Die Passage von Wasserkraft-Turbinen kann für Fische tödlich enden. Eine Gefahr, die besonders mit der Länge des Fisches steigt. Bei mehreren Wasserkraftanlagen im Flussabschnitt droht der Totalverlust der Art. Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) hat ein Verfahren für die Bewertung der Fischsterblichkeit an Wasserkraftanlagen vorgelegt. Die Studie zeigt, dass kleine Wasserkraftanlagen ökologisch problematisch sind – und oft unrentabel, würden sie mit dem notwendigen Fischschutz ausgerüstet. Die Forschenden raten, kleine Wasserkraftanlagen nicht über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu subventionieren, wenn nicht ein adäquater Fischschutz umgesetzt wird.
Wasserkraft ist zwar eine erneuerbare Energiequelle, aber nicht unbedingt umweltfreundlich: Die Anlagen haben starke bau- und betriebsbedingte Auswirkungen auf die Fluss-Ökosysteme, in denen sie errichtet werden. Insbesondere die hohe turbinenbedingte Sterblichkeit von Fischen stellt in Planungs- und Genehmigungsverfahren ein Konfliktfeld dar. Denn bislang gab es keine standardisierten objektiven Bewertungsansätze der Mortalitätsrisiken.
Das Forschungsteam hat in einem vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) geförderten Vorhaben einen Bewertungsindex zum Sterberisiko von Fischen an entwickelt – analog zu den Bewertungsindices, die das BfN bereits für andere Wildtiere ausgearbeitet hat; so beispielsweise für das Sterblichkeitsrisiko von Fledermäusen und Vögeln an Windkraftanlagen. Sie berücksichtigten alle im Süßwasser vorkommenden, einheimischen Fisch- und Neunaugenarten. „Unsere wissenschaftliche Bewertungsgrundlage und Arbeitshilfe kann die Praxis in konkreten Planungen und Prüfungen unterstützen und die Rechtssicherheit von Verfahren erhöhen“, sagt Dr. Christian Wolter, Forscher am IGB, der die Studie geleitet hat.
„Wanderfisch“ und „groß“ – Eigenschaften mit hohem Risiko:
Ein hohes Tötungsrisiko durch Wasserkraftanlagen besteht für Arten, die lange Wanderdistanzen zurücklegen, wie Aal, Meerforelle oder Störe.
Bei der Turbinenpassage nimmt die Wahrscheinlichkeit einer tödlichen Verletzung von abwandernden Fischarten mit der Körpergröße zu. Mortalitätsraten sind aber auch abhängig vom Turbinentyp; sie sind generell höher bei Francis- und Kaplanturbinen im Vergleich zu archimedischen Schnecken und Wasserrädern.
Das Risiko betrifft besonders jene Arten, deren Leben auch durch andere Einflüsse gefährdet ist: Die Forschenden definierten für ihr Bewertungsverfahren für alle Arten auch das allgemeine Sterberisiko – ohne Wasserkraft. Der Mortalitätsgefährdungsindex (MGI) berücksichtigt populationsbiologische Faktoren (wie die Fortpflanzung und die Populationsentwicklung) und naturschutzfachliche Faktoren (wie die Seltenheit und den Erhaltungszustand). „Wasserkraftanlagen sind vor allem für die Fischarten eine Gefahr, die auch durch andere biologische und menschengemachte Faktoren ein hohes Sterberisiko haben, wie den Aal oder die Störe“, sagt IGB-Forscher Dr. Johannes Radinger, Co-Autor der Studie.
Fazit: Geringes Tötungsrisiko nur bei umfangreichem Fischschutz – EEG-Subventionen müssen an Fischverträglichkeit gekoppelt werden:
Die Forschenden stellten die verschiedenen Technologien und Maßnahmen zur Vermeidung und Minderung von Sterblichkeit und Barrierewirkungen der Anlagen zusammen und bewerteten diese. Ihr Fazit: Ein vermindertes Tötungsrisiko ist an Wasserkraftanlagen tatsächlich nur dann möglich, wenn ein effektiver Fischschutz installiert ist. Dazu gehören beispielsweise mechanische Fischabweiser und ausreichend angelegte Fischaufstiegs- und Fischabstiegshilfen, deren Funktionalität zudem auch laufend geprüft und sichergestellt werden muss.
„Die rund 7000 Wasserkraftanlagen in Deutschland mit einer installierten Leistung von weniger als einem Megawatt produzieren nur etwa 14 Prozent des Gesamtstroms aus Wasserkraft von 17,5 Terrawattstunden pro Jahr im Jahr 2019. Ihr Beitrag zur Energiewende ist damit marginal, die von ihr verursachten Schäden in Gewässerökosystemen und an den Fischbeständen aber vergleichsweise hoch. Dass die Wasserkraft trotzdem durch das EEG gefördert wird, ist ein grundsätzliches Problem, welches auch der Umsetzung anderer Richtlinien entgegensteht, wie beispielsweise der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie oder der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Zumindest müsste das Gesetz so novelliert werden, dass Wasserkraftanlagen, die keinen umfassenden Fischschutz gewähren, nicht mehr förderfähig sind“, so das Fazit von Christian Wolter.