„Explosion“ des Energieumsatzes

Menschheit verbrauchte seit Mitte des 20. Jahrhunderts mehr Energie als in den 11.700 Jahren davor

Wissenschafter*innen sprechen aufgrund der enormen menschenverursachten Emissionen ab Mitte des 20. Jahrhundert, ab etwa 1950, vom Anthropozän als neuem geologischen Zeitalter. (@ free pics / pixabay)

Eine Analyse des globalen Fußabdruckes zeigt ab 1950 geradezu eine „Explosion“ des Energieumsatzes. Zusammen mit weiteren Markern würde dies die Benennung einer neuen geologischen Epoche als Anthropozän rechtfertigen, argumentiert ein Autorenkollektiv unter Beteiligung des Geologen Michael Wagreich von der Universität Wien., das den globalen Fußabdruck der Menschheit anhand von mehreren Kenndaten im planetaren Maßstab vermessen hat. Der dabei errechnete globale Energieverbrauch ab Mitte des 20. Jahrhunderts ist demnach dramatisch hoch: Mit rund -22 Exa Joules lag der Energieumsatz seit 1950 weit über dem Verbrauch in den rund 11.700 Jahren des restlichen Holozäns (mit -14,6 Exa Joules).

Foto: Uni Wien

„Der Energieumsatz in diesen 70 Jahren verändert unseren Planeten ähnlich wie der Meteoriteneinschlag am Ende der Kreidezeit vor 66 Millionen Jahren, der für das Aussterben der Dinosaurier verantwortlich war – wobei der Einschlag allerdings ein punktuelles Ereignis war“, erklärt Michael Wagreich. Der Meteoriten-Einschlag bewirkte eine starke Klimaabkühlung, während der intensive Verbrauch fossiler Energie ab etwa 1870 und verstärkt ab 1950 hingegen zur Klimaerwärmung, Luftverschmutzung und einem Anstieg an Treibhausgasen in der Atmosphäre sowie einem steigenden Meeresspiegel führt.

Anthropozän ab etwa 1950

Die Daten der Autoren zeigen für den rasanten Anstieg ab 1950 eine starke Korrelationen zwischen der globalen Bevölkerung, ihrer Produktivität und ihrem Energiekonsum. Dieser Anstieg sowie zahlreiche andere Marker ab 1950 würde die bereits seit längerem diskutierte Benennung einer neuen geologischen Epoche als Anthropozän rechtfertigen.

„Diese große Beschleunigung – man kann fast von einer geologischen Explosion sprechen – zeigt, wie sich das Erdsystem ab 1950 von seinem ausgeglichenen Zustand im Holozän entfernt hat“, erklärt Wagreich. „Unser Planet ist groß, und auf den ersten Blick mag es für den Menschen unmöglich erscheinen, die Erde selbst geformt zu haben“, so Erstautor Jaia Syvitski von der University of Colorado Boulder, doch genau das würden die Daten unmissverständlich zeigen. Anhand von insgesamt 16 Punkten listen die Autoren auf, wie die Menschheit sich in den Planeten eingeschrieben hätte, darunter der radioaktive Fall-out, Beton und die Veränderung von Küstenlinien, industrielle Fischerei, Landwirtschaft und Bergbau, Plastik oder – insbesondere – durch Treibhausgase in der Atmosphäre, die durch den Treibhauseffekt die Klimaerwärmung anheizen.

Eiszeit um 50.000 Jahre verschoben
Als gigantische Speicher von Sonnenenergie wirken dabei die Ozeane, die rund das 20-fache des eigenen Energieverbrauchs der Menschheit für Produktion und Konsum seit 1871 gespeichert haben. Dies führt wiederum zu mehr Verdunstung und damit einem stärkeren Treibhauseffekt: Ein sich selbst verstärkender Kreislauf, der die nächste Eiszeit nach jetzigem Stand um mindestens rund 50.000 Jahre in die Zukunft verschiebt.

„Aufgrund dieser Kennzahlen schlagen wir vor, ab Mitte des 20. Jahrhundert, ab etwa 1950, das Anthropozän als neues geologisches Zeitalter einzuführen“, erklärt Wagreich. Das Anthropozän würde somit das Holozän ablösen, das nach der letzten Eiszeit vor etwa 11.700 Jahren begann.

Die Anthropocene Working Group hat sich im Mai 2019 auf den Beginn des Anthropozäns mit Mitte des 20. Jahrhunderts geeinigt. Das genaue Datum ist Gegenstand derzeitiger Forschungen, die die vielfältigen Signale für den Beginn des Anthropozäns weltweit messen und gegeneinander abgleichen. Der endgültige Vorschlag zur Definition des neuen geologischen Zeitalters soll 2024 auf dem Tisch liegen.