„Wir sind Fairtrade-University.“ Das kann die Universität Bamberg seit dem 13. Juni 2018 von sich sagen. Dr. Frank Eichinger vom Verein TransFair e.V. überreichte das Zertifikat an Dr. Dagmar Steuer-Flieser, Kanzlerin der Universität, mit den Worten: „Sie erfüllen alle fünf Kriterien einer Fairtrade-University, deswegen dürfen Sie sich für die nächsten zwei Jahre mit diesem Titel schmücken.“ Kriterien sind unter anderem, dass die Mensen fair gehandeltes Essen anbieten und dass es regelmäßig Veranstaltungen zum Thema Fairer Handel gibt. Nach zwei Jahren überprüft der Verein, ob die Universität den Titel weiterhin führen darf. Dagmar Steuer-Flieser bezeichnete die Auszeichnung als einen ersten wichtigen Schritt in einem „nie endenden Prozess eines nachhaltigen und verantwortungsvollen Umgangs mit den Ressourcen unserer Erde“. Welche nachhaltigen Maßnahmen es bereits jetzt an der Universität gibt, schildern ein aktueller Artikel sowie die neu eingerichtete Webseite.
Wie Entschleunigung und Nachhaltigkeit zusammenhängen
Die Verleihung des Fairtrade-Zertifikats war zugleich der Schluss- und Höhepunkt der 5. Bamberger Hochschultage „Von der Hetze zur Entschleunigung – Auf der Suche nach einem besseren Leben“. Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft beschäftigten sich in Vorträgen und einer anschließenden Podiumsdiskussion mit der Entschleunigung aus gesellschaftlicher, unternehmerischer, psychologischer und räumlicher Sicht. Und am 14. Juni wurde das Thema Entschleunigung in drei Workshops vertieft. Nur: Wie hängt Entschleunigung mit Nachhaltigkeit zusammen? Das erklärten die Gastgeber der Veranstaltung, Betriebswirtschaftler Prof. Dr. Björn Ivens und Wirtschaftspädagogin Prof. Dr. Karin Heinrichs, in ihrer Einführung. Nachhaltigkeit bedeutet für sie: „Man sollte heute nicht mehr Ressourcen verbrauchen als vorhanden sind.“ Man sollte also nicht mehr als nötig konsumieren oder mehr arbeiten, als man kann – damals, heute und in Zukunft. Gerade in einer schnelllebigen Welt sei die begrenzte Ressource Zeit ein wesentlicher Faktor und Entschleunigung gewinne an Bedeutung.
Arbeit und Privatleben verbinden
Wie Studien zeigen, wünschen sich viele Menschen mehr Zeit für Freunde, für sich selbst und die Partnerschaft. „Wie kann ich Job und Familie ausbalancieren?“, fragte Dr. Karin Jurzczyk vom Deutschen Jugendinstitut. Anstelle eines „guten Lebens“ gebe es in Deutschland aktuell eher ein Vereinbarkeitsmanagement. Sie forderte ein gesamtgesellschaftliches Umdenken durch den politischen Ansatz der „atmenden Lebensläufe“: Je nach Lebenssituation sollte es jedem einzelnen möglich sein, sich stärker auf die Pflege der Familie oder die Arbeit zu konzentrieren. „Staat, Markt, Familie und Zivilgesellschaft übernehmen gemeinsam Verantwortung“, so ihre Vision. Beispielsweise sollten Menschen, die Verwandte pflegen, einen Lohnersatz vom Staat bekommen. „Wir sollten Arbeits- und Privatleben nicht mehr getrennt sehen, sondern zusammen.“ Dafür plädierte hingegen Dr. Silke Göddertz, die als Personalentwicklerin bei der Deutschen Telekom die Unternehmenssicht darlegte. Sie schlug vor, das Leben so einzurichten, dass man alles miteinander verknüpfen kann. Kita, Wald und Büro liegen in ihrem Modell der „Future Work“ direkt beieinander: Homeoffice statt Kernarbeitszeiten, virtuelle Zusammenarbeit statt physische Anwesenheit. Zu Entschleunigung führe dieses Modell nicht, gab Silke Göddertz zu, aber: „Dafür ist die Bedeutsamkeit des Jobs wichtig und wir haben größere Chancen für Selbstentfaltung.“
Die kleinen Dinge: Spazierengehen und flanieren
Einen Blick auf das Individuum warfen dann die Psychologinnen Julia Schröder und Caroline van der Velde von der Universität Bamberg. Zur Veranschaulichung bliesen sie einen Luftballon auf, der für herausfordernde Arbeit stand. „Es geht darum zu verhindern, dass der Luftballon platzt“, sagten sie. Ihre Lösung: Selbstfürsorge, also die Fähigkeit, mit sich selbst gut umzugehen und auf die eigenen Bedürfnisse zu achten. Ein Tipp für Selbstfürsorge im Alltag war, sich jeden Morgen zu überlegen, was man heute tun würde, um für sich zu sorgen. Man könnte zum Beispiel gezielt einen Spaziergang einplanen. Während sich diese drei Vorträge mit zeitlicher Be- und Entschleunigung beschäftigten, konzentrierte sich Geograph Prof. Dr. Marc Redepenning von der Universität Bamberg auf den Raum, auf Orte der Entschleunigung. Ihm ging es besonders darum zu überlegen, wie Städte langsam oder nachhaltig sein können. Seiner Ansicht nach genüge es nicht, Städte umzugestalten. Er sieht Entschleunigung als „Geisteshaltung einer neuen Einstellung zu Raum und Zeit.“ Man sollte kleine Dinge aufwerten, wahrnehmen und achten. Im Zusammenspiel zeigten die vier Vorträge, dass jeder einzelne Mensch etwas für ein entschleunigtes, nachhaltiges Leben tun kann. Manche können auf politischer Ebene etwas ändern, andere auf wirtschaftlicher Ebene und alle auf persönlicher Ebene. Und auf universitärer Ebene leistet die Arbeitsgemeinschaft Nachhaltigkeit ihren Beitrag – nun bestätigt durch das offizielle Siegel Fairtrade-University.