Besseres Management von Lieferketten in Krisenzeiten

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Wuppertal Institut fordert in seinem Zukunftsimpuls anpassungsfähige, nachhaltige und kreislauforientierte Lieferketten: Aktuell wird im Bundeskabinett die Verabschiedung eines neuen Lieferkettengesetzes diskutiert. Es soll dafür sorgen, dass insbesondere in Entwicklungsländern Menschenrechte entlang globaler Wertschöpfungsketten eingehalten werden. Das Wuppertal Institut begrüßt ein solches Gesetz, jedoch sieht es Nachbesserungsbedarf beim Umweltschutz und den Sozialstandards, wie Lohngleichheit und Arbeitssicherheit, und plädiert für eine europaweite einheitliche Gesetzgebung. Die COVID-19-Pandemie hat die globalen Lieferketten zudem massiv erschüttert und sie gerieten sozial wie ökologisch in eine Schieflage. Daher fordern die Forschenden des Wuppertal Instituts in ihrem Zukunftsimpuls „Nachhaltige Lieferketten: Global kooperative Regionalwirtschaften für Wohlstand und Resilienz“ verbindliche Regelungen und einheitliche Vorgaben für nachhaltige und kreislauforientiere Lieferketten. Ihr Appell: Regionalwirtschaften sollten global miteinander kooperieren und sich gegenseitig wirtschaftlich und sozial unterstützen – vor allem in Krisenzeiten wie derzeit.

Im Jahr 2019 gaben die Deutschen laut vorläufigen Statista-Angaben rund 77,5 Milliarden Euro für Bekleidung und Schuhe aus – Tendenz steigend. Hergestellt wird die Kleidung meist in Entwicklungsländern, unter miserablen Bedingungen für Näherinnen und Näher sowie die Umwelt. Im Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschrechte (NAP) hat die Bundesregierung 2016 die Verantwortung von deutschen Unternehmen für die Achtung der Menschenrechte verankert und die Erwartungen an Sorgfaltspflichten formuliert, zunächst auf freiwilliger Basis.

Komplexität global vernetzter Wertschöpfungssysteme. Quelle: Wuppertal Institut basierend auf Seliger 2007.

Eine Evaluation ergab, dass weniger als ein Fünftel der in Deutschland ansässigen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten sich daran halten und somit nicht ihrer unternehmerischen Sorgfaltspflicht nachkommen. Die Situation verschärfte sich durch die COVID-19-Pandemie zusätzlich. Gerade die ärmsten Länder sind aufgrund ihrer häufig einseitigen Ausrichtung der Wertschöpfung, wie etwa der Export einzelner Rohstoffe und unzureichend entwickelte Sicherungs- und Gesundheitssysteme, verwundbar und besonders von der Pandemie betroffen.

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„Freiwillige Standards und Leitlinien für nachhaltige Lieferketten haben offensichtlich eine zu geringe Wirkung auf die Unternehmensstrategien und -praktiken“, bemängelt Prof. Dr. Christa Liedtke, Leiterin der Abteilung Nachhaltiges Produzieren und Konsumieren am Wuppertal Institut, und ergänzt: „Ziel muss sein, menschengerechte, nachhaltige und transparente Lieferketten zu etablieren, die auch bei plötzlich veränderten Rahmenbedingungen und in Krisenzeiten richtungssicher die Versorgungssicherheit der Grundbedürfnisse sicherstellen.“

Lieferketten nachhaltig und kreislauforientiert managen

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) Vorschläge für die Eckpunkte eines Lieferkettengesetzes erarbeitet. Diese sehen vor, dass in Deutschland ansässige Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten verpflichtet werden, Verantwortung für Menschenrechte zu übernehmen. Das Wuppertal Institut begrüßt den Entwurf der Ministerien, jedoch sieht es auch Nachbesserungsbedarf beim Umweltschutz und den Sozialstandards, die bislang nur unzureichend berücksichtigt werden.

Status Quo und Zielperspektive 2050 für global kooperative Regionalwirtschaften. Wuppertal Institut auf Basis von Seliger 2007, Liedtke et al. 2008, Global Footprint Network 2020, OPHI 2020, Sachs et al. 2020,

Daher entwickelten die Forschenden des Wuppertal Instituts im Zukunftsimpuls „Nachhaltige Lieferketten: Global kooperative Regionalwirtschaften für Wohlstand und Resilienz“ ein Zukunftsszenario. Dies beinhaltet unter anderem, dass sowohl weltweite Ungleichheiten hinsichtlich Chancen und Lebensqualität grundlegend reduziert und gleichzeitig die natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft bewahrt werden. Die Forschenden fordern daher:

  • Geschäftsmodelle und Innovationen zu globalisieren, Materialflüsse zu regionalisieren und in Kreisläufen zu führen,
  • global kooperative Regionalwirtschaften Schritt für Schritt aufzubauen,
  • das Lieferkettengesetz und dessen Standards in Deutschland sowie der Europäischen Union an die Herausforderungen globalisierter Wertschöpfungsketten auszurichten,
  • Lieferketten transparent zu gestalten,
  • Digitalisierung im Sinne des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) einzusetzen,
  • die öffentliche Beschaffung als Vorbild zu etablieren und in Kooperation zwischen Kommunen weltweit nachhaltige Beschaffung als Resilienz-Ansatz zu entwickeln,
  • rechtswirksame und europaweite Rahmenbedingungen sowie effektive Kontrollmechanismen für alle Unternehmen und
  • Umsetzbarkeit in Unternehmen, insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen, durch staatliche Unterstützung sicherstellen.

Europaweite, einheitliche und auf die Nachhaltigkeitsziele abgestimmte Lieferketten

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„Die Politik sollte neben den entsprechenden Rahmenbedingungen auch Anreize und Angebote zur Unterstützung schaffen, sodass alle Unternehmen in der Lage sind die Regelungen im (wirtschaftlichen) Eigeninteresse umzusetzen. Dies ist eine zentrale Voraussetzung dafür, dass die menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflicht sich als Wettbewerbsvorteil auf den Märkten etabliert“, ergänzt Markus Kühlert, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsbereich Produkt- und Konsumsysteme in der Abteilung Nachhaltiges Produzieren und Konsumieren am Wuppertal Institut. Wenn sich das Lieferkettengesetz an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen – auch Sustainable Development Goals (SDGs) – orientiere, könne das helfen, dem Flickenteppich der uneinheitlichen nationalen Regelungen entgegenzuwirken sowie die Nachhaltigkeitsziele auf internationaler, nationaler und regionaler Ebene auch in Krisenzeiten umzusetzen.