Die schweren Dürren in den USA oder in Australien sind erste Anzeichen dafür, dass sich die Tropen mit ihren warmen Temperaturen offenbar im Zuge des Klimawandels immer weiter ausdehnen: Die Gründe dafür konnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bisher aber nicht schlüssig erklären, weil sie vor allem die Vorgänge in der Atmosphäre im Blick hatten. Jetzt haben AWI-Experten das Rätsel gelöst: Die bedenkliche Ausdehnung der Tropen wird nicht etwa durch Prozesse in der Atmosphäre verursacht, sondern ganz einfach durch Meeresströmungen.
Buschbrände in Australien und Kalifornien, Dürre und Wassermangel am Mittelmeer – solche Ereignisse treten seit einigen Jahren immer häufiger auf. Forscherinnen und Forscher führen das darauf zurück, dass sich allem Anschein nach die Tropen mit ihren warmen Temperaturen immer weiter ausdehnen – jene warmen Gebiete um den Äquator. Und das führt dazu, dass die betroffenen Regionen heißer und trockener werden. Per Definition erstrecken sich die Tropen um den Äquator, vom 23. Breitengrad im Norden bis 23. Grad südlicher Breite. Das Zentrum der Tropen ist feucht und hat viel Niederschlag, die Ränder im Norden und im Süden hingegen sind trocken und heiß. Im Zuge des Klimawandels aber dehnen sich die heißen und trockenen Gebiete seit geraumer Zeit auf der Nordhalbkugel weiter nach Norden und auf der Südhalbkugel nach Süden aus – beispielsweise bis in den Süden Kaliforniens.
Voraussichtliche Änderungen der Niederschläge bis zum Ende dieses Jahrhunderts im Verlauf des RCP4.5-Szenarios. Die zunehmende Dürre im Mittelmeerraum, in Kalifornien, Australien und Brasilien ist mit der tropischen Expansion verbunden. In diesen Regionen wurde in den letzten Jahren häufig über Waldbrände berichtet, was sehr wahrscheinlich auf die Ausdehnung der Tropen unter der globalen Erwärmung zurückzuführen ist. (Foto: Alfred-Wegener-Institut/ Hu Yang)
Doch die Klimaforscher hatten bislang ein Problem. Es gelang ihnen mit ihren Klimamodellen nicht, diese offensichtliche Ausdehnung der Tropen schlüssig nachzuvollziehen und zu begründen. Eine deutliche Verschiebung der Tropen, zeitgleich auf der Nord- und Südhalbkugel, bildeten die Klimarechenmodelle einfach nicht ab. Die wahrscheinliche Ursache hat ein Team um die Physiker Hu Yang und Gerrit Lohmann vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven (AWI) gefunden. Wie die AWI-Experten jetzt im Fachmagazin Journal of Geophysical Research Atmospheres schreiben, liegt die Ursache für die Ausdehnung offenbar an einer veränderten Erwärmung des Ozeans. Bislang war die Fachwelt davon ausgegangen, dass Vorgänge in der Atmosphäre die treibende Rolle spielten – etwa eine Veränderung der Ozonkonzentration oder der Aerosole. Auch hatte man es für möglich gehalten, dass natürliche Klimaschwankungen, die im Rhythmus von Dekaden auftreten, für die Ausdehnung der Tropen verantwortlich sind. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten also lange Zeit gewissermaßen an der falschen Stelle gesucht.
„Unsere Modellrechnungen zeigen, dass großräumige Meeresströmungen sowohl auf der Nord- als auch auf der Südhalbkugel der entscheidende Treiber sind“, sagt Hu Yang, leitender Autor der Studie. Bei diesen Meeresströmungen handelt es sich um viele Hundert Kilometer breite Wasserwirbel, die langsam kreisen. Diese sind besonders aus dem Pazifik bekannt, weil sich in ihnen der in den Meeren treibende Plastikmüll konzentriert. „Weil die Strömungen in dieser Region die Wassermassen besonders stark zusammenführen, akkumuliert die subtropische Ozeanoberfläche hier leichter Wärme als in anderen Meeresregionen – ganz so wie beim Plastik“, sagt Gerrit Lohmann. Diese Erwärmung des subtropischen Ozeans führt dazu, dass sich die warmen Meeresregionen vergrößern. Seine Rechnungen zeigten, dass dies der Auslöser für die Ausdehnung der Tropen nach Norden beziehungsweise Süden sei. „Bislang hat man zu kompliziert gedacht und komplexe Veränderungen in der Atmosphäre als Ursache vermutet. In Wahrheit ist es ein relativ einfacher Mechanismus der Meeresströmungen.“
Anlass für ihre Berechnungen waren Daten zu den Meereswirbeln, über die die Forscher vor fünf Jahren gestolpert waren. Dabei handelte es sich um frei in Datenbanken verfügbare Messwerte der Meerestemperatur und Satellitendaten. Beide deuteten darauf hin, dass sich die ozeanischen Wirbel verstärken und wärmer werden. „Das brachte uns auf die Idee, dass sie bei der Ausdehnung der Tropen die entscheidende Rolle spielen könnten“, sagt Hu Yang.
Die AWI-Experten lagen richtig. Ihre Ergebnisse passen perfekt zu den realen Beobachtungen und Messwerten der aktuellen Tropenausdehnung. Wie in der Realität zeigt ihr Klimamodell, dass sich die Tropen im Norden weiter nach Norden, im Süden weiter nach Süden in Richtung der Pole ausdehnen. Im Süden ist dieser Effekt sogar noch stärker. Das liege daran, dass der Ozean dort mehr Fläche einnimmt als im Norden.
Ob die Dürren in Australien, Kalifornien oder am Mittelmeer ursächlich auf die Ausdehnung der Tropen zurückzuführen ist, kann Gerrit Lohmann aber nicht mit Sicherheit sagen. „Beim Klimawandel ist es immer schwierig, die Anteile mit letzter Gewissheit zu quantifizieren“, sagt er. „Wir können aber davon ausgehen, dass die Meeresströmungen und die Ausdehnung der Tropen, Dürren und Wirbelstürme wahrscheinlicher machen.“