitsgruppe Rahmenbedingungen der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit
Hierbei lag der Fokus auf den Themen Klimawandel und Wasser. Der anthropogene Klimawandel betreffe die Menschen in Brandenburg bereits in zweifacher Hinsicht, zum einen als Betroffene der Auswirkungen der Klimakrise und zum anderen als Beteiligte bei den dazu beitragenden Treibhausgasemissionen etwa durch Strom aus Braunkohle, aus fossil angetriebener Mobilität oder intensiver landwirtschaftlicher Flächennutzung. Ein nachhaltiger Transformationsprozess müsse diesen beiden Facetten des Wandels gerecht werden, um sozialen Verwerfungen, wirtschaftlichen Strukturbrüchen und Umweltzerstörung zu begegnen.
Zusätzlich habe Brandenburg wegen seiner geografischen Lage ein Niederschlagsdefizit, das im derzeit zu Hitze- und Dürreperioden mit kritischen Entwicklungen bei Grund- und Oberflächengewässern geführt habe. Dies erfordere dringend eine nachhaltige Transformation der Flächennutzung in Land- und Forstwirtschaft, in Landschafts- und Gewässerschutzgebieten sowie bei Siedlungs- und Infrastrukturen. Dazu sei zu berücksichtigen, dass der Niederschlag zwar seltener und im Mittel weniger wird, lokale Starkregenereignisse mit Hochwasser aber heftiger und häufiger werden. Um diesen negativen Folgen wirksam zu begegnen, brauche eine nachhaltige Transformation lokale Maßnahmen der Anpassung. Diese Gemeinschaftsaufgabe von Land, Kommunen, lokaler Wirtschaft und den Menschen vor Ort bietet auch Chancen für die Stärkung von Lebensqualität und Gemeinsinn. Gleiches gilt für Maßnahmen des Klimaschutzes.
Zusätzlich brauche es einen stärkeren Diskurs darüber, wo man sich als Gesellschaft hin entwickeln möchte. Das gelänge nur, wenn Transformationsprozesse so aufgebaut seien, dass sie Menschen mitnehme würden anstatt sie abzuhängen oder bestehende Kluften zu vergrößern. Brandenburg kann vor allem in der Lausitz demonstrieren, wie ein erfolgreicher Transformationsprozess aussehen kann, der auch den Klimawandel berücksichtige.
Eine solche Transformation zu mehr Nachhaltigkeit werde motiviert durch Anreize und Vorgaben. Hier herrsche – vor allem auf kommunaler Ebene – viel zu große Freiwilligkeit. Die nachhaltige Transformation müsse zur kommunalen Pflichtaufgabe werden, um erfolgreich zu sein. In der Brandenburger Landesregierung und in den meisten kommunalen Verantwortungsstrukturen besteht das Problem, dass Transformation zur nachhaltigen Gesellschaft nicht als Gemeinschaftsaufgabe, sondern einzelnen Ressort zugeteilt sei. Damit kann Nachhaltigkeit nicht als Querschnittsaufgabe gedacht werden, die sie tatsächlich aber ist.
Was braucht es für eine Brandenburger Transformation zu mehr Nachhaltigkeit?
Erste Ergebnisse sind: Es braucht mehr Personal für Kommunen, Budgets für Innovationen, Nachhaltigkeitskriterien für Ausschreibungen, Argumentationshilfen und Kooperation zwischen den Nachhaltigkeitsakteuren auf regionaler und Landesebene. Das Konsumverhalten der Brandenburger und Brandenburgerinnen muss kritischer betrachtet werden. Neue Geschäftsmodelle im Bereich Gemeinwohl, Sharing und Leasing oder Zirkularität seien nötig. Die Transformation brauche Technologieoffenheit – etwa bei der Energiespeicherung. Die notwendigen sozio-technologischen Transformationen benötigen neue, innovative, experimentierfreudige Verantwortungs- und Kommunikationsstrukturen.