Mit Erdbeobachtung aus dem All und Künstlicher Intelligenz – zwei große Verbundforschungsprojekte zur Erkennung von Waldschäden gestartet: Unsere Wälder sind wahre Multitalente. Sie sind Lebensraum für Tiere und Pflanzen, schützen das Klima, laden zu Erholung und Freizeit ein. Auch sind sie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im ländlichen Raum. Aber der Wald ist in Not. In den letzten drei Jahren waren unsere Wälder extremen Witterungsbedingungen ausgesetzt. Stürme, Phasen extremer Trockenheit und ein massiver Befall der Bäume durch den Borkenkäfer haben zu erheblichen Schäden an unseren Wäldern geführt. Mit den Projekten „FirSt2.0“ und „TreeSatAI“ sind an der TU Berlin zwei der umfassendsten Forschungsprojekte zu Waldschäden in Deutschland gestartet.
„Der Klimawandel macht dem deutschen Wald, der nicht nur für Mensch und Tier Lebensraum und Lebensgrundlage ist, sondern von dem auch rund eine Million Arbeitsplätze in Deutschland abhängen, schwer zu schafften. Allein in diesem Jahr hatten wir Waldbrände in einer Größenordnung von 2700 Hektar. Das gab es seit 30 Jahren nicht“, erklärt Prof. Dr. Birgit Kleinschmit, die an der TU Berlin das Fachgebiet Geoinformation und Umweltplanung leitet, an dem beide Forschungsprojekte angesiedelt sind. Für das Projekt „TreeSatAI“ hat sie die Sprecherschaft übernommen.
Borkenkäfer, Waldbrände und Stürme setzen dem Wald massiv zu
„Doch noch viel mehr“, so Birgit Kleinschmit, die kürzlich von der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner in deren „Wissenschaftlichen Beirat Waldpolitik“ berufen wurde, „setzen dem Wald die beiden Dürrejahre 2018 und 2019 zu, die zu einer explosionsartigen Vermehrung des Borkenkäfers geführt haben, weil die Bäume durch den Wassermangel für Abwehrreaktionen zu geschwächt waren – man spricht sogar von einer historischen Dimension der Waldschäden.“Bevor jedoch eine mögliche Strategie zur Anpassung der Wälder an den Klimawandel entwickelt und Empfehlungen an die Forstwirtschaft gegeben und umgesetzt werden können, ist eine genaue Bestandsaufnahme der unterschiedlichen Waldschäden und deren Ausmaß erforderlich. Hier setzen die beiden Projekte an.
Vitalitätsanalyse mit Satelliten-Fernerkundung und KI
Ziel von „FirSt2.0“ („Forest Damage inventory based on rapid Satellite technologies), das bis Juni 2023 läuft, ist die Entwicklung eines Softwareprodukts für Akteure aus Forstwirtschaft und Naturschutz. Es wird mit multisensoralen Satelliten-Fernerkundungsdaten, mit In-situ-Messungen von Bodenfeuchte und anderen Stress-Parametern sowie mit Künstlicher Intelligenz beziehungsweise Maschinellem Lernen eine genaue, kontinuierliche Untersuchung und Analyse des Zustands sowie der Schadarten der Wälder zulassen.
Berechnungsverfahren für den Vegetationszustand
Dieser Service soll Forstwirtschaft und Naturschutz ein verbessertes und situationsangepasstes Waldmanagement ermöglichen. Projektkoordinator ist hier die LUP – Luftbild Umwelt Planung GmbH, Potsdam. Das Fachgebiet Geoinformation in der Umweltplanung der TU Berlin ist in dem Verbund für die Algorithmenentwicklung verantwortlich. Eingebunden sind hier auch Landesforstbetriebe und das Thünen Institut für Waldökosysteme, Waldbesitzerverbände sowie der Nationalpark Bayerischer Wald. „Das heißt, wir suchen nach Berechnungsverfahren für den Vegetationszustand, den wir vor Ort vorfinden und mit hochsensibler Technologie messen – also Waldschäden wie abnehmende Blattmasse, verwelkte oder verfrüht abfallendes Laub und anderes – aus denen dann Schäden für einen größeren Bereich abgeleitet und hochgerechnet werden können, später sogar für ganz Deutschland“, erklärt Dr. Michael Förster, der das Projekt am Fachgebiet koordiniert, das hier mit einer Fördersumme von 560.000 Euro beteiligt ist.
Beim Waldmonitoring sind auch Citizen Science- und Social Media-Daten eingebunden
In das Verbundprojekt „TreeSatAI“ (Künstliche Intelligenz mit Erdbeobachtungs- und Multi-Source Geodaten für das Infrastruktur-, Naturschutz- und Waldmonitoring), das bis 2022 läuft und für das Professor Birgit Kleinschmit die Sprecherschaft inne hat, ist auch die Fernerkundungs- und KI-Expertin Prof. Dr. Begüm Demir vom Fachgebiet Remote Sensing Image Analysis (RSiM), Fakultät IV Elektrotechnik und Informatik der TU Berlin, eingebunden.
Beteiligt sind außerdem unter anderem das Deutsche Zentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), die LUP GmbH sowie zwei Startups. Sie werden innovative KI-Methoden für das Infrastruktur-, Naturschutz- und Waldmonitoring entwickeln. Von besonderem Forschungsinteresse ist dabei die Kombination von KI-Algorithmen mit großen Mengen an aktuellen Satelliten- und Drohnendaten, Informationen aus bereits vorhandenen, auch europäischen Umweltdatenbanken, Social Media und Citizen Science-Daten, um den Zustand im Wald lokal, regional und europaweit zu erkennen und zu überwachen. 500.000 Euro der Fördersumme fließen in die TU Berlin.
Durch die enge Kooperation mit mehreren kleinen und mittelständischen Unternehmen, Verbänden und Verwaltungen, so Birgit Kleinschmit, werde zudem in beiden Projekten ein aktiver Wissenstransfer in die Wirtschaft und Gesellschaft anvisiert.
http://www.geoinformation.tu-berlin.de/