Wie Bayern die Energiewende schaffen will

Hauptpreisträger Kurtz: Die elektromagnetischen Wellen erzielen eine perfekte Kernverschweißung von innen nach außen. , , © Kurtz Ersa

Wie schafft es ein Unternehmen, CO2-neutral zu produzieren? Welche Vorteile bringt ein Kältenetz? Warum dreht der Beamtenanwärter seinem Chef die Heizung ab? Antworten auf diese Fragen lieferten die diesjährigen Energiepreisprojekte. 170 eingereichte Bewerbungen von Unternehmen, Forschungsstellen und Organisationen zeigten: Unsere Energiezukunft sieht vielfältig aus. Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger freute sich, auch 2020 wieder die zehn besten Projekte auszuzeichnen: „Wir wollen neue, kreative Ideen für einen intelligenten und verantwortungsvollen Umgang mit Energie prämieren und verstärkt in die Öffentlichkeit bringen. Der Bayerische Energiepreis ist ein hoch geschätzter und renommierter Anerkennungspreis für zukunftsweisende Energietechnologie und -anwendung. Ausgezeichnet werden herausragende Leistungen in Bayern in den Bereichen neue Energietechnologien, erneuerbare Energien und Energieeffizienz.“

Die renommierte Auszeichnung für einen innovativen und verantwortungsvollen Umgang mit Energie wird seit 1999 vom Bayerischen Wirtschaftsministerium vergeben. Insgesamt wurde ein Preisgeld in Höhe von 31.000 Euro ausgelobt, davon erhielt der Hauptpreisträger 15.000 Euro. Die Auszeichnung besteht aus einem Kategorie-übergreifenden Hauptpreis und Preisen in acht Kategorien:

  • Gebäude als Energiesystem / Gebäudekonzept
  • Energieerzeugung – Strom, Wärme
  • Energieverteilung und Speicherung – Strom, Wärme
  • Energieeffizienz in industriellen Prozessen und Produktion sowie Energieeffizienz-Netzwerke
  • Produkte und Anwendungen
  • Kommunale Energiekonzepte
  • Initiativen / Bildungsprojekte
  • Energieforschung – Nachwuchsförderpreis (Vergabe von zwei Preisen)

Den Hauptpreis erhielt in diesem Jahr die unterfränkische Kurtz GmbH für das Projekt „Chemiefreies Recycling von EPS-Material durch Radiofrequenz-Fusionstechnologie“.
Die Kunststoff- und Dämmstoffbranche sucht seit Jahren nach energieeffizienten und umweltfreundlichen Verfahren zur Verschweißung von Partikelschaumstoffen. Die fertigen Produkte aus EPS-Material (expandiertes Polystyrol), häufig unter dem Markennamen Styropor bekannt, finden vorrangig Anwendung in der Bau- und Verpackungsindustrie.

Die Kurtz GmbH hat eine hocheffiziente Maschine entwickelt, bei der die Verschweißung der Partikelschäume, also bereits „aufgebähter“ Polystyrol-Granulate, über elektromagnetische Wellen erfolgt. Diese neu entwickelte Radiofrequenz-Fusionstechnologie (RF-Technologie) erzielt eine perfekte Kernverschweißung von innen nach außen und produziert so energieeffizient Formteile wie etwa Isolierplatten, Kühlboxen oder Fahrradhelme. Im Vergleich zum Herstellungsverfahren unter Einsatz von Dampf lässt sich mit der RF-Technologie bis zu 90 Prozent Energie einsparen. Durch den Wegfall der früher notwendigen Dampferzeugungsanlagen ist es möglich, den CO2-Fußabdruck der Partikelschaumstoffhersteller signifikant zu verbessern.

Ein großer Vorteil der RF-Fusionstechnologie: Durch mechanisches „Schreddern“ kann das Partikelschaummaterial wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden. Der von Kurtz entwickelte WAVE FOAMER weist eine Wiederverwendbarkeit von bis zu 100 Prozent auf. Bei EPS im bisherigen Dampfprozess kann nur maximal 20 Prozent recyceltes Material wiederverwendet werden.
Partikelschäume eignen sich durch ihre hohe dynamische und statische Stoßbelastbarkeit, ihr geringes Eigengewicht und ihre hohen Dämmeigenschaften hervorragend für den Leichtbau. Neben der Bau- und Verpackungsindustrie liegen potenzielle Anwendungsfelder in der Elektromobilität. Komplett neue Geschäftsfelder lassen sich auch durch die Verarbeitung hochtemperaturbeständiger Materialien erschließen, wie z. B. in der Luftfahrt oder im Automotive-Bereich.

  • Gemeinsame Preisträger der Kategorie Gebäude als Energiesystem / Gebäudekonzept sind die heilergeiger architekten und stadtplaner BDA, Kempten, und die Alois Goldhofer Stiftung, Memmingen, mit ihrem Projekt „Kita Karoline Goldhofer“.
  • Preisträgerin der Kategorie Energieerzeugung – Strom, Wärme ist die Stadt Freilassing, Freilassing, mit ihrem Projekt „ENVER Energieverbund Freilassing“.
  • Preisträgerin der Kategorie Energieverteilung und Speicherung – Strom, Wärme ist die Alois Müller GmbH, Ungerhausen, mit ihrem Projekt „Green Factory | Die CO2-neutrale Fabrik“.
  • Gemeinsame Preisträger der Kategorie Energieeffizienz in industriellen Prozessen und Produkten sowie Energieeffizienznetzwerke ist das IGS GbR – Ingenieurbüro für Energie- und Umwelttechnik, Hallbergmoos und die Brauerei Aying Franz Inselkammer KG, Aying mit ihrem Projekt „Flaschenreinigungsmaschine mit Hochtemperaturwärmepumpe in Verbindung mit BHKW“.
  • Preisträger der Kategorie Produkte und Anwendungen sind die Unternehmen Siemens Energy, Erlangen, und Evonik, Marl, mit ihrem Projekt „Herstellung von Chemikalien aus Kohlendioxid und Ökostrom“.
  • Gemeinsame Preisträger der Kategorie Kommunale Energiekonzepte sind die Stadtwerke Rosenheim GmbH & Co. KG, Rosenheim, und die SolarNext AG, Bernau am Chiemsee, mit ihrem Projekt „Umweltfreundliche Kälteversorgung Bahnhof Nord“.
  • Preisträger der Kategorie Initiativen / Bildungsprojekte ist das Finanzamt Landshut, Landshut, mit dem Projekt „Energie- und Umweltmanagement am Finanzamt Landshut“.
  • Preisträgerin der Kategorie Energieforschung – Nachwuchsförderpreis ist die Sozialwissenschaftlerin Dr. Arwen Colell, Berlin (promovierend an der Hochschule für Politik an der Technischen Hochschule München), mit ihrer Dissertation „Wechselwirkung – Soziale Innovation in Bürgerenergieprojekten“.
  • Ein weiterer Preisträger der Kategorie Energieforschung – Nachwuchsförderpreis ist der Batterieforscher Dr. Peter Keil, Garching (promovierend an der TU München, Lehrstuhl für Elektrische Energiespeichertechnik), mit seiner Dissertation „Alterung von Lithium-Ionen-Batterien in Elektrofahrzeugen“.