Marine Nahrungsnetze und biogeochemische Kreisläufe reagieren sehr empfindlich auf die Zunahme von Kohlendioxid (CO2) – jedoch sind die Auswirkungen weitaus komplexer als bislang gedacht. Das zeigt eine Studie, die ein Team von Forschern des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel in der Fachzeitschrift Nature Climate Change veröffentlicht hat. Dafür wurden Daten von fünf groß angelegten Feldexperimenten zusammenfasst, die untersucht haben, wie der Kohlenstoffkreislauf innerhalb von Planktongemeinschaften auf die Zunahme von CO2 reagiert.
Der Ozean spielt eine Schlüsselrolle im gegenwärtigen Klimawandel, da er einen beträchtlichen Teil des von der Menschheit ausgestoßenen atmosphärischen Kohlendioxids aufnimmt. Dadurch wird einerseits die Aufheizung des Klimas verlangsamt, andererseits führt die Lösung von CO2 im Meerwasser zur Versauerung der Ozeane. Dies hat weitreichende Konsequenzen für viele Meereslebewesen und dadurch auch für den ozeanischen Kohlenstoffkreislauf. Einer der wichtigsten Mechanismen hierbei ist die biologische Kohlenstoffpumpe: Ein Teil der Biomasse, die pflanzliches Plankton an der Ozeanoberfläche durch Photosynthese bildet, sinkt in Form kleiner, kohlenstoffhaltiger Partikel in die Tiefe. Dadurch wird der Kohlenstoff für lange Zeit in der Tiefsee gespeichert. Der Ozean wirkt somit als Kohlenstoffsenke im Klimasystem. Wie stark diese biologische Pumpe wirkt, ist regional sehr unterschiedlich und hängt von der Artenzusammensetzung des Ökosystems ab.
Die Studie, die jetzt in der Fachzeitschrift Nature Climate Change veröffentlicht wurde, ist eine der bislang umfassendsten Untersuchungen zu den Auswirkungen der Ozeanversauerung auf marine Ökosysteme. Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel konnten nun erstmals zeigen, dass Ozeanversauerung den Kohlenstoffgehalt von sinkendem organischem Material, und somit die biologische Pumpe, beeinflusst. Überraschenderweise waren die beobachteten Änderungen sehr variabel. Der Kohlenstoffgehalt der sinkenden Partikel nahm bei steigendem CO2 deutlich zu oder ab, je nachdem was für eine Zusammensetzung von Arten vorlag und wie das Nahrungsnetz strukturiert war. Da die zugrundeliegenden Daten verschiedenste Ozeanregionen abdecken, scheint es sich dabei um ein globales Phänomen zu handeln. Diese Erkenntnisse ermöglichen eine völlig neue Einschätzung der Auswirkungen von Ozeanversauerung.
Dr. Jan Taucher, Meeresbiologe und Erstautor der Studie, sagt hierzu: „Interessanterweise fanden wir heraus, dass bakterielles und tierisches Plankton, wie zum Beispiel Ruderfußkrebse, eine Schlüsselrolle dabei spielen, wie der Kohlenstoffkreislauf und die biologische Pumpe auf Ozeanversauerung reagieren. Bislang war die Ansicht verbreitet, dass biogeochemische Änderungen hauptsächlich durch Reaktionen des pflanzlichen Planktons getrieben werden. Deshalb berücksichtigen nicht einmal moderne Erdsystemmodelle die von uns beobachteten Wechselwirkungen zwischen dem marinen Nahrungsnetz und dem Kohlenstoffkreislauf. Unsere Erkenntnisse helfen somit, Klimamodelle realistischer zu gestalten und Klimaprojektionen zu verbessern“.
Bislang basierten die meisten Erkenntnisse zu diesem Thema auf idealisierten Laborexperimenten, die ökologische Wechselwirkungen und die Dynamik des komplexen marinen Nahrungsnetzes nur stark vereinfacht darstellen. Dadurch können solche Ergebnisse nur schwer auf Bedingungen im realen Ozean übertragen und in die Zukunft projiziert werden. Um einen realistischeren Einblick zu erhalten, fasst die Studie mehrere Feldexperimente zusammen, die mit großvolumigen Testanlagen, sogenannten Mesokosmen, in verschiedenen Ozeanregionen, von arktischen bis subtropischen Gewässern, durchgeführt wurden.
Daten aus fünf Mesokosmen-Experimenten zusammengetragen
Mesokosmen sind sozusagen überdimensionale Reagenzgläser im Ozean, in denen Veränderungen der Umweltbedingungen in einem abgeschlossenen, aber ansonsten natürlichen Ökosystem untersucht werden können. Für die vorliegende Studie wurde eine Vielzahl an Daten aus fünf Mesokosmen-Experimenten zusammengetragen, um somit ein genaues Bild der Planktongemeinschaften und der biogeochemischen Prozesse innerhalb des Ökosystems zu liefern. Insgesamt flossen über zehntausend Datenpunkte in die Analyse ein. Die neu gewonnenen Erkenntnisse können nun dazu genutzt werden, die komplexen ökologischen Wechselwirkungen in Erdsystemmodelle zu implementieren, um somit zur weiteren Verbesserung von Klimaprojektionen beizutragen.